Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Herr Minister Bischoff hat eingangs seiner Rede erwähnt, dass er stellvertretend für den Innenminister gesprochen hat. Ich finde es eigentlich ganz richtig, dass der für Integrationspolitik und für Gesundheitspolitik zuständige Minister zu diesem Thema spricht, weil genau das die Aspekte sind, die wir hierbei beleuchten müssen.

Wenn man sich einmal die Regierungsbündnisse in den Bundesländern anschaut, in denen das Thema der Krankenkassenkarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber diskutiert wird oder in denen sie schon existieren, dann stellt man fest, dass die SPD in allen diesen Ländern mitregiert. Daher kann ich für unsere Fraktion sagen, dass wir diesem Thema offen und positiv gegenüberstehen.

Bevor ich auf das Thema eingehe, möchte ich noch ein paar Anmerkungen machen. In den letzten Wochen wurden sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat Verbesserungen für Asylsuchende und Flüchtlinge beschlossen, wie der Arbeitsmarktzugang nach drei Monaten, der Wegfall der Vorrangprüfung nach 15 Monaten und die damit verbundene Möglichkeit einer früheren Teilnahme an Integrationskursen und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. In der letzten Woche ist die Residenzpflicht gefallen. Der Vorrang von Sachleistungen gegenüber Geldleistungen wurde umgekehrt.

Ja, es stimmt: Mögliche Änderungen bezüglich der Einschränkungen nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes im Gesundheitsbereich wurden zwar mit diskutiert. Aber es wurden noch keine Änderungen getroffen. Man konnte sich noch nicht einigen. Deswegen wird das weiterhin zwischen dem Bund und den Ländern besprochen.

Meine Vorredner haben es schon angeführt, aber es schadet nicht, wenn man es doppelt hört, wo es solche Regelungen schon gibt. In Bremen und Hamburg - das sind Stadtstaaten - gibt es dieses Verfahren.

Aber auch Flächenländer haben sich auf den Weg gemacht. In Niedersachsen läuft ein entsprechendes parlamentarisches Verfahren. In Brandenburg hat die Regierung angekündigt, es einzuführen. Auch die neue Thüringer Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Einführung von Gesundheitskarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber festgeschrieben.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Einführung am Nein der dortigen CDU gescheitert. Das hat die Hansastadt Rostock nicht daran gehindert, eigen

ständige Verwaltungsvereinbarungen mit der AOK Nordost abzuschließen.

(Herr Borgwardt, CDU: Hansestadt! Es heißt zwar „Hansa Rostock“, aber „Hansestadt Rostock“!)

- Ich habe „Hansestadt“ gesagt.

Wahrscheinlich führte dieses Interesse einiger Bundesländer auch dazu, dass am 28. November 2014 die vom Minister zitierte Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, weitere Gespräche über die Kosten der Gesundheitsvorsorge für Asylbewerber zu führen, getroffen worden ist mit dem Ziel, eine bundeseinheitliche und bundesgesetzlich geregelte Möglichkeit zu finden, damit Flächenländer, die dies wünschen, Gesundheitskarten an Asylbewerberinnen und Asylbewerber ausreichen können.

Eine solche bundeseinheitliche Regelung würden wir begrüßen und ihr den Vorrang vor einer landeseigenen Regelung geben. Wie der Minister schon gesagt hat, wurden die Länder nicht aufgefordert, sich auf den Weg zu machen. Vielmehr fordert diese Vereinbarung, gemeinsam mit dem Bund eine bundeseinheitliche und bundesgesetzliche Regelung finden. Ich weiß, dass sich unsere Landesregierung aktiv daran beteiligen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das derzeitige Verfahren ist, um es mit den Worten von Gerhard Schröder zu sagen, suboptimal. Der Asylsuchende muss, wenn er krank ist, erst einmal zum zuständigen Sozial- oder Gesundheitsamt gehen. Üblicherweise befindet sich das in den Kreisstädten. Angesichts der Tatsache, dass mehr als 50 % der Flüchtlinge dezentral untergebracht sind, kann das in unserem Flächenland heißen, dass der Weg zu der Kreisstadt doch schon etwas länger ist.

Dort treffen sie auf einen Verwaltungsbeamten oder eine Verwaltungsbeamte, deren Aufgabe es nicht ist, wie Herr Kollege Herbst es schon gesagt hat, einzuschätzen, ob jemand eine Behandlung braucht. Dieser muss einen Behandlungsschein ausreichen, damit der Betreffende zum Arzt gehen kann. Zumeist ist festgeschrieben, dass es der Amtsarzt ist.

Wenn weitergehende Behandlungen notwendig sind, etwa eine Heilmittelversorgung, Zahnersatz oder eine stationäre Behandlung, dann muss auch das beantragt und vom Sozialamt genehmigt werden. Hierfür müssen erst einmal die Kompetenzen innerhalb der Verwaltung organisiert werden, um diesen Antrag bearbeiten zu können.

All das dauert lange. Das kann, wie es das Deutsche Rote Kreuz in einer Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages ausgeführt hat, zur Verschleppung von Krankheiten füh

ren, wenn die Behandlung verspätet beginnt. Das steigert dann die Gesundheitskosten immens.

Was sind die Vorteile? - Es werden Vereinbarungen mit den Krankenkassen abgeschlossen. Diese machen ihren Job. Sie können die Leistungen besser abrechnen, verhandeln und erbringen. Sie machen nichts anderes als das, was sie auch sonst machen. Sie bekommen eine Verwaltungspauschale vom Landkreis.

Dieser hat seine Verwaltungskosten gesenkt. Hamburg hat 1,2 Millionen € geringere Verwaltungskosten errechnet. Zudem sind eine Zeit- und Wegekostenersparnis für die Flüchtlinge, Betreuer und Dolmetscher sowie geringere Behandlungskosten zu verzeichnen.

Vor allem können die Ärzte die Leistungen ganz normal abrechnen. Sie müssen keine Extraabrechnung machen. Auch für die Ärzte ist die Abrechnung über eine Krankenkasse der bessere Weg.

Wie der Minister schon sagte, sollten wir uns in den Ausschüssen - damit beantrage ich die Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Inneres und Sport - genauer über dieses Thema unterhalten: einerseits darüber, wie das weitere Vorgehen der Landesregierung auf der Bundesebene ist, und andererseits darüber, welche genauen Vorstellungen die GRÜNEN zu Punkt 2 ihres Antrages haben. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Kollege Wanzek. - Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Zoschke.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben an dieser Stelle schon sehr viele Reden vernehmen können, die sich mit dem Thema Willkommenskultur beschäftigt haben. Erst vor Kurzem konnten die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Soziales in einer Berichterstattung des Ministeriums für Inneres und Sport den Plan des Innenministers vernehmen, die Ausländerbehörden unseres Landes zu Willkommensbehörden zu entwickeln. Nun ist es an der Zeit, den Plänen Taten folgen zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bietet die Möglichkeit, Willkommenskultur zu fördern.

Wir müssen unsere gutgemeinten Wünsche für Frieden, gegen Gewalt, Ausbeutung und Hunger in

diesem Jahr an besonders viele Orte der Welt verweisen. Gerade weil es eine derart drastische Zunahme an Kriegen und Bürgerkriegen gibt, sind wir gefordert, einen Blick in den eigenen Verantwortungsbereich vor Ort zu richten. Dabei müssen wir nüchtern feststellen: Die bestehende Gesundheitsversorgung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in unserem Land ist inhuman und eines so reichen Landes wie der Bundesrepublik Deutschland schlicht unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Der vorliegende Antrag greift beide zentrale Punkte auf, die daran etwas ändern könnten. Meine Fraktion stimmt diesen ohne Einschränkung zu.

Ich beginne mit Punkt 1, der Einführung einer Krankenkassenkarte für Asylsuchende nach dem Bremer Modell. Das ist insofern der leichtere Teil des Antrages, als sich dies tatsächlich auch auf Landesebene umsetzen lässt. Die Stadtstaaten haben es uns vorgemacht. Diese Veränderung ist also nur eine Frage des Wollens.

(Herr Lange, DIE LINKE: Richtig!)

Es ist so unmenschlich wie unsinnig, dass die Asylsuchenden in Sachsen-Anhalt noch immer zum Sozialamt gehen müssen, damit dort von medizinunkundigen Menschen beurteilt wird, ob ein Behandlungsbedarf aufgrund akuter Erkrankung und Schmerzzustände nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes vorliegt oder nicht.

Es bleibt zu erwähnen, dass einzelne Kommunen bei uns die Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht mehr für jeden Arztbesuch dieser Prozedur aussetzen, sondern einen gültigen Krankenschein für drei Monate ausstellen. Das ist fraglos schon eine Erleichterung für die Betroffenen und es ist zugleich ein Abbau von Bürokratie. Beides ließe sich noch verbessern, wenn auch hierzulande diese Krankenversichertenkarte eingeführt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Um eventuellen Bedenken gleich vorweg zu begegnen: Die Kosten erhöhen sich hierdurch nicht. Auch dies haben die Erfahrungen in den Stadtstaaten gezeigt.

Mit Blick auf die wachsenden Flüchtlingsströme ist es eine Maßnahme der Vernunft, unnötige Bürokratie abzubauen. Dies gilt auch für die Kostenaspekte.

Was sollte schon falsch daran sein, wenn man 10 € mehr für die Behandlung ausgeben würde und wir gleichzeitig feststellen, dass zuvor mehr als 80 € an Bürokratiekosten eingespart worden sind?

(Beifall bei der LINKEN - Herr Schröder, CDU: Wenn es so ist!)

Ich komme nun zum zweiten Punkt des Antrages. Ja, auch das ist richtig: Die enge Begrenzung der Gesundheitsversorgung im Asylbewerberleistungsgesetz auf die Behandlung akuter Krankheits- und Schmerzzustände muss aufgebrochen werden. Diese Begrenzung ist Ausdruck einer Sicht auf die Menschen, als kämen sie nur für wenige Tage. Nur dann würde dies überhaupt Sinn machen.

Eine Gesundheitsversorgung ohne Gesundheitsvorsorge ist nicht nur inhuman, sondern auch teuer. Wer heute keine Kariesprophylaxe erhält, der braucht in Kürze eine Kariesbehandlung und in der Zukunft teuren Zahnersatz. Aber nein, wir tun so, als wären die Menschen in wenigen Wochen wieder weg, und wissen es doch eigentlich besser.

Eine Überschrift der „Zeit Online“ vom vergangenen Sonntag lautete: „Deutschland tut weh“. Dieser Artikel berichtet über die Situation und die Versorgung der in Deutschland ankommenden Flüchtlingskinder. Auch wenn einzelne dort beschriebene Vorfälle sicher extreme Einzelfälle sind, wie etwa Babys, die mit Fleisch statt mit Brei versorgt werden, ist doch der Bericht als Ganzes schlicht beschämend. Wir sprechen von einer Willkommenskultur und verriegeln parallel dazu die Eingangstür.

Über ein Drittel der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, sind Kinder - Kinder, die wahrscheinlich viele Jahre bleiben werden. Wir versorgen sie notdürftig, gehen auf ihre Kriegstraumata und menschlichen Verluste kaum ein und bedauern parallel dazu den demografischen Wandel im eigenen Land. Hier läuft etwas gewaltig schief.

(Beifall bei der LINKEN)

„Macht hoch die Tür, die Tor‘ macht weit“ lautet der Beginn eines Weihnachtsliedes hierzulande. Wir sollten in diesem Sinne handeln und dem vorliegenden Antrag zustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Danke schön, Kollegin Zoschke. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schwenke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Landtagsabgeordnete! Dass ich als Gesundheitspolitiker heute hier zu einem Thema sprechen darf, das vorrangig eigentlich ein Asyl- bzw. Integrationsthema ist, hängt mit dem ausdrücklichen Verweis auf die Krankenkassenkarte zusammen. Aber da das Thema natürlich durchaus auch sozialpolitisch zu betrachten ist und mir persönlich auch die Situation von Asylbewerbern und die Integration sehr am Herzen liegen,

mache ich das gern. Allerdings hat der Sozialminister vorhin umfassend zu den gesundheits- und sozialpolitischen Aspekten ausgeführt und haben meine Vorredner bereits Diverses gesagt, sodass ich mich kurz fassen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da sich Bund und Länder - der Minister verwies gerade auf die Bund-Länder-Gespräche zum sogenannten Asylkompromiss - zuletzt in der Sitzung des Bundesrates am 28. November 2014 mit der Zustimmung zum Asylbewerberleistungsgesetz darauf verständigt haben, dass Asylbewerbern ein einfacherer Zugang zur medizinischen Versorgung ermöglicht werden soll, ist das Ziel Ihres Antrages eigentlich grundsätzlich erledigt.

Bund und Länder - dies wurde schon gesagt - wollen nun - so ist es beschlossen - eine weitgehende Einführung einer Krankenkassenkarte oder, wie es heute auch gern heißt, einer Gesundheitskarte für Asylbewerber auch in den Flächenländern prüfen. Interessierten Bundesländern soll ermöglicht werden, dies analog zum Bremer Modell zu regeln.