Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

Was ich in der Diskussion auch vermisse, ist, dass über das Grundrechtsproblem geredet wird, welches über die Technologie der Deep Packet Inspection zustande kommt, also dadurch, dass Daten automatisiert gelesen werden müssen, um sie zu klassifizieren, um zu schauen, welche Daten in welcher Güteklasse tatsächlich transferiert werden können.

Die LINKE bleibt dabei, dass die Technologie DPI gegen den Datenschutz und gegen die informationelle Selbstbestimmung verstößt und deswegen prinzipiell, nicht nur im Bereich der Netzneutralität, nicht angewandt werden sollte.

Es gibt die Möglichkeit, das Problem zu lösen. Den § 41a TKG habe ich schon genannt. Herr Gabriel macht es nicht. Man kann es auch theoretisch noch einmal hineinschreiben. Das ist das, was ich gefordert hatte. Ich sehe jetzt nicht, dass das bis zum Jahr 2017 passiert. Dafür sind die politischen Mehrheiten im Bundestag im Grunde genommen gemacht. - Leider. Der Bundestagsausschuss mag tatsächlich einen neuen Drive in die Debatte einbringen. Ob das unter Bundesminister Dobrindt tatsächlich bis 2017 realisiert wird - ich will es bezweifeln.

Nun haben wir einen föderalen Staat, nicht nur die Bundesebene, sondern auch die Länder. Die Länder haben prinzipiell keine Möglichkeit, in das Telekommunikationsrecht direkt einzugreifen, obgleich ihnen das Medienrecht obliegt; die Medien sind Ländersache.

Bei der Medienrechtsnovelle in Nordrhein-Westfalen hat Professor Bernd Holznagel ein Statement abgegeben. Er hat gesagt: Wenn es um medienrechtliche Vorgaben geht, dann sieht er als eine der größten Gefahren für Medienvielfalt, dass die Netzneutralität aufgehoben wird. Er plädiert daher, um der Medienvielfalt Rechnung zu tragen, dafür, dass die Mediengesetze Lösungen enthalten sollen, die zum Beispiel darin bestehen, dass Landesmedienanstalten die entsprechende Aufsicht über die Durchsetzung von Netzneutralität haben.

Ich weiß nicht, ob wir das in Sachsen-Anhalt realisieren können. Deswegen beantragen wir heute einen Prüfauftrag an die Landesregierung; sie soll herausfinden, wie wir das rechtssicher in SachsenAnhalt gestalten können. Ich habe im Vorfeld mit Vertretern der Medienanstalt geredet und festgestellt, dass es theoretisch ginge. Nun kommt es auf die rechtliche Umsetzung an.

Im Übrigen pflichte ich der Auffassung bei, dass eine fehlende Netzneutralität die Medienvielfalt, die wir uns alle wünschen, tatsächlich beeinträchtigt. Die rechtliche Umsetzung ist schwierig. Was ist das jetzt? Ist das Internetrecht? - So etwas gibt es noch nicht. Ist das Wegerecht? - Natürlich ist es Wegerecht; deswegen lösen wir es auf der Bundesebene über das TKG und sagen, dass die Bundesnetzagentur die Aufsichtsbehörde ist. Wir können es aber eben auch über das Medienrecht lösen. Dieser Ansatz wurde in noch nicht vielen Bundesländern gewählt.

Es ist ohnehin schwierig auszumachen, wohin die Entwicklung geht. Ich persönlich finde es ein wenig unglücklich, dass wir das Internet immer nur unter Mediengesichtspunkten betrachten inklusive der Betrachtung der gesetzlichen Regelungen, die für das Internet gelten.

Das Internet ist weitaus mehr als nur ein lineares Medium oder ein Rundfunk im klassischen Sinne. Deswegen gehört es in diesem Sinne auch nicht formuliert und benötigt einen anderen gesetzlichen Rahmen. Wir stecken ein wenig fest, wenn wir das Internet immer nur als Medium betrachten. Aber es ist die einzige Möglichkeit, die wir als Landesgesetzgeber haben.

Deswegen stellen wir den heute vorliegenden Antrag. Es ist nur ein Notnagel; das weiß ich. Aber wenn der Bund nicht willig ist, dann müssen wir als Land die Handlungsfähigkeit bei dieser Frage unter Beweis stellen.

Die Position der LINKEN zur Netzneutralität ist hinreichend bekannt. Wir haben im Übrigen immer gesagt: Damit die Unternehmen einen Anreiz dafür bekommen, diese Vorgabe umzusetzen, wollen wir es an Subventionen koppeln. Das machen wir im Land nicht. Ich weiß auch nicht, ob dies bisher bei der Vergabe der ELER-Mittel möglich war und ob es bei der Vergabe der EFRE-Mittel, die demnächst zur Verfügung stehen, möglich wäre.

Bei der heutigen parlamentarischen Begegnung der T-Systems International GmbH, also der Deutschen Telekom AG, können wir einmal danach fragen, wie sie es sehen, dass Subventionen an die Wahrung von Netzneutralität gekoppelt werden. Dieses Geben und Nehmen ist bereits ein Kompromiss, ist aber gang und gäbe bei der Zusammenarbeit mit wirtschaftlichen Partnern und die Politik kennt das.

Ich glaube, dass man über ein solches Verfahren jederzeit im beiderseitigen Wohlwollen eine Lösung in dem Sinne finden kann, dass die Netzversorgung sichergestellt wird, dass das Internet flächendeckend ausgebaut wird und dass die Netzneutralität gewahrt wird. Da ich erkenne, dass wir prinzipiell eine diskriminierungsfreie Durchleitung von Daten haben wollen, bin ich sehr erfreut, dass heute Vertreter von allen Fraktionen bei der parlamentarischen Begegnung der Deutschen Telekom AG für die Netzneutralität werben werden.

(Herr Henke, DIE LINKE, lacht)

Zuletzt noch ein kleiner Blick nach Thüringen. Thüringen hat die Initiative, die wir heute vorschlagen und die wir von der Staatskanzlei prüfen lassen wollen, bereits aufgegriffen. Es liegt ein Änderungsantrag für das dort geltende Mediengesetz vor.

Ich habe die Debatte dazu leider noch nicht verfolgen können, weil auch das sehr frisch ist. Aber Sie sehen, nachdem Herr Professor Holznagel die Empfehlung gegeben hat, machen sich nun mehrere Länder auf den Weg. Die Konstellation in Thüringen ist nicht substanziell anders als die im Land Sachsen-Anhalt. In Thüringen haben CDU und SPD längst gezeigt, dass sie sich eine solche Lösung tatsächlich vorstellen können.

Meine Damen und Herren! Die Netzneutralität ist neben dem Datenschutz und der Datensicherheit eine der wichtigsten Grundlagen für ein freiheitliches Internet, in dem wir uns sicher bewegen können und in dem die informationelle Selbstbestimmung gewahrt wird.

Für mich ist es auch wichtig, die Deep Packet Inspection, DPI, zu verdammen, und weiterhin dafür zu werben, dass wir eine solche Technologie prinzipiell nicht einsetzen und dass wir bei der Netzneutralität auch an die Hardware-Neutralität denken.

Heute gehen wir mit unserem Antrag wieder einen ersten Schritt. Wir brauchen den Netzausbau, wir brauchen die Netzneutralität und wir brauchen eine gute Aufsicht über die Netzregulierung. Deswegen bitte ich um Ihre wohlwollende Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Kollege Wagner. - Für die Landesregierung spricht Minister Möllring. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seitdem wir im April letzten Jahres das

Thema Netzneutralität diskutierten, wurde das Thema auch auf Bundes- und EU-Ebene weiter bearbeitet. Die damalige Bundesregierung hatte im Juni 2013 mit einem Entwurf einer Neutralitätsverordnung nach § 41a Abs. 1 TKG den Versuch unternommen, die Ermächtigung aus dem TKG umzusetzen und damit Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang festzulegen. In der letzten Legislaturperiode auf Bundesebene ist es dann aber nicht mehr zur Verabschiedung dieser Verordnung gekommen.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission brachte im September vergangenen Jahres den „Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents“ auf den Weg, der Regelungen zur Netzneutralität enthält.

Dieser Verordnungsentwurf wurde auch in verschiedenen Ausschüssen des Bundesrats diskutiert, natürlich auch im Wirtschaftsausschuss. Insgesamt gab es erhebliche Vorbehalte des Bundesrates zu dem Entwurf. So ist der Bundesrat der Ansicht, dass der Verordnungsentwurf nicht geeignet ist, eine gleichberechtigte und uneingeschränkte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am offenen Internet als einem zentralen Medium unserer Informationsgesellschaft zu gewährleisten.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass alle Datenpakete im Rahmen der elektronischen Kommunikation unabhängig von Inhalt, Anwendung, Herkunft und Ziel grundsätzlich gleich behandelt werden müssen. Dies ist nicht nur Voraussetzung für Innovation und einen funktionierenden Wettbewerb, sondern auch eine zentrale Voraussetzung für die Freiheit der Meinungsäußerung, die Informationsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und für ein hohes Verbraucherschutzniveau.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sachsen-Anhalt hat diese Einschätzung geteilt und teilt sie noch. Den Vorbehalten des Bundesrates ist die Europäische Kommission leider nur in geringem Umfang gefolgt. Die Kommission sieht das Verbot des Blockierens, der Beeinträchtigung oder der Diskriminierung bei Datenvolumen und Geschwindigkeit als ausreichend für die Wahrung der Netzneutralität an.

Das Europäische Parlament hat sich am 3. April 2014 mit dem Verordnungsentwurf befasst. Es hat sich unter anderem auf eine Definition der Netzneutralität und auf eine Präzisierung der Anforderungen für die Zulässigkeit von sogenannten Special Services verständigt. Der Beschluss des Europäischen Parlaments wird nun Grundlage für die im Herbst dieses Jahres geplanten Verhandlungen mit dem Rat und der Europäischen Kom

mission über die finale Fassung der Verordnung sein.

Die Bundesregierung setzt bei der Frage der Netzneutralität auf eine europaweite Regelung. Bis zum Ende des Jahres wird eine europaweite Regelung für den diskriminierungsfreien Transport aller Datenpakete im Internet angestrebt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Wagner, Herr Minister. - Bitte sehr.

Frau Präsidentin, ich habe zwei Fragen. Eine Vorbemerkung: Ich begrüße es ausdrücklich, auch nachdem ein Jahr vergangen ist, seitdem Sie zu unserem Antrag gesprochen haben, dass Sie diese Position mittlerweile stellvertretend für die Landesregierung einnehmen.

Sie haben auch gesagt, dass sich der Bundesrat vorbehält, die sogenannten Special Services, also spezialisierte Dienstleistungen, von der Netzneutralität auszunehmen. Ich will fragen, was ein solcher Special Service ist und wie er sich definieren würde.

Sie haben gesagt, es soll eine EU-weite Regelung für die Netzneutralität im Internet geben. Die Frage ist, ob das in Deutschland auch für den mobilen Bereich gelten soll.

Zu den Special Services habe ich aus dem Europäischen Parlament zitiert. Ich kann Ihnen nicht speziell sagen, was das Europäische Parlament darunter versteht. Aber ich gehe davon aus, dass dieser Beschluss die Grundlage für die weiteren Verhandlungen ist und darüber dann auch diskutiert wird.

Sie haben gerade die Aussage getätigt, dass die Netzneutralität EU-weit für das Internet gelten soll. Bislang gab es lediglich - so ist es mir bekannt - nur Bestrebungen für das leitungsgebundene Internet. Sogar im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene hat man sich dafür ausgesprochen, dezidierte Ausnahmen im Mobilfunkbereich vorzunehmen. Das wäre jetzt eine neue Qualität. Es wäre eine Qualität, die ich durchaus begrüßen würde, wenn es für die gesamte Netzversorgung gelten würde.

Deswegen wollte ich nachfragen, ob es dezidiert so gemeint war, dass die EU Ihrer Meinung nach

auch für den mobilen Bereich vorsieht, die Netzneutralität bis Ende des Jahres zu regeln.

Nein, hier geht es nur um die gebundenen Netze.

Danke, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erster Debattenredner spricht der Kollege Graner für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns bereits vor einem Jahr mit dem Thema beschäftigt. Wir haben damals einen Beschluss gefasst. Mir liegt eine Beschlussrealisierung der Landesregierung vor, die zwei Punkte enthält. Sie trägt das Datum 2. Juli 2013.

Erstens. Die Landesregierung wird die Entwicklung des Telekommunikationsmarktes beobachten, insbesondere mit Bezug auf die Wahrung der Netzneutralität.

Zweitens. Sie wird erforderlichenfalls von der Verordnungsermächtigung des TKG Gebrauch machen, um die Netzneutralität sicherzustellen.

Ich finde, dass das eine gute Antwort der Landesregierung ist. Meines Erachtens hätte man es dabei belassen können; denn diese Aussagen gelten nach wie vor.

Nun haben Sie erneut einen Antrag gestellt. Ich frage mich: Was ist seitdem passiert, das diesen neuen Antrag notwendig macht? Sie haben dazu bereits einige Punkte ausgeführt. Sie haben auf den Beschluss des Europäischen Parlaments hingewiesen. Sie haben auch auf die Koalitionsvereinbarung in Berlin hingewiesen.

Herr Wagner, ich werde mich hüten, Ihnen auf die Frage zu antworten, was sich die Kollegen beim Bund dabei gedacht haben. Zum einen kann ich es im Detail gar nicht wissen. Zum anderen möchte ich hier wirklich keine Exegese von Koalitionsverträgen machen.

Aber es gibt noch einige weitere Entwicklungen, die seitdem stattgefunden haben. Auf diese möchte ich vielleicht doch kurz den Blick richten. Zum einen stellt sich natürlich die Frage: Wie geht die Industrie, wie geht die Netzwirtschaft damit um? Sie haben das bereits zitiert. Sie sind der Ansicht, dass die meisten Protagonisten aus dem Bereich der Netzwirtschaft für Netzneutralität sind. Das ist soweit richtig.

Aber wenn Sie sich die Industrie anschauen, insbesondere den Verband Bitkom, zu dem auch die Deutsche Telekom gehört, dann werden Sie feststellen, dass das im Einzelnen ganz anders klingt.

Ich möchte Ihnen einmal vorlesen, was der Bitkom vor wenigen Wochen in einer Pressemitteilung geschrieben hat. Es wird ein bisschen kompliziert, aber es ist wichtig. Ich zitiere: