Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

Unterstützung in Form von Beratung, Coaching und Expertise, aber auch in Form von direkter Hilfe erhalten solche Zusammenschlüsse sowie Verbände, Vereine, Verwaltungen, Parlamente, Schulen und Jugendeinrichtungen durch das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Sachsen-Anhalt, einen Zusammenschluss freier Träger, die im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, maßgeblich gefördert durch das Land Sachsen-Anhalt, im ganzen Land zur Verfügung stehen.

Wir alle wissen, wie schwer es sein kann, rechtsextremen Interventionen vor Ort konsequent entgegenzutreten und dabei den demokratischen Konsens zu suchen, den richtigen Ton zu treffen

und das Ganze auch angemessen zu kommunizieren. Es ist wichtig, Kommunalvertreter und -vertreterinnen, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen und die Akteure vor Ort zu begleiten, damit Vorgänge möglichst nicht bagatellisiert werden, damit man sich diesen Aufgaben stellt und angemessen reagiert.

Das Beratungsnetzwerk hilft hierbei mit langjähriger Expertise, mit Rat und Tat und auch mit sehr viel langem Atem, den diese Arbeit braucht. Ob Schule, Jugendklub, Verwaltung, Sportverein oder Feuerwehr, sie alle können auf die Arbeit der mobilen und regionalen Beratungsstellen setzen und finden dort verlässliche Hilfe.

Das zweite, nicht weniger wichtige Standbein dieses Beratungsnetzwerkes ist die mobile Opferberatung für Opfer rechtsextremer und fremdenfeindlicher Gewalt, die Opfern solcher Übergriffe hilft, den Angriff so weit wie möglich zu verarbeiten, ihre Rechte wahrzunehmen und Schutz zu finden. Alle hieran beteiligten Träger arbeiten langjährig in diesem Bereich und in verlässlichen Strukturen von Bund, Ländern und Trägern.

Vor diesem Hintergrund der langjährigen Arbeit war es für die handelnden Personen natürlich auch ein befremdlicher Vorgang, dass im Rahmen des neuen Bundesprogramms den Trägern dieser Beratungseinrichtungen eine Demokratieerklärung zur Unterzeichnung vorgelegt worden ist, mit der sie selbst ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegen und zugleich versichern sollten, dass sie sicherstellen, dass sich alle Kooperationspartner und alle eingesetzten Referenten eines Projektes ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten.

Das heißt eben auch, bei der Bewertung der einzelnen Partner und Mitarbeiter sollen die betreffenden Träger mit den Ämtern für Verfassungsschutz zusammenarbeiten, flankiert von Referenzen Dritter und von Medienanalysen. Dieses neue Verfahren hat zu einer breiten Diskussion über die Notwendigkeit und die Rechtmäßigkeit eines solchen Bekenntnisses geführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vorab die Bemerkung, dass der Bund natürlich zu Recht die Erwartung hat, dass die von ihm geförderten Projekte und Beratungsstrukturen auf der Grundlage der FDGO durchgeführt werden und dass die Projektziele mit den Zielen unserer Verfassung übereinstimmen. Das kann und muss von jedem, der staatliche Mittel bewirtschaften will, erwartet werden. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein; ich möchte es aber dennoch extra erwähnen.

Ich sehe schon, dass meine Redezeit begrenzt ist. Daher möchte ich jetzt nicht auf die vielen Untersuchungen und rechtlichen Einschätzungen eingehen. Wir haben das in der Einführung schon ge

hört. Ich möchte daran erinnern, dass auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages durchaus Fragen dazu hat, inwieweit man diese Bekenntnisverpflichtung, die es sonst nur beim Beamtengesetz und beim Einbürgerungsrecht gibt, in diesem Bereich anwenden kann. Denn im Gegensatz zum Beamtengesetz, das auf eine auf Dauer angelegte sehr enge Rechtsstellung orientiert ist, handelt es sich hierbei um temporäre projektbezogene Dinge.

Das Bundesministerium hat es auch von Herrn Professor Ossenbühl aus Bonn begutachten lassen. Er beschreibt insbesondere den zweiten Teil der Erklärung als nicht ganz glücklich gewählt.

Das Land Berlin hat nun die Bundesratsinitiative ergriffen. Der dort vorgelegte Entschließungsantrag kritisiert primär den zweiten Teil der Klausel und fordert den Bund entsprechend zu einer Überarbeitung auf. Im Rahmen der Ausschussberatung des Bundesrates wurde die Vertagung des Antrags beschlossen. Ich glaube, das ist ein deutliches Signal im Hinblick auf den Beratungsbedarfs der Länder in dieser Frage, der sich auch in den Voten des Landes Sachsen-Anhalt ausdrückt.

In diesem Sinne plädiere ich für eine sorgfältige Prüfung und Diskussion auch in den Gremien des Landtags und schließe mich dem Antrag der Regierungsfraktionen an, diesen Antrag zu überweisen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Herr Minister, es gibt eine Nachfrage von dem Abgeordneten Herrn Gebhardt. Möchten Sie sie beantworten?

Ich versuche es zumindest.

Herr Minister, nur eine kurze Frage. Es gibt einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, in dem nichts weiter steht, als dass die Landesregierung gebeten wird, sich mit dem Antrag des Landes Berlin auseinanderzusetzen. Meine Frage an Sie lautet: Bedarf es eines Beschlusses des Landtages, damit Sie sich mit Anträgen anderer Bundesländer auseinandersetzen? Oder ist das in Ihren Augen eine Selbstverständlichkeit?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn die Beratung in den Gremien gleichzeitig die Beratung in der Regierung unterstützen würde. Daher wäre es sehr schön, wenn der Ausschuss die Beratung der Re

gierung sozusagen auf diese Weise unterstützen würde.

(Frau Bull, DIE LINKE: Zumindest hat es Unterhaltungswert!)

Herr Minister, es gibt eine weitere Nachfrage, und zwar von der Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Professor Dalbert.

Herr Minister, ich würde gern vor dem Hintergrund nachfragen, dass mir Ihr geschätzter Kollege Herr Minister Bischoff im Dezember schriftlich mitgeteilt hat, dass er den ersten Teil der Erklärung in der Tat für problematisch halte und dass er sich in einem Schreiben an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gewandt habe, in dem er sich für die Streichung des problematischen zweiten Passus der Erklärung eingesetzt habe. Genau das ist ja der Inhalt der Berliner Erklärung.

Darf ich Ihre Ausführungen dann dahin gehend interpretieren, dass die Regierungspartner an dieser Stelle uneins sind?

Das ist vielleicht ein wenig zu schnell. Man müsste jetzt den Kollegen Bischoff sozusagen direkt fragen. Zu dem, was dazu in der Vorgängerregierung gelaufen ist, kann ich nun nichts sagen. Aber ich bin mir sicher, dass Kollege Bischoff dann, wenn sich das Kabinett dieser Frage erneut zuwendet, diese Position erneut einbringen wird.

Vielen Dank. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Dann fahren wir fort in der Debatte. Es hat nunmehr der Abgeordnete Herr Weigelt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt mir schon so vor, als ob sich bestimmte Themen in unserem Parlament einer besonderen Beliebtheit erfreuen.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Tiedge, DIE LINKE: Dafür sorgen Sie ja!)

So muss man wohl auch den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deuten, der sich mit der von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlassenen Vorgabe einer Demokratieerklärung und der sich darauf beziehenden Initiative des Landes Berlin im Bundesrat befasst. Das hat man auch an Ihrem genüsslichen Vortrag erkannt.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Es geht im Kern um Demokratie und um die Frage, inwieweit der Staat von seinen Bürgern verlangen kann, sich explizit zu unserer parlamentarischen Demokratie zu bekennen. Das, meine Damen und Herren, ist aus unserer tiefsten Überzeugung nicht zu viel verlangt.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Lange, DIE LINKE: Jeden Morgen!)

Es sei festgestellt, dass sich die Basis, das Fundament unserer Demokratie in unserer Verfassung widerspiegelt, nämlich in den Artikeln, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Kern ausmachen. Das sind die Artikel 1 und 20 in Verbindung mit Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes. Nach dem, was wir im Jahr 1989 erstritten haben, könnte man jedem nur raten, sich das in jeder freien Minute zu Gemüte zu führen.

Diese Artikel stellen das Mindestmaß dar, das unseren Staat konstituiert und gegenüber seinen Bürgern legitimiert. An diesem Maßstab muss sich also jeder und alles messen lassen. Zuerst sind das die anderen Artikel des Grundrechtekataloges und dann ist das in der Wirklichkeit der Demokratie auch jeder einzelne Bürger.

Was also wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Antrag bezwecken? - Ziel soll es sein, Änderungen in der Demokratieerklärung vorzunehmen, die dann nicht mehr zwingend zur Folge hat, dass sich Projektpartner von Projektträgern, die Fördermittel des Bundesministeriums im Rahmen der Programme „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ und „Initiative Demokratie stärken“ beantragen wollen, mit einer so genannten Demokratieerklärung auf den Kernbestand unserer Demokratie verpflichten müssen.

Sie begründen das unter anderem damit, dass die Arbeit lokaler Initiativen zur Förderung der Demokratie so maßgeblich erschwert würde.

(Herr Striegel, GRÜNE: Genau!)

Dazu fällt mir nur ein, in die Runde zu fragen, wer von Ihnen wirklich ernsthaft an einer solchen Verpflichtung zweifelt. Ist es aus Ihrer Sicht denn wirklich zu viel verlangt, dass derjenige, der Fördermittel vom Staat - also unsere Steuergelder - in Anspruch nimmt, seinerseits erklären muss, dass er auf dem Boden unserer Verfassung steht?

(Beifall bei der CDU)

Meine Antwort und die Antwort meiner Fraktion ist glasklar: Der Staat darf eine solche Erklärung nicht nur verlangen, er muss sie sogar verlangen.

(Beifall bei der CDU)

Man muss doch davon ausgehen, dass kein aufrechter Demokrat etwas an dieser verpflichtenden Erklärung auszusetzen hat.

(Oh! bei den GRÜNEN)

Wer dennoch zweifelt, legt offen, dass er möglicherweise an unserer Verfassung verzweifelt.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Hunger, DIE LINKE: Das ist ein Unsinn!)

Manch einer nimmt dann aber wie selbstverständlich die Vorzüge unserer Demokratie in Anspruch. Dies sollte von niemandem, der sich als überzeugter Demokrat versteht, unterstützt werden. Denn in den angesprochenen Programmen des Bundesministeriums geht es um ein klares und unzweideutiges Bekenntnis zu unserer Verfassungsordnung.

Ich stelle an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frage, ob in Ihrer Partei Gruppierungen existieren, die im Kern etwas anderes als unsere im Grundgesetz festgeschriebene Demokratie wollen.

(Herr Striegel, GRÜNE: Ich frage Sie: Gibt es in der CDU solche Gruppierungen? - Herr Borgwardt, CDU: Wir wollen es doch unter- schreiben! Das ist doch der Unterschied!)

- Ich will es ja beantworten: Das wäre mir völlig neu.

Herr Kollege, möchten Sie Anfragen beantworten?

Nein. - Den LINKEN braucht man diese Frage nicht zu stellen. Auf ihrer verlinkten Webseite kann man so einiges nachlesen.