100 000 Kinder in Steinbrüchen und Ziegeleien. Unter anderem werden dort auch Grabsteine hergestellt, die in Deutschland sehr billig verkauft werden. Die Organisation XertifiX hat herausgefunden, dass zwischen 30 und 60 % der Grabsteine in Deutschland aus solcher ausbeuterischer Kinderarbeit stammen.
Wir haben es der Organisation XertifiX zu verdanken, dass das Thema Grabsteine und Kinderarbeit in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Sie hat ein Zertifizierungsverfahren entwickelt, das Stein
brüche in Indien prüft und Sozialprojekte auflegt. Denn allein mit dem Verbot von Kinderarbeit ist es ja nicht getan.
Oftmals sind die Kinder die einzigen, die das Familieneinkommen erwirtschaften. Hierzu müssen Alternativen aufgezeigt werden. Vor allem brauchen wir Bildungsmöglichkeiten für die Kinder.
Wir fühlen uns den ganzheitlichen Ansätzen von XertifiX verpflichtet und wollen das auch hier im Land zum Standard machen. Wir denken, dass das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte in einem Land, das die UN-Kinderrechtskonvention akzeptiert hat, in einem Land, in dem wir am 1. Juni den Weltkindertag feiern und in dem am 12. Juni der Tag gegen Kinderarbeit begangen wird. Es wäre ein schönes Zeichen, wenn das heute vom Landtag positiv konnotiert würde.
Ein solches Verbot hat sich zu orientieren am Übereinkommen zum Verbot und zu unverzüglichen Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Dort heißt es in Artikel 1 der Konvention 182:
„Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat unverzügliche und wirksame Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die schlimmsten Formen der Kinderarbeit vordringlich verboten und beseitigt werden.“
Dazu zählt aus unserer Sicht ganz ausdrücklich die Arbeit in Steinbrüchen, die sehr anstrengend ist, bei sehr hohen Temperaturen stattfindet und bei der leider jeglicher Arbeitsschutz fehlt. Laut XertifiX haben die Kinder, die dort arbeiten, eine Lebenserwartung zwischen 34 und 40 Jahren.
Ich würde mich freuen, wenn wir mit diesem Gesetzentwurf der Kinderarbeit auch an dieser Stelle ein klein wenig entgegentreten würden.
Das Verbot selbst muss natürlich dann auch von den Friedhofsträgern in die Satzungen übernommen werden. Deswegen schlagen wir weiterhin vor, dass nicht nur im Gesetzesblatt über das dann hoffentlich neue Gesetz informiert wird, sondern dass es ein Rundschreiben vom Land gibt, das die Friedhofsträger auf diese neue Möglichkeit aufmerksam macht. Dabei sollte die Vorlage der Organisation XertifiX die Grundlage bilden. Denn man braucht eine Orientierung, was ist Kinderarbeit und was nicht. Zu empfehlen ist auch das Siegel „Fair Stone“.
Kommen wir zur dritten Forderung meiner Fraktion, die wir über den Entschließungsantrag vorgelegt haben. Wie es zu erwarten war, hat allein das
Anstoßen einer Debatte über den sogenannten Friedhofszwang ein hohes öffentliches und emotionales Interesse nach sich gezogen. Genau diese breite öffentliche Debatte wollten wir und wollen wir in ihrem Fortgang weiter befördern.
Deshalb haben wir - ich wiederhole es - diese Sentenz nicht in den Gesetzentwurf, sondern explizit in den Entschließungsantrag hineingeschrieben.
Ich will es an dieser Stelle noch einmal klar und unmissverständlich sagen: Es geht nicht um die Abschaffung von Friedhöfen; das ist überhaupt nicht unser Anliegen. Es geht darum, die Bandbreite der Möglichkeiten am Lebensende zu erweitern, auch hier Vielfalt zu ermöglichen.
Ich habe mich schon ein bisschen darüber geärgert, um noch einmal auf Medienberichterstattung zu reagieren, dass einige so getan haben, als ob die Abschaffung von Friedhöfen unser Ziel ist. Ich denke, das haben im Moment weder die LINKE mit dem vorgelegten Antrag noch meine Fraktion zum Ziel.
Es geht darum, in eine Debatte - sie ist ganz klar in sozialen Netzwerken und ähnlichen Äußerungen abgebildet - einzutreten und gemeinschaftlich darüber nachzudenken: Wie wollen wir Trauer und Bestattungskultur in diesem Land organisieren? Welche Möglichkeiten der individuellen Entfaltung, auch über den Tod hinaus, wollen wir zulassen?
Ob Urnen abseits von Friedhöfen oder Friedwäldern aufbewahrt werden dürfen, ist eine Frage. Dabei ist wiederum die Frage zentral, wie sehr Bestattung und Trauer privatisiert werden dürfen; das sage ich ganz klar. Dieser Diskussion wollen wir uns stellen.
Denn es wäre - das ist uns klar - eine Abkehr von unserer bisherigen, ausschließlich öffentlich geführten Trauerkultur auf Friedhöfen. Friedhöfe können jederzeit von jedem besucht werden. Wenn man sich eine - um jetzt das gängigste Beispiel zu strapazieren - sehr individuelle Form des Gedenkens herausnimmt, beispielsweise die Asche des Toten in einen Diamantring pressen lässt und am Finger trägt, ist das eine sehr persönliche, sehr individuelle Geschichte. Dies nimmt aber anderen Menschen möglicherweise den Ort des Gedenkens.
Die Problematik, die immer einmal wieder auftaucht, nämlich dass Uneinigkeit bei den Hinterbliebenen darin herrschen könnte, welche Form der Bestattung, welche Form des Gedenkens die richtige ist, halte ich für regelbar.
Ich komme aus einer, wenn man es so sagen darf, liberalen katholischen Familie. Ich habe oft Situationen erlebt, in denen es allein um die Frage
„Erdbestattung oder Feuerbestattung?“ heftige Diskussionen gab. Ich kann auch sagen, dass ich es erlebt habe, dass diese Diskussionen regelbar sind. Ich halte die Diskussionen auch für regelbar, wenn es eine noch größere Bandbreite an Bestattungsmöglichkeiten gibt.
Nichtsdestotrotz: Einige Fragen habe ich angerissen. Die Liberalisierung wirft weitere Fragen auf. Genau diese Fragen nehmen wir, die GRÜNEN, sehr, sehr ernst. Wir haben an dieser Stelle keine fertigen Lösungen; das sage ich ganz offen. Deswegen steht es nicht in dem Gesetzentwurf und deswegen wollen wir eine gesamtgesellschaftliche Debatte über unsere tradierten Trauer- und Bestattungsformen anstoßen.
Diesbezüglich kann und darf der Gesetzgeber nicht vorschnell fertige Lösungen präsentieren. Es ist eine Selbstverständigung innerhalb der Gesamtgesellschaft darüber anzustreben. Diese
muss aus dem Parlament heraus in den öffentlichen Raum getragen und dort breit geführt werden. Das wollen wir von der Landesregierung organisiert wissen.
Da aber - auch das sage ich ganz offen - selbst meine eigene Partei hierzu keine abschließende Positionierung hat, werden auch wir einen solchen Prozess öffentlich organisieren und zur Meinungsbildung mit beitragen. Es bedarf einer breit getragenen Übereinkunft über Trauer- und Bestattungsformen. Wie viel Individualität wollen wir zulassen?
Als kleinen Eindruck kann man sich einmal die Online-Foren, zum Beispiel der „Mitteldeutschen Zeitung“, angucken. Darin haben sich sehr, sehr viele Menschen zu Wort gemeldet, wie ich finde mit einer sehr hohen Ernsthaftigkeit, mit einer sehr hohen Fachlichkeit. Das sollte man ernst nehmen.
Ich habe mich darüber gefreut, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU Schröder zumindest Diskussionsbereitschaft zu diesem Punkt signalisiert hat; denn dann haben wir schon ein Stück weit das erreicht, was wir erreichen wollten.
Abschließend noch kurz zu dem Antrag der LINKEN, der weitere Handlungsfelder in die Debatte einführt. Die Vorschläge etwa zur Leichenschau erscheinen mir durchaus schlüssig und insbesondere vor dem Hintergrund der Ereignisse in Halle als geboten. Ich gehe davon aus, dass die Kollegin von Angern hier noch ausführlich zu dem Thema vortragen wird.
Die Ermöglichung ritueller Waschungen ist konsequent und eine gute Ergänzung unserer Vorlage; das halten wir für sehr sinnvoll.
Das muss dann allerdings in geeigneten Räumen stattfinden. Leichenhallen oder noch besser religiöse Einrichtungen sind dafür sicherlich ein guter Ort. Man muss dabei hygienische Schutzmaßnahmen einhalten. Das ist aber alles eine Frage der Ausgestaltung, die wir für regelbar halten.
Andere Punkte sind im Grundsatz schon geregelt. So gibt es bereits die Möglichkeit für Eltern, auch Fehlgeburten unter 500 g beerdigen zu lassen. Wenn man von der Würde der Toten ausgeht, wenn man versucht, sich in die Situation von Eltern dieser sogenannten Sternenkinder hineinzuversetzen, dann ist es sicherlich sehr, sehr sinnvoll, wenn man hierbei nicht einfach eine Grenzziehung nach Gewicht vornimmt, sondern eine einfache und leicht verständliche Regelung vorlegt.
Denn das alles sind Fragen, mit denen sich niemand theoretisch beschäftigt, sondern jeder immer erst dann, wenn eine Situation eintritt, die emotional wirklich höchst anspruchsvoll ist. Die würdevolle individuelle Bestattung aller totgeborenen Kinder unabhängig vom Alter und von der Größe würde der Trauer der Betroffenen entsprechen; das halten wir für sehr sinnvoll.
Wir sehen, die Grenzziehung im Bereich von Leben und Tod ist schwierig. Das darf nicht unter Zeitdruck diskutiert werden.
Wenn wir uns alle der Gemeinsamkeit der Debatte stellen - meine Fraktion plädiert dafür, dass alle vorgelegten Dokumente zusammen in den Ausschuss überwiesen werden -, dann - davon gehe ich fest aus - werden wir am Ende ein deutlich besseres, ein deutlich moderneres Bestattungsgesetz haben. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem Sterben beschäftigt sich niemand gern. Man sollte sich aber damit befassen; denn das Sterben gehört zum Leben - ohne Ausnahme.
Meine Fraktion möchte heute mit dem vorgelegten Antrag eine breite parlamentarische und auch gesellschaftliche Debatte zur Reform des Bestattungsgesetzes in Sachsen-Anhalt anregen. Die Mediendebatte der letzten Tage zeigt sehr deutlich, dass altersübergreifend ein sehr großes Interesse in unserer Bevölkerung daran besteht.
Sie haben eine Umfrage auf der Homepage der „Mitteldeutschen Zeitung“ sehen können, an der in nur wenigen Tagen schon mehr als 2 600 Menschen teilgenommen haben. Nicht zuletzt daran wird deutlich, dass das Interesse sehr groß ist. Der Blick geht in unsere Richtung. Es wird in den Blick genommen werden, wie es uns gelingt, eine breite Debatte dazu zu organisieren. Ich sehe uns als Landtag hierbei zuvörderst in der Pflicht.