Neben der Erinnerung an tobende SS-Chargen und an die Allgegenwärtigkeit des Todes wiederholt sich immer ein Wort: Erniedrigung. Mit der Erniedrigung fing die Ausgrenzung von Menschen an, mit dem Herausdefinieren aus der Gemeinschaft, mit einer gesetzlich festgelegten und amtlich bestätigten Minderwertigkeit. Wer einmal die Bilder gesehen hat, die Jüdinnen und Juden kniend beim Putzen des Gehsteiges einer belebten Innenstadt zeigen, umringt von Schaulustigen und von Hetzern, der vergisst das nicht. Diese Bilder sind es, die uns die Frage stellen: Wo fing es an, wo fängt es an?
Historische Abläufe, erlassene Gesetze zur Verdrängung der Juden aus dem öffentlichen Leben - all das ist vergleichsweise schnell referiert. Aber was hat das für jede und jeden Einzelnen zu bedeuten? Wann und unter welchen Umständen waren und sind Menschen, ist jeder Einzelne von uns bereit aufzustehen, Einspruch zu erheben, Widerstand zu leisten, Menschlichkeit zu zeigen?
Meine Damen und Herren! Diese Frage ist existenziell für eine menschliche Gesellschaft und für eine Demokratie. Sie muss uns jederzeit auf den Nägeln brennen.
Wie viele Erniedrigungen, wie viele traumatische Bilder, wie viele Trennungen lagen bereits hinter den Jüdinnen und Juden und den Menschen aus ganz Europa, bevor sie starben? Und wann hat das begonnen? - Lange vor den Deportationen, vor dem Beginn des Krieges, oftmals schon lange vor 1933. Was also spielt sich ab, bevor Mord- und Totschlag beginnen?
Wir streiten auch deshalb für den Begriff der Befreiung, weil es um mehr ging als um eine militärische Kapitulation. Wir beantragen heute auch, den 8. Mai als Feiertag zu verankern und ihn damit als sehr besonderen Tag anzuerkennen,
als einen Tag, der in einer Demokratie keine ein für alle Mal abgeschlossene Doktrin einfordert, einen Tag, der aber doch ein Echo des Vergangenen ist. Wir wollen erinnern an die Häftlinge in den Lagern, an die Versteckten, an die Widerstandskämpfer, an die Alliierten. Die April- und Maitage 1945 waren Sehnsuchtstage all derer, die durch die Naziideologie zu Verlorenen und Vergessenen gemacht worden sind.
70 Jahre später soll künftig Raum für diese Erinnerung sein und für unsere Auseinandersetzung damit. Die Geschichte ist nicht auserzählt und die Forderung „Nie wieder!“ erfordert jeden Tags aufs Neue Herz und Verstand. Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich war und ist der 8. Mai in einer rückwärtsgewandten Betrachtung ein Tag der Befreiung vom nationalsozialistischen Unrechtsregime.
Der Landtag hat dieses Tages bereits gedacht. Ich erinnere mich persönlich sehr gern an die Debatte am 30. April, in der Sie, sehr geehrter Herr Kollege Gallert, bereits viele wichtige Gedanken zu diesem Datum des 20. Jahrhunderts geäußert haben. Alle Redner zu dieser Aktuellen Debatte haben ihre tiefe Betroffenheit über die Millionen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft formuliert. Die damaligen Debattenbeiträge des ehemaligen Ministerpräsidenten Böhmer sowie von den Kollegen Scharf, Wolpert und Miesterfeldt haben auch heute noch nichts von ihrer Bedeutung verloren.
Allerdings: Im Deutschland des Jahres 1945 standen damals zunächst die Fragen des nackten Überlebens im Vordergrund oder die Frage, wo man seine durch Flucht und Vertreibung versprengten Verwandten wiedersieht. Ob und wann der eigene Mann oder der eigene Sohn aus der Kriegsgefangenschaft heimkehren würde, dürfte damals die Familien mehr bewegt haben als der zunächst einmal völkerrechtlich bedeutsame Akt der bedingungslosen militärischen Kapitulation.
Gerade diesen Aspekt hat der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede zum 8. Mai zu Recht betont.
Zu bemerken ist an dieser Stelle, dass Deutschland nicht die Kraft hatte, sich selbst vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat zu befreien.
Der Lauf der Geschichte mit dem Tag der Machtergreifung am 30. Januar 1933, als eine ermattete, niemals geliebte Demokratie die Freiheit, den Rechtsstaat auf einem Silbertablett dem Diktator überlieferte, als Hitler durch Hindenburg zum Reichskanzler berufen wurde, konnte auch durch das gescheiterte Attentat am 20. Juli 1944 nicht mehr beeinflusst werden. Der 8. Mai 1945 ist damit eine direkte Folge dieser Machtergreifung eines größenwahnsinnigen Diktators.
Der Charakter der Befreiung am 8. Mai 1945 wurde aus westdeutscher Sicht erst sehr viel später in der Rückschau deutlich. Er bedurfte auch des Perspektivwechsels aufseiten der Westalliierten. Dominierend war am Kriegsende die Sichtweise der Alliierten auf eine besiegte Nation, die schon wegen des nationalsozialistischen Unrechts in den besetzten Staaten Demontagen zu unterwerfen war. Ferner sollte Deutschland beispielsweise nach dem Plan des US-amerikanischen Finanzministers Morgenthau in den Stand eines Agrarlandes zurückgeführt werden. Auch auf der Seite der Westalliierten musste erst die Einsicht wachsen, dass Deutschland im Herzen Europas eine wichtige Rolle in der europäischen Völkergemeinschaft spielen kann und muss.
Der europäische Gedanke eines gemeinsamen Hauses auf der Basis von Demokratie und Menschenrechten wurde erst durch die deutsch-französische Aussöhnung zwischen dem Bundeskanzler Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten De Gaulle realisiert. Das war der Beginn der Rückkehr Deutschlands in die europäische Völkerrechtsfamilie, die nur möglich war, weil Frankreich in Deutschland nicht mehr nur ausschließlich den Kriegsgegner, sondern ein gleichberechtigtes Mitglied der Völkergemeinschaft sah. Alte Erbfeinde mussten erst eine vertrauensvolle Freundschaft aufbauen. Auch diesen Gesichtspunkt hob Richard von Weizsäcker schon 1985 hervor.
Angesichts des 17. Juni 1953 in der DDR lasse ich an dieser Stelle offen, ob der 8. Mai 1945 wirklich für alle Deutschen eine Zäsur mit einer anschließenden Entwicklung zu einem freiheitlich-demokratischen System war.
Auch mit Blick auf die politische Entwicklung Osteuropas in der Nachkriegszeit kommen mir Zweifel. Wie wurde mit dem Bestreben nach freier Entfaltung der Person in Ungarn 1956 oder beim Prager Frühling 1968 umgegangen? - Ich vermag daher zunächst keine direkte Entwicklungslinie vom 8. Mai 1945 hin zu einer allgemeinen Durchset
Als Leitdatum für eine friedliche und freiheitliche Entwicklung aller Staaten in Europa sehe ich vielmehr die Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1. August 1970 in Helsinki. Hierin haben die 35 Staaten beider Blöcke unter Einschluss der USA und der UdSSR verpflichtende Aussagen zum friedlichen Zusammenleben und zu elementaren Grundfreiheiten getroffen.
Die unterzeichnenden Staaten verpflichteten sich in dieser Absichtserklärung zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen und zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Außerdem wurde die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt vereinbart.
Unter den zehn tragenden Strukturprinzipien ist an siebenter Stelle ausdrücklich die staatlicherseits geschuldete Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten verbrieft. Diese Selbstverpflichtung der Staaten stellt für Gesamteuropa die Basis dar, auf der die Grenzöffnung im Jahr 1989 zwischen Österreich und Ungarn möglich wurde.
Mit der Schlussakte von Helsinki wurde der Anfang vom Ende einer starren Blockbildung gesetzt und einer freiheitlich-demokratischen Entwicklung in ganz Europa die Bahn gebrochen. Dieser Tag mit der Festschreibung heute noch wegweisender Ordnungsprinzipien für das friedliche Zusammenleben der europäischen Völker in Form einer Selbstverpflichtung der Unterzeichnerstaaten erscheint mir noch viel eher zu einem gesamteuropäischen Gedenken geeignet. Diesbezüglich besteht wirklich Anlass zum Feiern, auch im gesamten Europa.
In der DDR war der 8. Mai in der Zeit von 1950 bis 1966 gesetzlicher Feiertag. In ihrem Selbstverständnis als erster Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden hat sich die DDR durch die Erklärung zum staatlichen Feiertag auf die Seite der Siegermächte gestellt; Sie haben es in Ihrer Rede angedeutet.
Umso verwunderlicher ist es, dass diese politische Auffassung zumindest an dieser Stelle nicht bis zum Schluss aufrechterhalten wurde. Im Zuge der Einführung einer Fünf-Tage-Arbeitswoche wurde dieser arbeitsfreie Tag und Feiertag durch § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Einführung der FünfTage-Woche vom 3. Mai 1967 nämlich abgeschafft. Nur 1975 und 1985 hat die DDR noch zweimal des militärischen Sieges der Alliierten über den Sieg des Nationalsozialismus gedacht.
Eine zweite inhaltliche Frage betrifft die Tatsache, dass doch wohl Gesamtdeutschland dieses Sieges über den Nationalsozialismus gedenken müsste.
Ein Antrag, der nur Sachsen-Anhalt den 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag mit Arbeitsruhe erklären würde, würde verkennen, dass Gesamtdeutschland vom Nationalsozialismus durch die militärische Niederlage des Hitler-Regimes befreit wurde.
Daher ist die Linksfraktion augenscheinlich auch meiner Ansicht, dass sich Gesamtdeutschland an dieses Datum erinnern sollte, weil ein entsprechender Antrag der Linksfraktion im Plenum des Deutschen Bundestages unter dem Datum des 15. März 2015 zur Beschlussfassung eingereicht wurde.
Ein dritter Aspekt betrifft die Tatsache, dass der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog mit seiner Proklamation vom 1. Januar 1996 bereits den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erklärt hat.
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
Dieses Datum erscheint mir insoweit geeigneter, an das unsägliche Leid von unschuldig Verfolgten - Sie haben die Gruppen genannt - im Nationalsozialismus zu erinnern. Deshalb werden jedes Jahr am 27. Januar auch vor Amtsgebäuden die Flaggen auf Halbmast gesetzt. Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch russische Truppen stellt einen viel besseren Anlass zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus dar, als dies der 8. Mai isoliert leisten kann.
Die Leidensgeschichte der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft lässt sich an diesem - allerdings nicht arbeitsfreien, weil dazu dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehlt - Gedenktag viel eindringlicher an den auch in Sachsen-Anhalt vorhandenen Erinnerungsorten wie die Feldscheune Isenschnibbe oder Langenstein-Zwieberge darstellen. Hier wird das Leid im wahrsten Sinne des Wortes manifest und auch erfahrbar, im Gegensatz zu einer eher völkerrechtlich zu wertenden bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, die den Krieg beendete.
Aus der Sicht der Landesregierung besteht daher kein Anlass, den 8. Mai zusätzlich zu einem regional begrenzten arbeitsfreien Gedenktag zu erklären. In diesem Zusammenhang fehlt aus meiner
Volksfeste und Tanzlustbarkeiten würden sich meiner Auffassung nach schlecht mit dem Anlass des Gedenkens an den 8. Mai vertragen.
Einer bundespolitischen Debatte darüber, ob der 8. Mai bundesweit zum Feiertag erklärt werden sollte, sehe ich aber mit Spannung entgegen. Dem von der Linksfraktion eingereichten Antrag folgen wir daher aus der Sicht der Landesregierung nicht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. Mai 1945 ging das sogenannte Dritte Reich, das nationalsozialistische Deutschland, unter; es wurde besiegt.
Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 gewann die NSDAP mit 37 % vor der SPD mit 21 %. Die antiparlamentarischen Parteien wie KPD, NSDAP und DNVP verfügten über die Mehrheit. Der Reichstag konstituierte sich am 30. August. Dort bringt die kommunistische Alterspräsidentin Clara Zetkin ihre Hoffnung zum Ausdruck, demnächst als Alterspräsidentin den ersten Rätekongress Sowjetdeutschlands zu eröffnen. Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. Das war keine Revolution,
Die parlamentarische Demokratie und die Republik blieben auf der Strecke, weil zu wenige bereit waren, sie zu verteidigen.
Im bereits seit 1932 nationalsozialistischen Land Anhalt beschließt die NSDAP-Mehrheit im Stadtrat von Dessau schon 1932, dass das Bauhaus seinen Lehrbetrieb einstellen muss. Die KPD stimmt dagegen, die SPD enthält sich der Stimme.