Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für Inneres und Sport bitte ich um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr für die Berichterstattung, Kollege Kolze. - Für die Landesregierung spricht Minister Stahlknecht. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE brachte im Oktober 2014 einen Antrag zur verfolgten Minderheiten im Irak und in Syrien mit dem Ziel der weiteren Aufnahme von Betroffenen in Deutschland und insbesondere auch in Sachsen-Anhalt ein.

Leider ist zu konstatieren, dass sich die Bedrohungslage im Krisengebiet in den fast sechs Monaten seit der Einbringung des Antrags kaum zum Besseren entwickelt hat. Nach wie vor wütet dort die Terrororganisation Islamischer Staat mit bisweilen geradezu unvorstellbarer Grausamkeit gegen alle Andersgläubigen und Andersdenkenden und schafft so ein Klima von Angst und Schrecken. Auch wenn - das ist ein kleiner Hoffnungsschimmer - es der irakischen Armee gemeinsam mit kurdischen Kräften und anderen Milizen zwischenzeitlich offenbar gelungen ist, den IS an einigen Fronten zurückzudrängen, ist ein schnelles Ende der generellen Bedrohungssituation leider noch nicht in Sicht.

Deshalb steht für mich außer Frage, dass den von IS im Irak und Syrien verfolgten und unmittelbar bedrohten Menschen, darunter viele, deren Volksgruppen seit Jahrhunderten in diesen Gebieten ansässig sind, weiterhin geholfen werden muss. Außerdem halte ich es weiterhin für richtig, den Fokus auf die Hilfe vor Ort zu richten. Die Gründe für meine Überzeugung habe ich Ihnen damals bereits dargelegt; ich möchte das aber gern wiederholen.

Zentral scheint mir, dass mit dem Geld, das für die Antragsbearbeitung, den Transport und die Versorgung eines einzelnen Flüchtlings in Deutschland aufzuwenden ist, wesentlich mehr Menschen vor Ort unterstützt werden können und dort zudem Hilfe schneller wirksam werden kann. Deutschland hat - die Beschlussempfehlung weist hierauf zu Recht hin - in den letzten zwei Jahren Mittel in

Höhe von 800 Millionen € für die Hilfe vor Ort zur Verfügung gestellt. Es kommen Hilfen im Umfang von 1,1 Milliarden € hinzu, zu denen Deutschland als größter EU-Nettozahler ebenfalls einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.

Vor Ort, in den von UNHCR in den autonomen Kurdenregionen im Nordirak errichteten Flüchtlingslagern, sind viele Binnenvertriebene untergekommen, die so bald wie möglich in ihre angestammten Wohngebiete zurückkehren wollen. Auch das Technische Hilfswerk war in Jordanien, um bei der Sicherstellung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie weiterer infrastruktureller Maßnahmen zu helfen.

Diese Aktivitäten haben maßgeblich dazu beigetragen, die Flüchtlingslager für die Herausforderungen der kalten Jahreszeit zu ertüchtigen. Die Bundesregierung hat damit ihre Ankündigung umgesetzt, zügig humanitäre Hilfe in der Region auf den Weg zu bringen. Das ist zu begrüßen.

Auch die Aufnahmezahlen in Deutschland steigen stetig. In welcher Größenordnung wir uns vor dem Hintergrund der Konfliktsituation bundesweit bewegen, führt die Beschlussempfehlung aus. Insgesamt halten sich derzeit mehr als 125 000 syrische und knapp 90 000 irakische Staatsangehörige im Bundesgebiet auf.

Für Sachsen-Anhalt bedeutet das, dass allein in unserem Bundesland seit Januar 2013 2 122 syrische und 51 irakische Asylsuchende neu registriert wurden. Syrien ist nach der Zahl der Asylbewerber das wichtigste Herkunftsland. Hinzu kommen die Schutzsuchenden aus Syrien, die im Rahmen der vom Bund und dem Land Sachsen-Anhalt initiierten Aufnahmeprogramme nach Sachsen-Anhalt gekommen sind.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass wir durch einen erheblichen Anstieg des Zustroms Schutzsuchender auch aus vielen anderen Regionen der Welt mittlerweile an einem Punkt angelangt sind, an dem eine menschenwürdige Unterbringung - wir sprachen in der Debatte unter dem vorherigen Tagesordnungspunkt darüber - aller hier Ankommenden für das Land und die Kommunen eine enorme Herausforderung darstellt.

Ich begrüße daher die Beschlussempfehlung und bin auch dankbar, dass eine Würdigung der bisher geleisteten Arbeit damit verbunden ist. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten nun in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erster Debattenredner spricht der Kollege Herbst für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat auch etwas mit dem Thema zu tun, über das wir zuvor diskutiert haben. Genauso ist auch bei diesem Thema zu konstatieren, dass die Beschlussempfehlung den Ansprüchen nicht genügt. Letztlich ist in der Beschlussempfehlung überhaupt nichts mehr von dem zu finden, was der Ursprungsantrag der Fraktion DIE LINKE enthielt. Darin ist auch nichts von dem zu finden, was wir mit einem Änderungsantrag hineinzubringen versucht haben.

In der Beschlussempfehlung geht es letztlich überhaupt nicht mehr um den Ausbau des Schutzes derjenigen, die vor dem ISIS-Terror geflüchtet sind, sondern es geht einfach nur noch um den Status quo und die Feststellung dessen, was offensichtlich ist.

Meine Damen und Herren! Das reicht unserer Meinung nach nicht aus, um diesem Thema ernsthaft zu begegnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist die Verweigerung der Auseinandersetzung mit dem Terror des sogenannten Islamischen Staates, der systematische ethnische Säuberungen in seinen Herrschaftsbereichen begeht, der dort nicht nur, wie Sie im ersten Punkt Ihrer Beschlussempfehlung konstatieren, Andersgläubige, Andersdenkende, vor allem Kurden, religiöse Minderheiten wie Christen und Jesiden, systematisch vertreibt, versklavt, vergewaltigt und ermordet, sondern - das haben Sie leider nicht erwähnt - vor allen Dingen alle nicht sunnitischen Moslems vertreibt, versklavt und ermordet.

Meine Damen und Herren! Wir hätten uns gewünscht, dass diese offensichtliche Feststellung, die man anhand von Zahlen ganz einfach nachweisen kann, auch aufgenommen worden wäre. So ist diese Beschlussempfehlung auch noch eine Verdrehung der Fakten und reicht nicht aus.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Zu dem Ursprungsantrag ist schon etwas durch den Berichterstatter gesagt worden. Es ging um sofortige humanitäre Hilfe, darum, diese auszubauen, und nicht einfach nur festzustellen, dass schon welche getätigt worden ist.

Es geht natürlich auch um die zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten. Denn, Herr Innenminister, Sie haben nicht gesagt, dass von diesen 125 000 Syrerinnen und Syrern nur etwas weniger als 10 000 Kontingentflüchtlinge aus Syrien sind, die mit der aktuellen Krise zusammenhängen. Diese Kontingente wollten wir schon damals aus

weiten. Ich glaube, es stünde der viertreichsten Industrienation der Welt immer noch gut an, hier etwas mehr zu tun als zweimal 5 000 und ein paar in den Ländern, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Um diese ging es auch. Es ging in den Anträgen um die Aufstockung unseres Länderkontingents. Wir haben im Moment 160 in Sachsen-Anhalt - wenn ich mich richtig erinnere, ich habe die Zahl gerade nicht hier - aufgenommen. Das ist besser als nichts. Aber auch darin ist definitiv noch Potenzial, meine Damen und Herren.

Ich denke hierbei auch an die Aussetzung der Dublin-III-Verordnung für diejenigen, die nicht das Glück haben - davon muss man sprechen -, in diese Kontingente zu kommen, nach einer Befragung, bei der mehr als fragwürdig ist, ob man das so machen sollte, in lybischen oder türkischen Flüchtlingslagern. Diejenigen, die sich einfach auf den üblichen Fluchtwegen durchschlagen, kommen auch aus Syrien und dem Nordirak. Sie haben doch die gleichen Fluchtgründe. Also sollten wir nicht auf Dublin III verweisen und diese Menschen einfach zurücksenden, meine Damen und Herren. Sie haben sogar nach unserem strengen Asylrecht einen Asylgrund - das wissen sie auch - und deswegen sollten sie auch hierbleiben können, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Letztlich, meine Damen und Herren, ging es uns darum, mit diesem Beitrag mehr zu leisten, als Deutschland es bisher tut und auch den sachsenanhaltischen Einfluss hierbei zu nutzen.

Meine persönliche Meinung ist, dass es nicht ausreicht, humanitäre Hilfe zu leisten und mehr für die Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt und Deutschland zu tun. Ich glaube, um einer Katastrophe dieses Ausmaßes, einer solchen Gewalt, einer solchen schonungslosen Unmenschlichkeit begegnen zu können, wäre auch mehr Engagement in Richtung einer Intervention in den dortigen Gebieten notwendig. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung.

Zudem müsste man auf den Gebieten der humanitären Hilfe und des Flüchtlingsschutzes wesentlich mehr tun, im Entwicklungshilfebereich sowieso. Sie wissen, dass wir hierbei noch nicht einmal bei 1 % unseres Bruttoinlandsprodukts sind, dass wir nach Millennium-Development-Zielen eigentlich verpflichtet sind, als UN-Mitgliedstaat in die Entwicklungshilfe zu investieren.

Sie sehen also, es gibt zahlreiche Handlungsfelder, mit denen wir uns in der nächsten Zeit noch beschäftigen können und werden.

Diese Beschlussempfehlung können wir leider mangels Qualität nur ablehnen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Herbst. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Schindler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Täglich können wir es in den Nachrichten sehen, ungläubig müssen wir zusehen, wie menschen- und kulturverachtend die Terrororganisation Islamischer Staat ist, wie sie Menschen ermordet, vergewaltigt, hinrichtet, massakriert. Man kann es nicht beschreiben.

Menschen flüchten vor diesem Terror. Es wird schon lange diskutiert - auch hier im Haus wurde das schon öfter angesprochen -; es ist eine humanitäre Katastrophe.

Der Ursprungsantrag ist überschrieben mit: Verfolgte Minderheiten im Irak und Syrien schützen. Deshalb auch diese Orientierung in unserer Beschlussempfehlung. Es sind immer beide Seiten zu betrachten. Auch in der ersten Diskussion zu diesem Antrag habe ich darauf hingewiesen: Es geht einerseits um die Aufnahme von Flüchtlingen und andererseits auch um die humanitäre Hilfe vor Ort.

Diesbezüglich stellt sich die Bundesregierung ihrer Verantwortung. Wir unterstützen durch Hilfsmaßnahmen vor Ort, vor allen Dingen aber auch in den unmittelbaren Nachbarländern von Syrien, weil die Flüchtlinge natürlich dort ankommen.

(Zuruf von der LINKEN)

Die Bundesregierung hat mit Datum vom 19. März 2015 die Hilfe für den Libanon noch einmal um 55 Millionen € aufgestockt.

In Syrien herrscht seit drei Jahren ein verheerender Bürgerkrieg. Die Entscheidung darüber, diesen mit internationaler Hilfe zu unterbinden oder dort einzuschreiten, ist auch seitens der Bundesregierung im internationalen Konsens zu sehen. Bisher gab es noch keine Entscheidung, unmittelbar vor Ort in den Bürgerkrieg einzugreifen.

Alle bereitgestellten finanziellen Mittel lösen das Flüchtlingsproblem nicht grundsätzlich. Sie sagten es auch, Ihr Antrag zielte hauptsächlich auf die Aufnahme von Flüchtlingen.

Wir hatten erst vor Kurzem im Innenausschuss eine Anhörung - nicht zu diesem Antrag, aber auch zu einem Antrag zum Dublin-Verfahren. Dort zeigten sich wieder deutlich die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Dublin-Verfahren. Es gibt einerseits diejenigen, die dafür plädieren, die freie Auf

nahme von Flüchtlingen unbegrenzt zu gewähren, und andererseits diejenigen, die die Aufnahme in Absprache mit den Staaten der europäischen Staatengemeinschaft und im engen Kontext mit den europäischen Nachbarstaaten sehen.

Mehr Aufnahmen für Deutschland, für unser Land, für Sachsen-Anhalt, sind natürlich theoretisch immer möglich. Aber auch ich appelliere heute wieder dafür, dies nur in europäischer Übereinstimmung zu tun. Dabei sollte die unterschiedliche Belastung der Länder in der EU mit betrachtet werden.

Ich sage es an dieser Stelle deutlich: Das darf nicht dazu führen, dass Flüchtlingsprobleme im gegenseitigen Verhandeln in der Europäischen Gemeinschaft als Druckmittel verwendet werden, wie wir es jetzt zuletzt von Griechenland gehört haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.