Wir haben die Debatte zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/3977 abgeschlossen und treten in das Abstimmungsverfahren ein. Diesem Antrag kann man zustimmen, man kann ihn aber auch überweisen.
Zunächst ist nach unserer Geschäftsordnung darüber zu entscheiden, ob wir den Antrag überweisen wollen.
In den Debattenbeiträgen wurde verlangt, den Antrag in den Ausschuss für Arbeit Soziales zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wer diesem Antrag zur Überweisung in die Ausschüsse zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist die Überweisung beschlossen worden. Es lag offensichtlich doch an der Akustik. Der Tagesordnungspunkt 16 ist erledigt.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Es ist das dritte Mal in dieser Sitzungsperiode, dass sich der Landtag mit der Frage befasst, wie wir in Sachsen-Anhalt mit Migranten und Asylbewerbern umgehen wollen. Insbesondere die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten war eine notwendige Klarstellung.
Der vorliegende Antrag meiner Fraktion ruft nun das Thema der Finanzierung auf. Doch uns geht es nicht allein um Geld, uns geht es auch um Standards und die Ausgestaltung der Willkommenskultur in unserem Land, zu der sich dieses Hohe Haus bekannt hat.
Rund 51 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht. Der größte Teil von ihnen ist innerhalb des eigenen Heimatlandes auf der Suche nach einem neuen Lebensmittelpunkt. Rund 17 Millionen Menschen sind jedoch aus unterschiedlichen Gründen gezwungen, ihr Land zu verlassen. Sie gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Der größte Teil dieser Flüchtlinge stammt aus Afghanistan, Syrien und Somalia. Zielländer der Flüchtlinge sind insbesondere Pakistan mit 1,6 Millionen Menschen sowie Iran und Libanon, die jeweils 850 000 Flüchtlinge aufnahmen.
627 000 Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr in Europa an. Das sind nicht viele, wenn man bedenkt, dass allein 850 000 Menschen im Libanon mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern Aufnahme fanden.
Ein Drittel aller Flüchtlinge, die in Europa Schutz und eine neue Lebensperspektive suchten - 2014 waren es 215 000 -, kamen nach Deutschland. 2,5 Asylbewerber kommen in Deutschland auf 1 000 Einwohner. Damit nehmen wir bei der Aufnahme von Flüchtlingen einen der hinteren Plätze in Europa ein. In Schweden sind es 8,4 Asylbewerber je 1 000 Einwohner.
Wer angesichts dieser Zahlen von einer Überforderung der deutschen Gesellschaft spricht, betreibt verbale Brandstiftung und letztlich das Geschäft derjenigen, die am rechten Rand Vorurteile gegen Migranten und Flüchtlinge schüren.
Das Grundrecht auf Asyl gehört zu den tragenden Pfeilern unserer Verfassung und zu den wichtigsten Lehren aus der Geschichte.
Unerträglich auch - angesichts dieser Zahlen - ist die europäische Politik im Mittelmeer, wo man mit dem Kalkül der Abschreckung tausende Menschen umkommen lässt, statt zu helfen. Auch der heute Nacht getroffene Kompromiss ist halbherzig.
Ja, die Mittel werden verdreifacht, geblieben ist die 30-Meilen-Zone. Es bleibt dabei, dass die EU Flüchtlinge abwehrt, statt sie zu retten.
Es gab auch keine Einigung bei der Vereinbarung von Flüchtlingskontingenten, um einzelne EU-Staaten, vor allen Dingen in Südeuropa, zu entlasten. Eine heute von Infratest dimap veröffentliche Umfrage macht deutlich: Eine Mehrheit der Menschen
in unserem Land - 62 % - fordert aktives Handeln auch von Deutschland zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Jeder Zweite der Befragten befürwortet auch die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in unserem Land.
An Geld soll es nicht scheitern, hört man aus Berlin. An Geld soll es nicht scheitern, sagt auch unsere Landesregierung. Das begrüßen wir grundsätzlich, fragen aber auch, was diesen Absichtserklärungen folgt.
Deshalb fordern wir mit unserem Antrag die Landesregierung auf, sich beim Bund für eine dauerhafte und vor allem stärkere Beteiligung bei der Übernahme der Kosten für die Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Asylsuchenden zu beteiligen.
1 Milliarde € für 2015 und 2016 und die Ansage, dass das ausreichend sein sollte, halten wir für unzureichend. Aber selbst wenn es 3 Milliarden € sein werden - die LINKE fordert das -, uns sind verlässliche Strukturen wichtig. Wir wollen, dass klar geregelt ist, wer was wann übernimmt. Wir denken, dass diese Frage in die Bund-Länder-Verhandlungen zur Neuregelung des innerstaatlichen Finanzausgleichs eingebettet werden sollte.
Bedenken haben wir, wenn eine vollständige Kostenübernahme durch den Bund erfolgt und die Aufnahme von Flüchtlingen zur Bundesauftragsverwaltung mutiert. Bei aller Kritik im Einzelfall finden wir, dass die grundlegenden Entscheidungen zur Unterbringung von Flüchtlingen vor Ort getroffen werden sollten. Es geht um eine stärkere Beteiligung des Bundes und eine angemessene Verteilung der finanziellen Belastungen, die der Bund aus gesamtstaatlicher Verantwortung zum überwiegenden Teil tragen muss.
Innenminister Stahlknecht kündigte mehrfach, durch die Landesregierung bekräftigt, an, dass die Kosten, die den Kommunen durch die Aufnahme von Asylbewerbern entstehen, vollständig übernommen werden. Das begrüßen wir, aber wir fragen auch, welche Kosten wann auf welcher Grundlage erstattet werden.
zuweisungen gemäß § 17 des FAG durch eine pauschalierte Regelung im § 11a ersetzte. Bei dem Beschluss ging man davon aus, dass dieser Betrag ausreichen würde. Die Zeit hat diese Annahme überholt.
Wir haben schon damals darauf hingewiesen, dass ein solcher Sachverhalt mit einer solchen Kostendynamik nur schwer im Finanzausgleichsgesetz
mit seinen doch recht starren und der Zeit hinterherlaufenden Aufwandsermittlungsregeln zu regeln sei. Wir haben darauf hingewiesen, dass es an der Zeit sei, mit einem eigenen Landesleistungsgesetz die Kostenerstattungen und vor allem die Standards für die Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zu regeln. Das fordern wir auch heute wieder ein.
Geregelt werden soll, wie Asylbewerberinnen und Asylbewerber untergebracht werden. Es überrascht nicht, dass DIE LINKE hierbei eine statusunabhängige, dezentrale Unterbringung in Wohnungen fordert.
Der Bericht des Innenministers zum Monitoring der Leitlinien für die Unterbringung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern zeigt auf, dass die Wohnungsunterbringung im Verhältnis zur Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften deutlich zunahm. Das ist zu hinterfragen. Es ist eben keine dezentrale Unterbringung, wenn ganze Häuserblocks angemietet werden. Es ist eben keine dezentrale Unterbringung, wenn in einer 28-m²-Einraumwohnung bis zu vier Menschen untergebracht werden. Hierzu braucht es gesetzliche Regelungen und Standards statt Statistiken.
Bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften fordern wir, dass auch dort die Privatsphäre von Menschen gewahrt bleiben muss. Das heißt ganz klar: Einzelunterbringung.
Auch die Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften soll gesetzlich begrenzt werden, um eine Anspruchsgrundlage für Flüchtlinge zu formulieren. Gemeinschaftsunterkünfte sollen in kommunaler Trägerschaft stehen.
Die Verantwortung der Kommunen für diese Einrichtungen muss gesetzlich festgeschrieben werden. Die Unterbringung von Flüchtlingen darf nicht länger Geschäftsmodell sein.
Auch die Lage einer Gemeinschaftsunterkunft, ihre Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die öffentliche Infrastruktur müssen Berücksichtigung finden.
Wir teilen das in der gestrigen Regierungserklärung formulierte Ziel, die Willkommenskultur in unserem Land zu fördern. Deshalb denken wir auch, dass die Betreuung klar geregelt sein sollte. Es braucht vor allen Dingen Betreuungskräfte mit geeignetem Abschluss, auch mit geeigneter Sprachqualifikation. Hierbei zeigt der Bericht des Innenministeriums noch Schwachstellen auf.
Berufserfahrung allein kann Qualifikation nicht ersetzen. Es braucht organisierte Qualifikations- und Fortbildungsangebote an diejenigen, die als Betreuungskräfte eingesetzt werden. Hierfür braucht
Viele Flüchtlinge werden auf unabsehbare Zeit in Deutschland bleiben. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Damit sie schnell als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft Fuß fassen können, brauchen sie Unterstützung beim Spracherwerb und im Umgang mit Behörden.
An vielen Orten unterstützen aktive Bürgerinnen und Bürger Flüchtlinge dabei, hier anzukommen. Diese Netzwerke ehrenamtlichen Engagements gilt es zu unterstützen und zu koordinieren. Anstrengungen zur Durchführung von Sprachkursen, von Willkommensinitiativen, Betreuung und Begleitung von Flüchtlingen müssen auch finanzielle Unterstützung erfahren. Auch hierfür sollten Mittel bereitgestellt werden.
Es ist die gemeinsame Aufgabe von Landtag und Landesregierung, Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Ankündigungen der letzten Woche verlässliche Grundlagen zu geben.