Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Bund und Länder - dies wurde schon gesagt - wollen nun - so ist es beschlossen - eine weitgehende Einführung einer Krankenkassenkarte oder, wie es heute auch gern heißt, einer Gesundheitskarte für Asylbewerber auch in den Flächenländern prüfen. Interessierten Bundesländern soll ermöglicht werden, dies analog zum Bremer Modell zu regeln.

Beim Bremer Modell erhalten Asylbewerber eine AOK-Versicherungskarte und können damit bei Bedarf ambulante und stationäre Behandlung in Anspruch nehmen, ohne zuvor das Sozialamt zwecks Ausstellung eines Krankenscheins aufsuchen zu müssen. Das ist zweifellos eine notwendige Erleichterung für die Asylbewerber. Dazu soll ein entsprechender Gesetzentwurf erarbeitet werden. Diese Vereinbarung ist von allen Beteiligten, auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ausdrücklich begrüßt worden. Also, wie gesagt, eigentlich ist Ihr Antrag erledigt.

Da aber - der Minister führte es aus - die Rahmenbedingungen in den Flächenländern anders sind als in den Stadtstaaten - Frau Zoschke, das ist leider so - und auch uns der jetzt einzuleitende Prüfprozess interessiert, also zum Beispiel die Frage der Partner mit Blick auf die Kassen, die Einschätzung des Aufwandes aus der Sicht der Kommunen und Ähnliches, und wir auch daran interessiert sind, wie die Prozesse in Brandenburg und Niedersachsen laufen und wir übrigens nicht so ganz verstehen, was Sie in Punkt 2 Ihres Antrages im Detail unter - ich zitiere - „umfassenderen Zugang in das Gesundheitssystem“ verstehen, empfehlen wir, wie Herr Wanzek bereits sagte, eine Überweisung des Antrages in die zuständigen Ausschüsse, also in den Ausschuss für Arbeit und Soziales und den Ausschuss für Inneres und Sport. Die Federführung sollte beim Sozialausschuss liegen.

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zum Umgang mit diesem Thema, auch in der öffentlichen Diskussion. Wir erleben momentan leider in vielen Bereichen Stammtischparolen, was den Umgang mit Asylbewerbern betrifft. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in der Art und Weise, wie wir mit

diesen Parolen umgehen, das Gegenteil dessen erzeugen, was wir wollen. Ich denke, uns allen, die wir in diesem Hause, demokratisch gewählt, sitzen, liegt die Integration der Asylbewerber am Herzen. Das eint uns auch.

(Zuruf von Herrn Striegel, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ich weiß, was Sie meinen, Herr Striegel, weil manchmal ein Satz irgendwo in einem Programm steht, der mich ärgert, weil ich ihn für überzogen halte. Man muss nur aufpassen, wie man reagiert; denn manchmal kann eine Reaktion die Menschen, die gern Stammtischparolen hören, genau diesen Rechtspopulisten in die Arme treiben. Das wollen wir alle nicht.

Wir sollten gemeinsam etwas sensibel mit diesem Thema umgehen. Das ist meine Bitte, da mich manches manchmal ein wenig ärgert. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Kollege Schwenke. - Zum Schluss der Debatte spricht noch einmal Herr Abgeordneter Herbst für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die konstruktive Debatte zu diesem Thema und zu der sehr umfänglichen Zustimmung zum Grundanliegen unseres Antrages. Ich sehe das eigentlich auch bei beiden Punkten so.

Herr Schwenke, ich möchte gleich auf Ihre Frage antworten, was wir mit dem Punkt 2, mit dem umfassenderen Zugang meinen. Ich bin in meiner Einbringungsrede bereits kurz darauf eingegangen. Es geht uns darum, von der ausschließlichen akuten Schmerzversorgung wegzukommen, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern, aber auch um die Kosten im System zu senken.

Ihr Vorredner Herr Wanzek sprach von der Zahnversorgung. Genau das ist der Punkt: Es findet keine Gesundheitsvorsorge statt. An der Stelle müssen wir ansetzen, damit diese möglich wird.

Außerdem müssen wir die Qualität der Behandlungen verbessern. Wie gesagt, mit dem Ausreichen von Schmerzmitteln bei Erkrankten, die eine richtige Behandlung oder sogar eine Therapie benötigen, ist es eben nicht getan. Das muss bezahlt werden; das ist völlig klar. Aber dort müssen wir ran.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Deswegen unser Punkt 2. Wir hoffen, dass Sie sich auch daran konstruktiv beteiligen.

Der Minister ist darauf eingegangen: Vorteile für alle Beteiligten. Das sehen wir ganz genauso. Sie haben ja im Grunde genommen für unseren Antrag gesprochen; darüber freue ich mich.

Noch ein Aspekt zur Parallelität der Ereignisse, die im Moment stattfinden. Das ist in der Tat ein wenig so. Unseren Antrag haben wir eingebracht, bevor es die Einigung im Bundesrat gab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir ist wichtig, das noch einmal zu betonen. Es ist also durchaus schon möglich, dies zu tun. Nach dem SGB ist es aber nur für die Kommunen möglich. Deshalb sind es auch nur die Stadtstaaten; denn diese haben hierbei Kommunalrecht angewendet. Dies können sie nämlich - anders als die Flächenländer, bzw. es ist bei diesen komplizierter. Deshalb ist Brandenburg erst auf dem Weg bzw. kurz vor dem Abschluss. Niedersachsen hat sich auf den Weg gemacht.

Einen solchen Weg haben wir uns auch für das Land Sachsen-Anhalt gewünscht. Wir setzen jetzt den Punkt und verschieben das Thema nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, bis es wieder umfängliche Einigungen im Bund gibt. Wir können schon jetzt loslegen. Das ist nach wie vor unsere Meinung. Das sollten wir tun.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Dann kam der Entschluss im Bundesrat mit der Vereinbarung, die ebenfalls gut ist. Wenn das Ganze dann auf Bundesebene einen gemeinsamen Rechtsrahmen hat, ist es natürlich noch viel besser und einfacher. Aber wir sollten jetzt loslegen und das Ganze nicht mehr aufschieben, meine Damen und Herren.

Ein letzter Satz sei mir zum Pathos erlaubt, Herr Wanzek. Sagen Sie das einmal einer der betroffenen Familien.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE - Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

- Nein, meine Damen und Herren. Die Fälle, die ich vorgetragen habe, sind nicht irgendwelche Erfindungen, lieber Siggi Borgwardt, sondern es geht um das tägliche Leben und Erfahren von Menschen. Dabei ist es manchmal auch notwendig, dass man auf deren ganz konkrete Erfahrungen eingeht. - So viel zum Pathos.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu den Ausschussüberweisungen brauche ich nichts mehr auszuführen; denn diese wurde beantragt: Die Federführung sollte beim Ausschuss für Arbeit und Soziales liegen. Mitberatend sollte

der Ausschuss für Inneres und Sport sein. Das ist unser Wunsch. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Herbst. - Bevor wir nun in die Abstimmung eintreten, können wir eine Besuchergruppe von Seniorinnen und Senioren aus der Region Quedlinburg sowie aus Hohenerxleben als Gäste begrüßen. Herzlich willkommen im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir stimmen nun über den Antrag ab. Es wurde eine Überweisung in die Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Arbeit und Soziales beantragt. Die Federführung soll beim Ausschuss für Arbeit und Soziales liegen. Wer stimmt dem zu? - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Ebenfalls nicht. Damit ist der Antrag einstimmig in beide Ausschüsse überwiesen worden. Die Federführung liegt beim Ausschuss für Arbeit und Soziales. Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 6:

Beratung

Berufliche Bildung stärken - Fachkräftesicherung umsetzen

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3660

Einbringer ist Herr Kollege Keindorf. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag „Berufliche Bildung stärken - Fachkräftesicherung umsetzen“ übernehmen die Koalitionsfraktionen Verantwortung, damit das Land Sachsen-Anhalt auch in Zukunft ein attraktives Land für Unternehmer und für junge Menschen bleibt.

Wie schon mehrfach an dieser Stelle dargelegt, führt der demografische Wandel schon heute in immer mehr Wirtschaftszweigen zu unbesetzten Ausbildungsstellen und damit zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften, wenn nicht wir und alle Beteiligten entsprechend umsteuern.

Wirtschaftsminister Hartmut Möllring hat vor wenigen Wochen zu Recht auf die Potenziale unseres Landes bei der touristischen Erschließung hingewiesen. Es dürfte sich jedoch als schwierig erweisen, noch mehr Touristen nach Sachsen-Anhalt zu locken, wenn die dafür erforderlichen Fachkräfte

fehlen; denn auch der Bedarf an Fachkräften im Hotel- und Gaststättengewerbe steigt ständig, wie die Zahlen der IHK belegen.

Oder denken Sie an die grünen Berufe. Nach einer aktuellen Unternehmensbefragung sind in der Landwirtschaft Sachsen-Anhalts über 70 % als Facharbeiter, als Meister oder als Techniker beschäftigt, ca. 10 % der Arbeitnehmer in landwirtschaftlichen Betrieben verfügen über einen Hochschulabschluss.

Gleichzeitig gefährdet der anhaltende Trend zur Aufnahme eines Studiums nach der Schule den Fachkräftenachwuchs für die gesamte Wirtschaft. Mitte der 60er-Jahre absolvierten 92 % der jungen Menschen in der alten Bundesrepublik eine duale Berufsbildung, nur 8 % begannen ein Studium.

Im Jahr 2011 war die Quote der Ausbildungs- und Studienanfänger mit 49,9 % bzw. mit 50,1 % annähernd gleich. Haben im Jahr 2008 noch knapp 50 000 Jugendliche in Sachsen-Anhalt eine Berufsausbildung begonnen, sank die Zahl im Jahr 2013 auf weniger als 30 000 Auszubildende. In diesem Jahr übersteigt erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Zahl der Studienanfänger die der Auszubildenden im ersten Lehrjahr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es unmissverständlich zu sagen: Es geht hierbei nicht um eine Schwächung der akademischen Ausbildung, sondern uns geht es in erster Linie darum, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung wertzuschätzen und weiter mit Substanz zu füllen. Die berufliche und die akademische Bildung müssen als zwei gleichberechtigte Säulen im Bildungssystem noch besser wahrgenommen und gestärkt werden. Um diesen Prozess zu fördern, sind neben der Politik auch die Unternehmen, die Schulen sowie die Medien gefragt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Bildungswege - berufliche und akademische Bildung - zeichnen sich bereits heute durch eine entsprechende Durchlässigkeit aus. Wer mit einem Sekundarschulabschluss eine dreijährige Berufsausbildung erfolgreich abschließt und durch Zusatzqualifikationen, wie den Erwerb des Meisterbriefes, weiter aufwertet, ist anschließend zur Aufnahme eines Studiums an einer Fachhochschule berechtigt. Auf den Meister kann unter Umständen der Master folgen.

Umgekehrt ist jeder Abiturient auf dem Weg in die eigene berufliche Selbständigkeit bereits heute berechtigt, eine um sechs Monate verkürzte duale Berufsausbildung zu absolvieren. Diese kann durch gute Leistungen um weitere sechs Monate verkürzt werden.

Eine gewisse Durchlässigkeit ist somit vorhanden. Dennoch muss die berufliche Bildung an die Ver

änderungen in der Arbeitswelt, an die Auswirkungen der Demografie und an die gewandelten Strukturen im Bildungsprozess angepasst werden.

Meine Damen und Herren! Ich sage völlig wertungsfrei: Das Ende der Schullaufbahnempfehlung hat nachweislich zu steigenden Schülerzahlen an den Gymnasien geführt. Dabei zeichnen sich zwei wesentliche Effekte ab: Erstens steigt der Lehrkräftebedarf an den Gymnasien. Zweitens wird sich auch in den nächsten Jahren der Ansturm auf die Hochschulen auf konstant hohem Niveau bewegen.