Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

Da der Antrag allerdings tatsächlich zumindest die grundsätzlichen Handlungsfelder korrekt benennt, wäre dies ärgerlich. Daher unser Änderungsantrag. Der Änderungsantrag lässt inhaltlich alles so, wie es ist, fordert aber, die zur Erreichung der dann ja beschlossenen Ziele erforderlichen Maßnahmen im zuständigen Fachausschuss zu besprechen und über die Umsetzung zu berichten. Dann wird man sehen, wie ernst der Antrag tatsächlich gemeint ist und was dahinter steht.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Eigentlich ist der Änderungsantrag harmlos. Er holt aber den Antrag aus dem rein Plakativen heraus und ermöglicht es, dass tatsächlich dauerhaft

inhaltlich an den positionierten Zielen gearbeitet wird.

Daher bitte ich um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Soweit unserem Antrag nicht gefolgt würde, würden wir uns bezüglich des Antrages der Koalitionsfraktionen der Stimme enthalten, da wir zwar einerseits die Zielstellung befürworten, andererseits aber einem nicht ernsthaft verfolgten Projekt dann doch nicht unsere Zustimmung angedeihen lassen wollen. - Danke schön.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Frau Lüddemann, GRÜ- NE)

Vielen Dank, Herr Kollege Meister. - Für die CDUFraktion spricht jetzt der Kollege Thomas. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Thomas Mann hat die Idee verantwortungsvollen kaufmännischen Handelns bereits in den „Buddenbrooks“ auf den Punkt gebracht, als er Johann Buddenbrook, den Gründer des Familienunternehmens, seine Firmenphilosophie vortragen lässt:

„Sei am Tage mit Lust bei den Geschäften, aber mache solche, dass du des Nachts ruhig schlafen kannst.“

Meine Damen und Herren! Kein Land hat die Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise derart gut bewältigt wie Deutschland. Das hat zum einen etwas mit der sehr speziellen und gewachsenen Wirtschaftsstruktur zu tun. Der eigentliche Grund sind jedoch die vielen mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetriebe, die sich in Krisenzeiten stets als standfeste Bollwerke für den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum erweisen.

Für viele Mittelständler in Deutschland, oft Familienunternehmen, ist verantwortliches Handeln gegenüber der Belegschaft, der Umwelt und dem Gemeinwesen tagtägliche Selbstverständlichkeit. Ihr Engagement orientiert sich dabei häufig an dem lokalen und regionalen Umfeld, dort, wo für sie Lebensqualität stattfindet und beeinflusst werden kann. Das galt in der Vergangenheit und das gilt auch heute.

Für die meisten Mittelständler und Handwerker ist verantwortliches Handeln eine Frage der inneren Überzeugung. Sie sind sich dessen bewusst, dass sie mit ihren Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher und regionaler Herausforderungen leisten können, sei es, indem sie junge Menschen fördern und ihnen da

mit eine Chance geben, indem sie das Potenzial älterer Beschäftigter erkennen und nutzen, mit natürlichen Ressourcen schonend und effizient umgehen oder durch Engagement vor Ort zur nachhaltigen Entwicklung der Region beitragen.

Verantwortliches Handeln ist allerdings nicht allein eine Frage der inneren Überzeugung. Es trägt auch zum unternehmerischen Erfolg bei. Sogenannte weiche Faktoren wie das Unternehmensimage oder die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zunehmend zu harten Faktoren.

Immer mehr Kunden wollen bei ihrer Kaufentscheidung wissen, ob die Produkte nachhaltig und auch unter fairen Bedingungen hergestellt worden sind. Beschäftigte wollen sich mit dem Unternehmen identifizieren können, für das sie arbeiten. Auch Geschäftspartner entfalten ein immer stärkeres Interesse dafür, wie hoch die ökologischen oder sozialen Risiken eigentlich sind, die sie mit ihren Partnern eingehen.

Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diesen Antrag hier einbringen.

Herr Meister, Sie haben gesagt, man könne gegen diesen Antrag eigentlich nicht sein. Ich hoffe, es ist nicht Ihre Grundhaltung, dass Sie immer erst einmal dagegen sind,

(Herr Meister, GRÜNE: Nein!)

das sagt man den GRÜNEN ja immer wieder nach, sondern - ganz im Gegenteil - dass Sie uns hierbei positiv begleiten wollen.

Deswegen wollen wir Ihrem Änderungsantrag auch gern zustimmen. Denn Mittelstand und Handwerk sind ständige Themen im Wirtschaftsausschuss, sodass wir uns auf eine Fortführung dieser Diskussion in diesem Gremium freuen.

Trotz positiver Entwicklung der Unternehmen und trotz der guten Grundstimmung drücken Mittelstand und Handwerk zahlreiche Probleme. Zu nennen wären der Fachkräftenachwuchs und die Unternehmensnachfolge. Allein in Sachsen-Anhalt stehen in den nächsten Jahren mehr als 2 000 Unternehmen zur Übernahme an. Da müssen wir als Land flankierend wirken.

Ich möchte die Energiewende nennen. Steigende Energiepreise sind für produzierende mittelständische Unternehmen ein bedeutender Kostenfaktor. Das Handwerk kann diese Kosten vielfach nicht einfach an die Kunden weiterreichen.

Ich erinnere an die steuerlichen Rahmenbedingungen. Der Abbau der kalten Progression, ein Systemwechsel bei der Erbschaftsteuer oder gar die Einführung einer Vermögensteuer wären Gift für Unternehmensnachfolgen.

Deswegen möchte ich auch noch die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge an dieser Stelle nennen; denn sie sorgt in Unternehmen für einen unerhörten Bürokratieaufwand und für Liquiditätsverlust.

Nicht zuletzt erwähne ich Kosten wie die GEZGebühren, die insbesondere das Speditions- und Kraftfahrzeuggewerbe erheblich belasten.

Meine Damen und Herren! Über all diese Dinge gilt es zu sprechen und es muss nach Lösungswegen gesucht werden, wenn nicht im Land, dann auf der Bundesebene. Sachsen-Anhalt ist ein Bundesland mit über 90 % Mittelstand und Handwerk. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, wer hierzulande der hauptsächliche Träger des Arbeitsmarktes, des Steueraufkommens und der Ausbildung ist.

Mittelstand und Handwerk haben sich nicht erst seit heute eine große Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient. Damit meine ich nicht die vielen Sonntagsreden, die meist von jenen gehalten werden, die zum Handwerk eine gewisse Affinität haben, in denen die Wichtigkeit der Unternehmen beschworen wird. Ich meine die allgemeinen Rahmenbedingungen, welche die Politik beeinflussen kann und für die sie die Verantwortung trägt.

Meine Damen und Herren! Die nächste Wirtschaftskrise kommt hoffentlich nicht so schnell. Aber wenn sie kommt, dann werden wir uns auf Mittelstand und Handwerk verlassen können und verlassen müssen. Es ist deswegen unser aller Aufgabe, hierfür die Voraussetzungen zu schaffen und Handwerk und Mittelstand entsprechend zu unterstützen.

Ich freue mich auf die angeregten weiteren Beratungen im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thomas. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Kollege Herr Dr. Thiel. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Lage im Handwerk so gut ist wie beschrieben, dann brauchen wir eigentlich keinen Antrag. Aber Kollege Thomas hat in seinen Ausführungen ebenfalls auf eine Reihe von Dingen aufmerksam gemacht. Selbstverständlich steht auch DIE LINKE dazu, über das Thema Handwerk zu sprechen.

Ich will trotzdem noch einige Anmerkungen machen, die Ihren Antrag betreffen. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ titelte am 29. April 2014: „Dem Handwerk geht es gut“. Das war die Problemstel

lung: Wie verläuft die konjunkturelle Entwicklung? Mit welchen Problemen haben die Handwerker zu kämpfen? - Natürlich ist auch klar, dass es, wie überall in der Marktwirtschaft in unserem Land, Höhen und Tiefen gibt. Momentan sieht es offenbar beim Handwerk in der Summe ganz gut aus.

Aber, meine Damen und Herren, jeder von uns kennt die Kampagne „Das Handwerk - die Wirtschaftsmacht von nebenan“. Diese 50 Millionen € teure Kampagne hat dazu beigetragen, die Wahrnehmung des Handwerks in der Bevölkerung von 36 % im Jahr 2008 auf 54 % im Jahr 2013 zu verbessern.

Dennoch macht der Antrag deutlich: Ja, es gibt ein Fachkräfteproblem. Aber, meine Damen und Herren, das gibt es nicht nur im Handwerk. Davon sind nahezu alle Branchen betroffen. Es gibt kaum einen Bereich, wo dieses Problem nicht aufgerufen wird. Ob berechtigt oder nicht berechtigt, sei erstmal dahingestellt.

Fakt ist jedoch: Imagekampagnen bringen keine Kinder auf die Welt. Die demografische Welle hat ihr Tal erreicht, und wir müssen einfach lernen, damit umzugehen.

Der vorliegende Antrag listet 14 Punkte auf. Mit dem Änderungsantrag der GRÜNEN sind es 15 Punkte. Ein paar Dinge wurden hier nebenbei noch genannt.

Was ist die grundsätzliche Kritik unserer Fraktion in dieser Diskussion? - Wir sind der Auffassung, eine fünfminütige Redezeit reicht nicht aus, um dieses Thema umfassend zu diskutieren. Es wäre besser, wir hätten uns im Vorfeld unter den Abgeordneten einfach einmal darüber verständigt, was die Problemlage im Handwerk ist, und hätten dann diesen Aufgabenkatalog der Landesregierung übergeben. Dann hätte sie ihren Bericht geben können.

Deswegen plädieren wir für die Überweisung der beiden Anträge in den Wirtschaftsausschuss, um erst einmal darüber zu reden: Was für ein Paket soll denn die Regierung für uns schnüren?

Dazu gibt es durchaus jede Menge Redebedarf. Das ist das Thema Berufsorientierung in den Schulen. Es geht nicht nur um Sekundarschulen, es geht genauso um die Gemeinschaftsschulen. Jeder von uns weiß, dass die Berufsorientierung immer dann besonders erfolgreich ist, wenn sich ein praxisorientiertes Lerngeschehen daraus ergibt. Damit haben wir Erfahrungen in der Schullandschaft.

Es geht außerdem darum, die tradierten Rollenbilder von Frauen- und Männerberufen aufzubrechen oder die Verbindung zum praktischen Erleben zu suchen. Ja, das Prinzip des Sich-Selbst-Ausprobierens und des produktiven Lernens sollte nicht nur für Abschlussgefährdete gelten. Es gibt durch

aus Möglichkeiten, hierüber unter dem Begriff der polytechnischen Bildung zu diskutieren, wie wir es in der Vergangenheit immer wieder einmal getan haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber, meine Damen und Herren, angesichts der vorherrschenden DDR-Phobie ist vielleicht ein anderer Begriff zu wählen, um uns über dieses Thema auszutauschen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Angesprochen wurde ebenfalls das Problem der dualen akademischen Ausbildung. Dabei gibt es eine Menge Für und Wider. Was spricht dafür, was spricht dagegen? Wir halten diese Form der Ausbildung für einen legitimen Entwicklungsweg junger Menschen.

Positiv ist anzumerken, dass im Antrag die Einbeziehung der Probleme von Migrantinnen und Migranten aufgerufen wird. Das ist richtig. Aber wir haben am gestrigen Abend erst wieder erfahren, dass bei den Themen Asylpolitik und Willkommenskultur noch zahlreiche Baustellen zu beseitigen sind. Auch das gehört in die Diskussionen des Wirtschaftsausschusses.

(Zustimmung von Frau Zoschke, DIE LINKE)

Gleiches gilt für den barrierefreien Zugang zum Handwerk. Damit ist nicht nur die Zufahrt für einen Rollstuhl, sondern vor allem die Barrierefreiheit in den Köpfen gemeint.

(Zustimmung bei der LINKEN)