Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

An die gesundheitspolitischen Sprecher - Sie alle haben sich dafür ausgesprochen, dass Cannabis zumindest für gesundheitspolitische Zwecke freigegeben werden soll -: Wenn Sie in Ihren Fraktionen insgesamt mit der Freigabe von Cannabis nicht weiterkommen, dann sollten wir vielleicht versuchen, eine Allianz mit den Finanzpolitikern zu schließen.

Allein Colorado rechnet damit, bis Ende dieses Jahres zusätzlich 184 Millionen US-Dollar an Steuereinnahmen zusätzlich allein durch die Besteuerung von freigegebenem Cannabis zu erreichen. Das wäre doch auch etwas für Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Neben dem Recht auf Rausch und Steuereinnahmen ist der medizinische Nutzen von Cannabis - die Vorrednerinnen kamen schon darauf zu sprechen - insbesondere bei Multipler Sklerose, aber auch bei anderen Krankheiten inzwischen fachlich akzeptiert und nachgewiesen.

Hanf-Präparate müssen daher mindestens zur Regelleistung der GKV werden. Meine Fraktion hat in der nächsten Fraktionssitzung einen entsprechenden Antrag zur Beratung vorliegen. Wie ich gelesen habe, will Fraktion DIE LINKE Ähnliches tun. Die anderen Kollegen haben sich auch in der Weise ausgesprochen. Vielleicht kommen wir hierbei ein Stückchen voran.

Zum Thema harte Drogen nur ganz kurz. Das Thema hat in Sachsen-Anhalt einen ganz klaren Namen, nämlich Crystal Meth. Neben Alkohol ist das unser Problem. Hierüber dürfen wir nicht nur im Ausschuss reden, sondern wir müssen auch Taten folgen lassen; denn die Zahlen - 688 Fälle im Jahr 2012 - steigen exorbitant. Wir sind längst im Problemkreis angekommen. Der Landespsychiatriebericht hat dieser Problematik nicht umsonst ein eigenes Kapitel gewidmet.

Vielleicht könnten wir uns ja auf einen Kompromiss verständigen, der so aussieht, dass Alkohol und Cannabis gemeinsam in speziellen Länden angeboten werden, und zwar kontrolliert, zertifiziert und mit den entsprechenden Hinweisen. Dann hätten sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Drogenberatungsstellen Kapazitäten, sich der Problematik Crystal Meth ausgiebig zu widmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Jetzt spricht der Abgeordnete Herr Striegel. Ihre Kollegin hat Ihnen knapp vier Minuten Redezeit gelassen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter gesundheits- und sozialpolitischen Gesichtspunkten wirft die aktuelle Drogenpolitik Fragen auf. Aus polizeilicher und rechtlicher Perspektive muss man festhalten: Sie ist gescheitert.

Prioritäten werden falsch gesetzt. Sie müssen falsch gesetzt werden, weil die Gesetzeslage von Ideologie geprägt ist, statt an die spezifische Gefährlichkeit von Drogen anzuknüpfen. Am deutlichsten wird das wohl im Spannungsfeld zwischen den Drogen Cannabis und Crystal Meth. Aber man kann es natürlich auch mit dem Thema Alkohol betreiben, weil auch dessen Gefährlichkeit klar ist. Ich sage nur eines: Tradition ist nicht alles. Deswegen, so glaube ich, sollten wir uns auch diesem Thema widmen; auch da muss mehr Prävention passieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

An der Gefährlichkeit von Crystal, einer chemischen Droge mit langer, verheerender Geschichte, besteht kein Zweifel. Angesichts der massiven Ausbreitung auch in Sachsen-Anhalt wäre hier der Einsatz von mehr Ressourcen bei Polizei und Staatsanwaltschaften angezeigt. Stattdessen versucht die Landesregierung, die Gefährlichkeit von Cannabis zu beweisen. Das hat Minister Bischoff hier heute noch einmal vorgeführt, unter anderem mit dem Hinweis in der Antwort auf die Große Anfrage nach den Drogentoten durch Cannabis. Ich sage ganz ehrlich - meine Kollegin hat schon darauf hingewiesen -: Das ist schlicht Humbug.

Statt ideologisierte Debatten zu führen, sollten wir zwei Dinge tun: erstens festhalten, dass es eine Gesellschaft ohne Drogen nicht geben wird, dass wir also lernen müssen und können, mit Drogen zu leben, und zweitens, dass wir auch die polizeiliche Antwort auf Drogen strikt nach Gefährlichkeit organisieren müssen.

Wir beschäftigen in Polizei und Justiz aktuell Heerscharen, um Ermittlungen durchzuführen, die rein für die Statistik und für die Ablage passieren; denn Staatsanwälte stellen die Verfahren regelmäßig sein. Auch das ist heute schon deutlich geworden.

Im Jahr 2013 wurden 1 969 Ermittlungsverfahren aufgrund eines Verdachts einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit Cannabis, zum Beispiel durch die Staatsanwaltschaft Magdeburg, eingeleitet. 1 022 davon wurden eingestellt. Das ist nichts anderes als schlichte Ressourcenverschleuderung.

Eine Legalisierung von Cannabis, die mit strikten Vorschriften zum Jugendschutz und mit einem Werbeverbot einhergeht - im Übrigen wäre dies für alle Drogen gut -, würde diese unnötige Bürokratie vermeiden und eine richtige Fokussierung der Polizei in diesem Bereich ermöglichen; denn der falsche Personaleinsatz führt zu schlichter Demotivation. Reden Sie doch einmal mit den Ermittlern! Die Beamten sind es leid, Strafanzeigen wegen Cannabiskonsums zu schreiben, die sie Zeit kosten und die letztendlich zu nichts zu führen.

Statt Erfolgsmeldungen über die Aufdeckung von illegalen Cannabisplantagen zu verbreiten, wünschte ich mir echte Erfolge bei der Aufhellung der Verbreitungswege von Crystal in diesem Land. Der Gesetzgeber ist hier gefordert, die Polizei von durchaus verzichtbarer Arbeit zu befreien. Dadurch ließen sich in den Ländern bereits vorhandene, ineffektiv eingesetzte Beamtinnen und Beamte für den Kampf gegen harte Drogen nutzen, ohne dass dies zusätzliche Personalkosten verursachen würde. Denn während bei der Verfolgung von Kiffern polizeiliche Ressourcen verschwendet werden, fehlen uns diese in der Bekämpfung unter anderem des Handels mit Crystal Meth.

Wie kann es denn sein, dass die Landesregierung antwortet, dass - ich zitiere - polizeiliche Erkenntnisse über Vertriebswege und Handelsstrukturen harter Drogen in Sachsen-Anhalt aufgrund der überwiegend konspirativen und arbeitsteilig organisierten Arbeitsweise und der eher geringen Aussagebereitschaft der ermittelten Täter nur in wenigen Fällen erlangt werden? Das ist doch ein Defizit, an das wir ran müssen.

Hierzu braucht es mehr Aufklärung, das heißt mehr Personal und bessere Ermittlungen. Dafür müssen wir unsere Polizei befähigen, das heißt, ihr an der Stelle den Rücken freihalten und sie von der Verfolgung von Cannabiskonsum entlasten. Lassen Sie uns auch in der Polizei und bei den Staatsanwaltschaften in der Drogenpolitik endlich die richtigen Prioritäten setzen! - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Striegel. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Kollege Herr Abgeordneter Schwenke. Bitte schön, Herr Schwenke.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Landtagsabgeordnete! Als letzter Redner in der Aussprache zu den beiden Großen Anfragen der LINKEN zu Cannabiskonsum bzw. zu harten Drogen in Sachsen-Anhalt

werde ich jetzt noch einige wenige Ausführungen aus gesundheits- bzw. sozialpolitischer Sicht machen und nur zu einigen ausgewählten Aspekten sprechen.

Meine Redezeit werde ich wohl nicht voll ausnutzen, auch weil die Antworten erwartungsgemäß keine ganz neuen Erkenntnisse bringen. Das ist jetzt keine Kritik an der Landesregierung, etwa wegen mangelhafter Beantwortung, sondern das liegt vor allem daran, dass uns allen seit Jahren, ja, seit Jahrzehnten die Brisanz des Themas bekannt ist und wir uns dementsprechend auch schon lange mit diesen Fragen beschäftigen.

Erst in der vorletzten Sitzungsperiode des Landtages, im November, haben wir uns auf Antrag der Regierungsfraktionen mit dem derzeit sehr brisanten Thema Crystal Meth beschäftigt. Auch in dieser Debatte wurde schon auf die Antworten zur Großen Anfrage zu harten Drogen in SachsenAnhalt verwiesen.

Die drastische Zunahme des Konsums von Crystal Meth erzeugt einen hohen Handlungsdruck. Entsprechende Beschlüsse haben wir in der erwähnten Sitzung gefasst. Auch die Antworten der Landesregierung zeigen ganz deutlich die Notwendigkeiten einer intensiven Zusammenarbeit aller zuständigen Behörden auf.

Dieses Thema wird uns demnächst in den Fachausschüssen beschäftigen. Deshalb brauche ich jetzt nicht weiter darauf einzugehen, zumal einige Punkte aus der heutigen Drucksache sicherlich in die Diskussionen in den Fachausschüssen mit einfließen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genauso wichtig ist natürlich - darüber ist heute relativ wenig gesagt worden - eine gute und intensive Präventions- und Beratungstätigkeit. Dies gilt sowohl für harte Drogen als auch für den Missbrauch und die Suchtgefahren bei Cannabis, Alkohol, Nikotin und Pharmaka. Hierbei muss präventive Arbeit so früh wie möglich ansetzen.

Insofern freut es mich, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Drogen und Süchte, wie im Abschnitt VI der Antwort in der Drs. 6/3498 zu lesen ist, schon im Schulgesetz verankert ist. Die Lehrpläne und Rahmenrichtlinien bieten diverse Möglichkeiten der Beschäftigung mit diesem wichtigen Thema, und dies von der Grundschule über alle Schulformen bis zum Gymnasium. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind auf den Seiten 50 bis 54 der Drucksache aufgelistet. Deshalb brauche ich dies hier nicht zu wiederholen.

Ich kann Schulen und Lehrkräfte nur auffordern - darüber sind wir uns wohl einig -, ihrer großen Verantwortung gerecht zu werden und die Themen wirklich in die Unterrichtsabläufe und in die Schulprogramme einzupflegen oder dies in Projekt

wochen zu thematisieren. Hierfür stehen die Landesstelle für Suchtfragen in Sachsen-Anhalt, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und natürlich die diversen Sucht- und Drogenberatungsstellen vor Ort, um nur einige zu nennen, als Partner zur Verfügung.

Auch hier begrüßen wir das klare Bekenntnis zu einem flächendeckenden Angebot an Suchtberatungsstellen. Wir haben das über einen längeren Zeitraum im Fachausschuss diskutiert.

Ein weiterer wichtiger Akteur in diesem Bereich ist die Landesstelle für Suchtfragen der Liga der Freien Wohlfahrtspflege. Sie bietet unter anderem Fachveranstaltungen für Multiplikatoren an und koordiniert zum Beispiel in Sachsen-Anhalt den internationalen Schulwettbewerb zur Förderung des Nichtrauchens „Be Smart - Don’t Start“. Das ist eine gelungene Aktion, die sehr gut angenommen wird.

Erlauben Sie mir noch Folgendes zu sagen: Kurz vor Beginn der Fastenzeit - am 18. Februar ist schon wieder Aschermittwoch - möchte ich auch an die Aktion „Sieben Wochen Pause“ erinnern, die, wie angedeutet, parallel zur christlichen Fastenzeit läuft, aber nicht konfessionell ausgerichtet ist, also alle anspricht. Vielleicht sollten gerade wir hier im Hohen Hause diese Gelegenheit nutzen, um unser eigenes Konsumverhalten, zum Beispiel hinsichtlich Alkohols, zu hinterfragen. Denn bekanntermaßen gehören auch wir Politiker zu einer besonders suchtgefährdeten Spezies.

(Heiterkeit)

Das war aber nur eine Anregung.

Diese Aktion zielt nicht nur auf Alkoholmissbrauch, sondern fordert auch zu siebenwöchigem Verzicht oder zumindest zum Hinterfragen anderer Alltagssüchte auf. Das ist eine tolle niederschwellige Aktion, die sehr erfolgreich ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zurück zum Thema Prävention. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Präventionsarbeit kann nicht früh genug beginnen. Prävention, gerade in den Schulen und auch in den Jugendklubs, ist unverzichtbar, angefangen bei Nichtraucherkampagnen über Alkoholmissbrauch bis hin zum Drogenkonsum. Vielleicht - oder hoffentlich - verändern sich dann zukünftig auch einige der uns in der Beantwortung der Fragen vorgelegten statistischen Zahlen, auf die auch ich noch kurz eingehen möchte.

Auch mir bleibt festzustellen, dass mehr Männer als Frauen von Alkohol- und Cannabisabhängigkeit betroffen sind bzw. von den Beratungsstellen erfasst werden. Cannabiskonsum ist eher bei Menschen im Alter von 20 bis 30 Jahren festzustellen, wohingegen sich Alkoholmissbrauch über alle Altersgruppen erstreckt und gerade bei den

über 40-Jährigen auffällig wird, wie man aus dem vorliegenden Zahlenmaterial der Beratungsstellen schlussfolgern kann.

Alkoholkonsum, auch übermäßiger, wird in unserer Gesellschaft leider noch immer als normal empfunden. Trotzdem oder gerade deshalb dürfen Themen wie das sogenannte Komasaufen bei Jugendlichen oder Alkohol und Gewalt natürlich nicht aus den Augen verloren werden. Die vorliegenden Zahlen sind durchaus beängstigend und ohne Zweifel sehr ernst zu nehmen. Auch deshalb begrüßen wir das im Gesundheitszieleprozess unseres Landes unter anderem vereinbarte Ziel der - ich zitiere - Senkung des Anteils an Rauchern in der Bevölkerung und der alkoholbedingten Gesundheitsschäden auf Bundesdurchschnitt. Allen Beteiligten viel Erfolg bei der Erreichung dieses Zieles!

Sehr geehrte Damen und Herren! Eines möchte ich hier noch ganz klar und deutlich sagen: Alkoholmissbrauch findet in Deutschland und auch hier in Sachsen-Anhalt offensichtlich wesentlich häufiger statt als Cannabiskonsum. Cannabis gilt bei den meisten Fachleuten als nicht gefährlicher als Nikotin oder Alkohol. Daraus aber zu schlussfolgern - wie dies Ihre Fragen schon suggerieren und Sie als Vertreter der GRÜNEN und der LINKEN dies noch einmal betonten -, man sollte in Deutschland den Cannabiskonsum legalisieren, das halten wir - darin sind wir uns mit der Landesregierung und auch mit Herrn Erben völlig einig - nach wie vor für völlig falsch.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Die Logik, Frau Tiedge, Cannabis zu legalisieren, damit die Personen, die Cannabis illegal nutzen, nicht mehr verfolgt werden müssen, erschließt sich mir nicht. Was müssten wir dann möglicherweise noch alles legalisieren oder straffrei stellen?

Cannabis ist und bleibt eine gesundheitsgefährdende Droge, deren Gebrauch aus unserer Sicht ausschließlich in den im Abschnitt VII aufgeführten gesundheitlichen Fällen zugelassen werden sollte. Auch hierzu schließen wir uns den Ausführungen der Landesregierung an; der Herr Minister hat ja vorhin einiges dazu gesagt.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Themen Drogen und Sucht sowohl in Bezug auf Alkohol, Nikotin und Cannabis als auch auf harte Drogen sind wichtige Themen, die wir auf allen Ebenen im Blick und in der Diskussion halten müssen. Es gilt, daraus die richtigen und nachhaltigen Schlussfolgerungen zu ziehen und den Kampf gegen den Missbrauch erfolgreich fortzusetzen. Wenn die Diskussion heute einen positiven Beitrag dazu leistet, war es gut, dass wir sie ge

führt haben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Für die Fraktion DIE LINKE verzichten Frau Zoschke und Frau Tiedge auf ein Schlusswort. Wir bleiben damit in der Zeit. Die Aussprache zu den Großen Anfragen ist damit beendet. Der Tagesordnungspunkt 7 ist abgeschlossen.