Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Mit 8 : 3 : 1 Stimmen wurden die Ihnen in der Drs. 6/4183 vorgelegte Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf sowie die empfohlene Entschließung beschlossen.

Im Namen des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Borgwardt, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Professor Dr. Kolb.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht, ist ein weiterer Baustein in einem längerfristig angelegten umfassenden Prozess zur Umgestaltung der Landschaft des Justizvollzugs in Sachsen-Anhalt.

Die Landesregierung hat den Gesetzentwurf am 27. Januar dieses Jahres beschlossen. Wir haben in den letzten sechs Monaten intensive Gespräche dazu geführt. Wir haben aber schon viel länger über dieses Thema diskutiert. Wir haben uns intensive Gedanken darüber gemacht, wie wir den

Strafvollzug in Sachsen-Anhalt strukturell und inhaltlich in Zukunft gestalten wollen.

Wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht. Das ist im Rahmen der Berichterstattung schon dargestellt worden.

Im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf gab es unterschiedliche Auffassungen. Wir haben gemerkt, wie schwierig es ist, Akzeptanz für Strukturänderungen in unserem Land zu finden. Das gilt eben auch für die Schließung des Standortes einer Justizvollzugsanstalt in Sachsen-Anhalt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das die richtige Entscheidung ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal betonen, dass diese Entscheidung nichts mit der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu tun hat. Bei ihnen möchte ich mich ausdrücklich noch einmal bedanken für ihre engagierte Arbeit im Interesse der Behandlung der Gefangenen.

Wenn man sich die Entwicklung der Gefangenenzahlen in Sachsen-Anhalt anschaut, muss man feststellen, dass wir derzeit 1 000 Gefangene weniger haben als vor zehn Jahren. Die jüngsten Prognosen zeigen, dass es im Moment keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Gefangenenzahlen in den nächsten Jahren wieder nach oben entwickeln werden. Das heißt, wir haben heute schon unbesetzte Haftplätze, die Geld kosten. Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir die Ressourcen für den Strafvollzug in Zukunft effizienter einsetzen wollen.

Ich betone es an dieser Stelle noch einmal: Wir wollen inhaltlich einen besseren Strafvollzug. Wir wollen in Zukunft mehr Behandlungs- und Therapieangebote, vollzugsöffnende Maßnahmen sowie ein gutes Übergangsmanagement.

(Zustimmung bei der SPD)

Das steht leider heute hier noch nicht zur Debatte. Wir sind nach der Anhörung, die am 19. Juni 2015 stattgefunden hat, im Rechtsausschuss dabei, inhaltlich über den Entwurf für ein Justizvollzugsgesetzbuch für Sachsen-Anhalt zu diskutieren.

Die Anhörung hat mir gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber uns ist in den Diskussionen eben auch bewusst geworden, dass mehr Behandlungen, Therapien und Unterstützungsmöglichkeiten mehr Personal bedeutet. Wir müssen also zunächst die Struktur so gestalten, dass wir die heute schon zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür nutzen können.

Wir haben uns im Rahmen einer intensiven Diskussion entschieden, am Standort Dessau-Roßlau in Zukunft weiter Strafvollzug zu betreiben. Es wird

auch in Zukunft eine Abteilung des offenen Vollzuges am Standort geben. Das dient insbesondere einer besseren Resozialisierung und Wiedereingliederung der Gefangenen.

Wir haben uns - das sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich - bewusst für die Weiterentwicklung des Justizstandortes am Oberzentrum Dessau-Roßlau entschieden. Deshalb sollen dort in Zukunft die zentrale Beschaffungsstelle und die Schlosswerkstatt des Landes etabliert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben aus unserer Sicht mit diesem Gesetzentwurf die Voraussetzungen für die Umgestaltung des Justizvollzugs zum modernen Behandlungsvollzug geschaffen. Das ist einer der politischen Schwerpunkte der letzten Jahre. Wir wollen mit einer erfolgreichen Resozialisierung die Bedingungen für eine weitere Senkung der Rückfallquote schaffen. Denn eine Senkung der Rückfallquote bedeutet, es gibt weniger Opfer von Straftaten und mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Dazu haben wir in den letzten Jahren einiges auf den Weg gebracht. Konkrete Verbesserungen sind - ich möchte hier beispielhaft die Umgestaltung im Bereich der Sicherungsverwahrung nennen - das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz und die Einrichtung einer Jugend-Sotha.

Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem modernen Strafvollzug.

Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als erste Debattenrednerin spricht Frau von Angern für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nun ist es am 1. Oktober dieses Jahres so weit: Das Vorhaben, das die Landesregierung bereits zu Beginn der Wahlperiode ankündigt hat, namentlich die JVA-Strukturreform, geht mit der Schießung der JVA Dessau, zumindest hinsichtlich des geschlossenen Vollzuges, in die nächste Etappe.

Bereits zu Beginn der Wahlperiode - ich erinnere Sie gern daran, dass auch zu dieser Zeit bereits eine Koalition aus CDU und SPD bestand - diskutierten alle Fraktionen dieses Hauses zunächst mit der Arbeitsebene des Justizministeriums über den Rückgang der Zahl der Gefangenen entgegen früherer Erwartungen und Prognosen, über die

bestehenden gravierenden Personalprobleme und über einen möglichen Drei-Standorte-Vollzug in Sachsen-Anhalt.

Eben weil die Diskussionen inhaltlich schon sehr konkret geführt worden sind und eben weil man im parlamentarischen Raum durchaus den Eindruck haben konnte bzw. haben musste, dass das alles ernst gemeint war, forderte meine Fraktion schon frühzeitig, den zweiten nicht vor dem ersten Schritt zu machen.

Wir forderten zunächst, vorrangig über Inhalte zu reden. Wir forderten eine Verständigung darüber, wie der Strafvollzug in Sachsen-Anhalt in Zukunft modern und mit einem vorrangigen Resozialisierungsziel konzeptionell ausgestaltet werden kann und muss. - Aber weit gefehlt; das Pferd wurde vom Schwanz aus aufgezäumt.

Wir hielten und wir halten es nach wie vor für einen gravierenden Fehler, dass dieses Hohe Haus erst über die Strukturen und dann über Inhalte, namentlich in Form des vorliegenden und noch zu beschließenden Strafvollzugsgesetzbuches, diskutiert und entscheidet.

Genau genommen sollte vor der Strukturentscheidung noch eine weitere Entscheidung fallen, nämlich die Entscheidung darüber bzw. die Antwort auf die Frage: Wie viel Personal müssen, können und wollen wir uns im Strafvollzug leisten bzw. wie viele Strafvollzugsbedienstete brauchen wir tatsächlich, um einen Strafvollzug zu gestalten, der den modernen Anforderungen an einen Resozialisierungsstrafvollzug gerecht wird?

Nicht mehr und nicht weniger können im Übrigen auch die Bürgerinnen und Bürger von SachsenAnhalt von uns verlangen, die verständlicherweise auch ein großes Interesse an ihrer Sicherheit haben. Doch davor haben wir uns alle mit jedem Haushaltsbeschluss in diesem Haus gedrückt, auch die Ministerin, für die die Zahlen des Personalentwicklungskonzepts stets das Nonplusultra waren. Quasi ist die Entscheidung damit sehr wohl gefallen.

Die Ministerin hat trotz anders lautender Darstellungen gegenüber der Enquete-Kommission der letzten Wahlperiode das Personalentwicklungskonzept im Kabinett abgenickt und hat, obwohl der Schuh massiv drückte und drückt, was insbesondere in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf seitens der Bediensteten deutlich gemacht wurde, das PEK zu keiner Zeit ernsthaft infrage gestellt.

(Zustimmung von Herrn Wunschinski, CDU)

Auch die Rufe aus den Koalitionsfraktionen verhallten im Nichts. Der Neueinstellungskorridor für die nächsten Jahre wird das Problem nicht lösen. Zu lange ist gewartet worden. Zu hoch ist der Altersdurchschnitt im allgemeinen Vollzugsdienst.

Zu hoch sind die Belastungen und die damit einhergehenden Krankentage bzw. Schichtuntauglichkeitsmeldungen.

Diese Last haben vor allem die Bediensteten allein zu tragen. Wer die letzte Anhörung noch einmal in Ruhe Revue passieren lässt, der bemerkt schnell, dass es nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf ist.

Das ist im Übrigen auch der Grund, warum ich meiner Fraktion letztlich empfohlen habe, diesem Gesetzentwurf trotz fachlicher Zweifel zuzustimmen. Es ist eine Zustimmungsempfehlung mit erheblichen Bauchschmerzen. Nicht jede und jeder in meiner Fraktion kann diese Zustimmung am heutigen Tag teilen. Es gibt jedoch aus meiner Sicht keine andere Möglichkeit, um für einen gewissen Zeitraum - es ist eben nur ein gewisser Zeitraum - eine Entlastung für die Bediensteten zu schaffen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, dafür tragen vor allem Sie, aber auch der Ministerpräsident dieses Landes die Verantwortung. Denn Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, verkündeten in Ihrer Regierungserklärung im Jahr 2014 noch vor der Sommerpause, dass am Ziel der Landesregierung, dem Drei-Standorte-Vollzug, festgehalten werde.

Doch Sie haben es tatsächlich fertig gebracht, Ihren Gesetzentwurf hierzu erst nach dem letzten regulären Haushalt dieser Koalition in der Wahlperiode einzubringen. Daher war schon zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar, dass dieser Gesetzentwurf diesen Landtag nicht so verlassen wird, wie er hineingekommen ist, dass dieses Thema zum Spielball der Koalition wird.

Sehr geehrte Koalitionäre, Sie haben mit diesem Trauerspiel einmal mehr gezeigt, dass diese Koalition ausgedient hat, weil sie diesem Land und seinen Menschen keine langfristigen Perspektiven aufzeigt.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Ach!)

Und ja, das lässt sich eben auch an einer Entscheidung wie dieser über eine Schließung eines Gefängnisses festmachen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion stellt bekanntermaßen nicht die Regierung. Daher kann ich schon jetzt offen darstellen, dass aufgrund der dargelegten Bedenken nur ein Teil meiner Fraktion dem Gesetzentwurf heute zustimmen wird. Es wird darüber hinaus Gegenstimmen und Enthaltungen geben. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin von Angern. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau von Angern, die Koalition hat es sich mit dem Gesetzentwurf nicht leicht gemacht. Schließungen sind nicht populär. Das trifft für viele Strukturveränderungen zu, auch im Bereich des Justizvollzugs, wenn wir in diesem Hohen Hause über die Schließung von Haftanstalten reden müssen.

Dass betroffene Abgeordnete dazu eine andere Meinung haben, ist nachvollziehbar. Dass diejenigen, die von den Veränderungen unmittelbar vor Ort betroffen sind, die Schließung kritischer sehen und zunächst gewissermaßen ihre eigene Situation vor Augen haben, ist keine neue Erfahrung. Dennoch - das will ich sagen -, diese Schließung ist unabdingbar - die Ministerin hat es ausgeführt -, weil die personelle Situation so ist, wie sie ist.

Das bedeutet nicht - ich wiederhole das, was ich in der ersten Lesung gesagt habe -, dass in Dessau keine sehr gute Arbeit im Vollzugsdienst geleistet worden sei, gerade was die Nutzung örtlicher und regionaler Verbindungen anbelangt, um die Resozialisierung voranzutreiben.