Protokoll der Sitzung vom 24.04.2015

Es ist die gemeinsame Aufgabe von Landtag und Landesregierung, Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Ankündigungen der letzten Woche verlässliche Grundlagen zu geben.

Wir wissen, Akzeptanz kann man nicht kaufen. Aber wir als Landesparlament, Sie als Landesregierung sollten all die Rahmenbedingungen, die notwendig sind, damit Akzeptanz in unserem Land wächst, dass die Willkommenskultur gestärkt wird, schaffen. Wir sollten deshalb klare gesetzliche Regelungen den immer wieder versprochenen Geldströmen vorziehen, damit wir in Sachsen-Anhalt auch für steigende oder sinkende Flüchtlingszahlen gut gewappnet sind und die Standards sich nicht immer wieder verändern. Aus diesem Grund bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Knöchel. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Stahlknecht das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen stellt in der Tat eine besondere Herausforderung für das Land sowie für die Landkreise und kreisfreien Städte dar. Die Zahl der aufzunehmenden Asylsuchenden steigt auch in diesem Jahr weiter an. Im ersten Quartal 2015 nahm unser Land bereits insgesamt 2 867 Asylsuchende auf. Das sind bereits über 800 Personen mehr als im gesamten Jahr 2012.

Es ist anzuerkennen, dass sich der Bund im Dezember vergangenen Jahres verpflichtet hat, die

Länder und vor allem die Kommunen mit Blick auf die Aufnahmekosten für die Jahre 2015 und 2016 einmalig mit jeweils 500 Millionen € zu entlasten. Auf Länderebene herrscht jedoch weitgehend Einvernehmen, dass die aus der Entwicklung der Zugangszahlen erwachsene Kostenbelastung mittlerweile eine Dimension erreicht hat, die es erforderlich macht, dass sich der Bund längerfristig zu seiner gesamtstaatlichen Verantwortung bekennt und deshalb nicht nur einmalig finanzielle Unterstützung leistet, sondern auf Dauer einen Teil der Kosten übernimmt.

Was wir brauchen, ist eine strukturelle finanzielle Beteiligung des Bundes an den im Rahmen der Unterbringung von Asylsuchenden und Geduldeten entstehenden Kosten. Diese Forderung haben die Länder bereits in einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 26. März dieses Jahres unterbreitet.

Das Land wird sich auch in Zukunft für eine stärkere Beteiligung des Bundes an den entstehenden Kosten einsetzen. Das betrifft insbesondere Kosten für die Unterbringung und Betreuung, für die Gesundheitsversorgung, die Sprachförderung und Dolmetscherkosten.

Damit die Aufnahmekommunen ihre Aufgaben ordnungsgemäß erledigen können, bedarf es eines auskömmlichen Kostenausgleiches. Das Land bekennt sich deshalb zu seiner Verpflichtung, einen auskömmlichen Kostenausgleich zugunsten der Landkreise und kreisfreien Städte sicherstellen, und wird auch bei weiter steigenden Zahlen eine auskömmliche Finanzierung der Landkreise und kreisfreien Städte gewährleisten.

Wie Sie wissen, wird der Kostenausgleich nach der geltenden Rechtslage in erster Linie mit den Instrumenten des kommunalen Finanzausgleiches, also über die Auftragskostenpauschale nach § 4 FAG und über den neu geschaffenen § 4a FAG gewährleistet.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist der nach § 4a FAG zusätzlich zur Verfügung gestellte Betrag von ursprünglich 13 Millionen € auf 23 Millionen € erhöht worden. Die Hälfte des Betrages von 23 Millionen € wurde bereits am 10. Februar 2015 durch das Land an die Aufnahmekommunen überwiesen. Die Zahlung der zweiten Hälfte der Mittel wird am 10. August 2015 erfolgen.

Neben den Landesmitteln, die in den Finanzausgleich gemäß § 4 und § 4a FAG eingestellt sind, haben wir in diesem und im nächsten Jahr zusätzlich 13,5 Millionen € aus Mitteln des Bundes zur Verfügung, die zur Hälfte durch das Land refinanziert werden. Bereits im ersten Quartal des Jahres 2015 sind davon 6,5 Millionen € zur Auszahlung an die Landkreise und kreisfreien Städte bereitgestellt worden. Der verbleibende Betrag von rund 7 Millio

nen € wird im Mai 2015 zur Verfügung gestellt werden.

Im ersten Quartal des Jahres 2015 haben die Landkreise und kreisfreien Städte somit insgesamt 18 Millionen € an zusätzlichen Bundes- und Landesmitteln über die Auftragskostenpauschale hinaus erhalten.

Meine Damen und Herren! Das sind nur die Mittel, die die Kommunen pauschal zum Kostenausgleich erhalten. Zum Gesamtbild gehören ferner die weiteren spezifischen Unterstützungsleistungen, die das Land im Kontext der Aufnahme erbringt. So setzen wir insbesondere weitere Mittel für die gesonderte Beratung und Betreuung in allen Landkreisen und kreisfreien Städten ein.

Das Land hat die Finanzausstattung für die gesonderte Beratung und Betreuung in den Landkreisen und kreisfreien Städten soeben von jährlich 750 000 € auf nunmehr 1 681 300 € mehr als verdoppelt. Die gesonderte Beratung und Betreuung dient der Beratung und Betreuung von Asylsuchenden außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften. Durch die erhöhten Mittel kann die Zahl der Beraterstellen in jeder Aufnahmekommune im Grundsatz verdoppelt werden.

Wir fördern darüber hinaus in allen Aufnahmekommunen Integrationskoordinatoren. Wir fördern Integrationsprojekte, Projekte zur Willkommenskultur für Flüchtlinge und zur Unterstützung des Ehrenamtes. Weitere Projekte zur Stärkung der Willkommenskultur, insbesondere niederschwellige Sprachkurse und interkulturelle Begegnungsveranstaltungen, sind mit ESF-Mitteln vorgesehen. Das Land tut also bereits sehr viel, um die Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung zu unterstützen.

In den Arbeitsgruppen, die im Ergebnis der ersten Gesprächsrunde zu asyl- und migrationspolitischen Themen in der Staatskanzlei im Januar 2015 eingerichtet wurden, suchen wir zurzeit gemeinsam mit den anderen Akteuren sehr intensiv nach weiteren Unterstützungsmöglichkeiten. Ich bin zuversichtlich, dass wir bereits bei der geplanten zweiten Gesprächsrunde in der Staatskanzlei konkrete Ergebnisse dieses Arbeitsprozesses präsentieren können.

Das Finanzausgleichsgesetz ist derzeit die gesetzliche Grundlage für die vollständige Kostenerstattung. Nach der Systematik des FAG wird stets eine auskömmliche Kostenerstattung der Aufnahmekommunen gewährleistet; denn Mehrkosten im Asylbewerberleistungsbereich werden zeitversetzt über den erhöhten Finanzbedarf des FAG in künftigen Finanzausgleichsjahren erfasst.

Das System der Nachläufigkeit ist an sich kurzfristig erheblich. Veränderte Zugangszahlen sind mittelfristig wohl zu überdenken.

Eine Kostenübernahme auf der Basis einer sogenannten Spitzabrechnung halte ich indes für keine gute Lösung, da sie sehr bürokratisch wäre. Die Darlegung sowie der Nachweis der einzelnen Kosten und deren Nachprüfung würden sowohl den Aufnahmekommunen als auch in der Landesverwaltung einen sehr hohen Verwaltungsaufwand verursachen, der einer effektiven Aufgabenerfüllung entgegensteht. Die Abrechnung auf der Basis einer auskömmlichen und daher ausfinanzierten Pauschale je aufzunehmenden Asylsuchenden erscheint mir im Vergleich dazu wesentlich praktikabler. - Herzlichen Dank.

Herr Minister, der Kollege Gallert hat eine Frage an Sie.

Herr Minister, selbst wenn wir über eine Pauschale reden, muss auch diese in irgendeiner Art und Weise geregelt sein. Ich gehe einmal davon aus, dass wir insgesamt Mittel in Höhe von 63 Millionen € für diese Dinge geplant haben. Den Kommunen wurde versprochen, dass sie auf diesen Kosten nicht sitzenbleiben, sondern dass das Land die Kosten übernimmt.

Nach den Dingen, die wir jetzt sozusagen absehen können, würden wir in etwa mit 10 000 neu ankommenden Flüchtlingen in diesem Jahr zu rechnen haben. Wir rechnen einmal mit den Pauschalen, die so diskutiert werden. Ich glaube, Rüdiger Erben hat einmal irgendwas von 9 000 erzählt; das stand jedenfalls in der Zeitung. Wir kommen aber mit all diesen Dingen deutlich über die 63 Millionen €, die jetzt ohnehin dastehen.

Jetzt meine Frage. Wenn das denn so sein soll, wie Sie und auch der Ministerpräsident es gesagt haben, dass die das kriegen, dann brauchen wir doch eine gesetzliche Grundlage. Diese Mehrkosten sind nicht geplant und es gibt keine gesetzliche Grundlage, auf der Sie diese Ausgaben in diesem laufenden Landeshaushalt tätigen müssen. Oder wir machen einen Nachtragshaushalt. Oder wir machen ein Kostenerstattungsgesetz. Dazu hätte mich schon einmal Ihre Position interessiert. Wie wollen Sie das denn mit den Pauschalen machen?

Herr Gallert, ich teile Ihre Auffassung, dass wir dafür einer Grundlage bedürfen, die im Parlament beraten und beschlossen wird.

(Zuruf von der LINKEN: Hört, hört!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Schindler. Sie eröffnet damit die Fünfminutendebatte. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ersten Satz in meinem Redemanuskript hatte ich stehen: Inhaltlich sind wir zu dem Antrag nicht weit auseinander. Wenn Sie sich bei Ihrer Einbringungsrede auf den Inhalt des Antrages beschränkt hätten und diesen erläutert hätten, wäre ich weiterhin der Auffassung. Sie haben in Ihrem Redebeitrag einen Beitrag zu allgemeiner Asylpolitik und Flüchtlingsaufnahme bis hin zur Weltpolitik gefasst, wo ich sage, das ging alles ein bisschen zu weit über den Antrag hinaus. Aber ich bleibe trotzdem dabei: Zu dem Antrag selbst, inhaltlich, sind wir nicht weit auseinander.

Ich möchte Sie an der Stelle korrigieren, an der Sie gesagt haben, dass wir bei der Aufnahme von Flüchtlingen mit 2,5 Flüchtlingen pro 1 000 Einwohner im unteren Bereich in Europa liegen. Die Statistik ist erst vor Kurzem veröffentlicht worden: Wir liegen auf Platz 6. Soweit ich weiß, sind in der Europäischen Union 28 Staaten. Platz 6 ist nicht das untere Drittel und auch nicht die untere Hälfte.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Bei mir ist es eine Acht!)

- Gut, aber auch Platz 8 von 28 Staaten ist noch nicht die behauptete untere Hälfte.

Kommen wir zu dem Antrag zurück. Zu den Details haben wir teilweise ergänzende, aber auch andere Aussagen. Gestern, in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, konnten wir auch davon hören, dass sich das Land weiterhin für die auskömmliche Finanzierung der Kommunen, was die Unterbringungskosten für Flüchtlinge betrifft, ausspricht und diese den Kommunen auch weiterhin zusichert.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Eben!)

Ebenso ist auch die Forderung an den Bund formuliert worden. Wir unterstützen ausdrücklich diese Aussagen. Wir unterstützen auch die Landesregierung in ihrem Bemühen gegenüber dem Bund, dieses durchzuführen.

Die SPD-Fraktion im Bundestag hat auch die Aufnahme von Flüchtlingen als Folge internationaler Konflikte als nationale Aufgabe gesehen und hat daher auch die Verantwortung des Bundes gesehen. Bereits in meiner Rede in der letzten Landtagssitzung zur Unterbringung von Flüchtlingen habe ich diese Forderung ebenfalls aufgemacht und habe die Landesregierung diesbezüglich unterstützt.

Zu dem, wie Sie es in Ihrem Antrag dargestellt haben, sage ich: Es kann jetzt nicht erst die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen abgewartet werden. Es muss natürlich Bestandteil dieser Beratungen werden. Aber eine Mitfinanzierung des Bundes bei der Aufnahme von Flüchtlingen muss eher und schneller passieren. Wir wissen, dass der Abschluss der Bund-Länder-Finanzierungsvereinbarung nicht sofort erfolgen wird. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich ebenfalls dafür ein, bis zum Sommer dieses Jahres eine Regelung zur Mitfinanzierung des Bundes bei der Flüchtlingsunterbringung herbeizuführen.

In Ihrem Antrag fordern Sie gesetzliche Grundlagen, wie es Herr Gallert jetzt auch nachgefragt hat. Natürlich haben wir derzeit gesetzliche Grundlagen für die Finanzierung der Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern. Wir haben das Asylverfahrensgesetz, das Aufenthaltsgesetz, das Asylbewerberleistungsgesetz.

In Verbindung mit § 87 Abs. 3 der Landesverfassung haben wir das Konnexitätsprinzip. Es handelt sich um eine den Kommunen übertragene Aufgabe, und damit besteht die Verpflichtung des Landes, die Kosten, die den Kommunen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden entstehen, zu übernehmen. Und - ich wiederhole mich - dieser Zusage verpflichtet sich das Land auch, wie jetzt wieder wiederholt wurde.

Natürlich kommen wir dann wieder zu der Frage, die jetzt hier auch schon debattiert worden ist: Was ist eine vollumfängliche Erstattung, eine notwendige Erstattung oder eine auskömmliche Erstattung? - Da beginnen wir dann natürlich zu differenzieren.

Gestern und auch jetzt wieder wurde vom Innenminister darauf hingewiesen, dass durch die Landesregierung eine Arbeitsgruppe zur Klärung dieser Fragen eingesetzt worden ist. Dabei geht es um die Standards der Unterbringung, um die soziale Betreuung und die Integration sowie um die Fragen, ob wir das in Pauschalen durchführen, wie eine Spitzabrechnung erfolgen soll und wie diese aussehen soll.

Wir wissen auch, dass derzeit die Kostenunterschiede in den Landkreisen und kreisfreien Städten sehr groß sind. Es wird derzeit eine Spanne von ca. 7 000 € bis etwa 12 000 € pro Asylbewerber im Jahr genannt; das ist eine große Spanne. Damit kommen wir auf dieses eventuelle Mittelmaß von jährlich 9 000 € pro Asylbewerber. Inwieweit das berechtigt ist, muss untersucht werden. Auch die kommunalen Spitzenverbände sind bereit, sich an dieser Diskussion zu beteiligen.

Es gibt auch große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Wir haben ganz unterschiedliche Regelungen zur Kostenerstattung der Länder an

die Kommunen. Das muss in der gesamten Diskussion, wenn wir auf der Bundesebene darüber reden, geklärt werden.

Sie sehen, dass es noch viele Fragen gibt, die zu klären sind. Ob wir zu einer pauschalen oder zu einer Spitzabrechnung kommen, das sind Fragen, die in einer Ausschussberatung geklärt werden sollten. Deshalb bitte ich darum, diesen Antrag zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Schindler. Ich muss heute gnädig sein; denn ich habe vorhin meine Redezeit selbst um zwei Minuten überzogen.

(Herr Borgwardt, CDU: Es war ja auch gnä- dig gemacht!)

Jetzt ist der Kollege Herbst dran. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.