Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja! - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Ja!)

Diese Fragen müssen Sie selbst beantworten. Ich meine, die richtige Antwort haben Sie nicht parat; denn heute haben Sie nachdrücklich bewiesen, dass Sie zumindest auf dem Unternehmensauge blind sind. Ich denke, das sollten wir zur Kenntnis nehmen. Sachsen-Anhalts Wirtschaft wäre unter Ihrer Regierung nicht an der Stelle, an der wir heute sind. Deswegen, denke ich, ist es gut, dass wir regieren und Sie dort sitzen, wo Sie sitzen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Herr Kurze, CDU: Gut, Uli! - Herr Gallert, DIE LINKE: Genau!)

Kollege Thomas, es gibt Nachfragen. Möchten Sie sie beantworten? - Ich würde jetzt die Fragesteller in der folgenden Reihenfolge aufrufen: Herrn Dr. Thiel, Herrn Gallert und Herrn Dr. Köck.

Lieber Kollege Thomas, ich habe den großen Teil meiner Rede darauf verwandt zu erklären, wo die politische Verantwortlichkeit in diesem Land liegt, dass es sozusagen mit Mitbestimmungsrechten weitergehen kann. Das ist meine erste Bemerkung.

Zweitens. Mit welchen Angestellten von Herrn Wobben haben Sie eigentlich gesprochen, um die Situation bei Enercon so zu charakterisieren, wie Sie es hier getan haben?

Drittens. Würden Sie mir darin zustimmen, dass die These, wonach nach Ihrer Klassenkampfrhetorik die Beschäftigten bei Enercon heute genauso wenig mitzubestimmen haben wie zu DDR-Zeiten, richtig ist?

Also die politische Verantwortung, die wir alle tragen, beginnt im Jahr 1990, als wir ein Erbe vorgefunden haben und als politische Parteien am Werk waren, die heute noch da sind.

(Frau Budde, SPD: Zum Beispiel die CDU! Jetzt ist es einmal gut! - Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

- Geschätzte Kollegin Budde, leider hat sich die SPD irgendwann zu DDR-Zeiten abgeschafft. Deshalb gab es sie damals nicht mehr.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Also langsam reicht es! - Herr Striegel, GRÜNE: Ich bin gespannt, wie Sie aus der Nummer wieder herauskommen!)

- Ich wollte doch nur auf die Frage antworten und reagiere jetzt auf Ihren Zwischenruf. Dann rufen Sie nicht dazwischen. Dann kann ich auch die Frage beantworten.

(Unruhe)

Die politische Verantwortung beginnt mit der Verwaltung des Erbes. Wir alle wissen doch ganz genau, wie die wirtschaftliche Situation gerade in Sachsen-Anhalt in den Jahren von 1990 bis 1993 war. Daran, daraus einen Neustart zu entwickeln und unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb wettbewerbsfähig zu machen, arbeiten wir noch heute. Das ist noch nicht abgeschlossen. Ich denke, dabei sind wir auf einem guten Weg.

Allerdings sind wir unter solchen schlechten Voraussetzungen gestartet, dass mehr wohl bisher nicht möglich war.

Der Minister hat zu Recht ausgeführt - das sehen Sie auch an der Unternehmensstruktur und der Unternehmensgröße -, dass 90 % der Unternehmen weniger Beschäftigte haben, als für die Bildung eines Betriebsrates vorgeschrieben sind. Das ist doch die wirtschaftliche Schwäche, an der wir arbeiten müssen. Darauf kann ich nur immer wieder hinweisen. Deswegen ist es sinnhaft - das machen wir auch in unseren GRW-Richtlinien -, hier die richtigen Akzente zu setzen, um die Wirtschaft zu fördern.

(Zustimmung von Herrn Zimmer, CDU)

Herr Gallert, bitte.

Herr Thomas, das war wirklich - das muss man sagen - eine bemerkenswerte Rede.

(Frau Budde, SPD: Rahme ich mir auch ein!)

Wir werden auch für die Verbreitung sorgen. Ich kann Sie nur auffordern, die gleiche Rede auf dem nächsten Kongress der IG Metall als Vertreter der CDU zu halten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Sache mit den lebensfremden Funktionären kommt dort besonders gut an. Ich werde Herrn Schröder daran erinnern, wenn er das nächste Mal dort auftritt, welche Position Sie hier vertreten

haben. Aber das war nicht der Grund, weshalb ich mich zu Wort gemeldet habe.

Der Grund für meine Meldung ist ein ernstes Problem. Die Leiharbeit ist bei Enercon - der Anteil der Leiharbeiter liegt natürlich nicht bei 100 %, aber zeitweise bei 30 % -sehr wohl eine dauerhafte Konstante. Zum Teil haben die Betroffenen dort fünf, sechs oder sieben Jahresverträge gehabt. Sie werden zwar immer wieder ausgewechselt. Aber letztlich sind die gleichen Personen betroffen.

Sie haben gesagt, dass wir, wenn wir das thematisieren, die Solidarität innerhalb der Belegschaft in Gefahr bringen würden. Das ist völliger Blödsinn. Genau das Gegenteil ist der Fall. Dort machen Menschen zum Teil die gleiche Arbeit am gleichen Ort, wobei der eine Stammbeschäftigter und der andere Leiharbeiter ist, und der eine bekommt weniger Geld als der andere und hat weniger Rechte.

Das Bemerkenswerte an der Situation ist, dass sich ein Betriebsrat sowohl für die Stammbeschäftigten als auch für die Leiharbeiter eingesetzt hat. Dafür wird er nun abgestraft. Damit wird Solidarität bestraft, die wirklich in Gang gebracht werden muss. Das finde ich skandalös. Das sollten wir anerkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war aber keine Frage.

Herr Dr. Köck, bitte.

Herr Thomas, Sie haben dargelegt, wie sehr Sie als CDU-Fraktion die Betriebsräte schätzen. Haben denn die Mitarbeiter der CDU-Fraktion einen Betriebsrat oder haben sie keinen?

Also, ich gehe einmal davon aus, dass sich Betriebsräte grundsätzlich vor Ort gründen und selbständig agieren sollen. Wir haben eine soziale Arbeitnehmerschaft bei uns in der Fraktion und sind entsprechend organisiert. Deshalb kann ich Ihnen die Frage so beantworten: Die CDU-Fraktion verfügt über eine ausreichende Mitarbeitervertretung.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Sie haben also keinen! - Herr Striegel, GRÜNE: Also nein!)

Wir haben einen.

Danke schön. - Weitere Fragen sehe ich nicht. Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Latta.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch gar nicht allzu lange her, nämlich etwa ein halbes Jahr, dass die Betriebsräte bereits das Thema einer Aktuellen Debatte gewesen sind. Im März 2014 waren die anstehenden Betriebsratswahlen in Sachsen-Anhalt der Anlass dafür. Der heutige Anlass, der die LINKE dazu bewegt hat, das Thema erneut aufzurufen, ist leider unerfreulich.

Wir alle kennen die Geschehnisse rund um das Unternehmen Enercon. In den letzten Tagen und Wochen ist die Situation, wie es scheint, leider aus dem Ruder gelaufen. Dabei gab es seit einiger Zeit eine durchaus positive Entwicklung im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung bei Enercon.

Meine Fraktion hat noch im April 2014 Enercon bzw. dem Windanlagenbauer WEA Service Ost GmbH in Magdeburg zur Wahl eines Betriebsrates gratuliert. Die jetzige Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden, die breit durch die Presse lief, konterkariert leider geradezu diese positive Entwicklung. Denn ein solches Vorgehen wirkt natürlich inakzeptabel. Nicht umsonst läuft ab heute ein Verfahren beim Amtsgericht Magdeburg in dieser Angelegenheit, wie es verschiedenen Zeitungen zu entnehmen war.

Laut Betriebsräten wird die flächendeckende Mitbestimmung erschwert, weil die dezentrale Firmenstruktur die betriebliche Organisation nicht unbedingt befördert. Die positiven Effekte von Betriebsräten wurden in den vergangenen Debatten von allen Rednerinnen betont. Ich möchte einzelne positive Auswirkungen kurz benennen.

Betriebsräte führen zu einem besseren Betriebsklima, zu einer besseren Motivation und damit zu einer niedrigeren Fluktuation unter den Mitarbeitern. Betriebe mit Betriebsrat können besser auf Schwierigkeiten des Unternehmens reagieren. Selbst wenn die Unternehmensführung mit Betriebsräten und mit Mitbestimmung ihre Schwierigkeiten hat, sollte man schon aus betriebswirtschaftlichem Eigeninteresse einen Betriebsrat befürworten.

Wenn die IG Metall Solidaritätserklärungen für betroffene Betriebsräte formuliert und diese zigfach unterschrieben werden, wenn sich negative öffentliche Stellungnahmen gegen das Unternehmen häufen, dann ist dort wohl etwas ins Ungleichgewicht geraten, dann sind auch negative wirtschaftliche Effekte für das Unternehmen zu befürchten,

die wir uns alle eigentlich nicht wünschen, gerade in einem so wichtigen Bereich wie den erneuerbaren Energien.

Enercon tut sich immer noch schwer mit seinen Betriebsräten. Es ist wichtig, den Dialog mit dem Konzern zu suchen. Doch ganz unabhängig von konkreten Beispielen begreifen wir GRÜNE Betriebsräte als Demokratisierung von Unternehmen.

Demokratie findet nicht nur im Parlament statt. Sie ist ein Grundprinzip des gesellschaftlichen Zusammenlebens und ein Prinzip, das Mitbestimmung und Mitwirkung in allen gesellschaftlichen Bereichen als Wertmaßstab möglich macht, in den Schulen und in den Betrieben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Bevölkerung einer abhängigen Beschäftigung

nachgeht, sind Betriebsräte für die Demokratiequalität einer Gesellschaft sicherlich zentral. Der Arbeitnehmerstatus schließt den Bürgerstatus in seiner politischen Fassung mit ein. Mitmachen möglich machen - das gilt auch für Unternehmen, Betriebe und den öffentlichen Dienst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund dieser prinzipiellen Feststellungen ist es mir an dieser Stelle wichtig, auf eine großflächige Entwicklung hinzuweisen, die die Arbeit der Betriebsräte erschwert, als nur mit dem erhobenen Zeigefinger auf ein einzelnes Unternehmen zu weisen. Denn es ist eine grundsätzliche Entwicklung, die die betriebliche Mitbestimmung strukturell gefährdet.

Ich bin auf diesen Punkt bereits in meiner Rede, die ich vor einem halben Jahr gehalten habe, eingegangen. Ich möchte das an dieser Stelle gern wiederholen: Prekäre Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Werkverträge und befristete Arbeitsverträge - das sind Entwicklungen, die die betriebliche Mitbestimmung schwächen.

(Zustimmung bei der LINKEN)