Gerade die genannten Beispiele auf dem Betreuungsgerichtstag bestätigen, dass viele eskalierende Fälle, bei denen es schließlich zu einer Einweisung nach dem PsychKG gekommen ist, hätten vermieden werden können, nämlich genau dann, wenn bereits bei ersten Anzeichen eines Problems Hilfen angeboten worden wären.
Drittens ist uns daher die Psychiatrieplanung ganz besonders wichtig, die Bestandteil des vorliegenden Entwurfes ist, und das nicht nur, weil dies seit vielen Jahren auch vom Psychiatrieausschuss nachdrücklich eingefordert wird. Die in diesem Zusammenhang beschriebene Einführung von Psychiatriekoordinatorinnen und die Einrichtung von gemeindepsychiatrischen Verbünden auf kommunaler Ebene sind eine sinnhafte Verbesserung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch kurz einige offene Problempunkte und Fragen benennen, die spätestens in einer Ausschussanhörung mit Fachleuten zu erörtern wären. Wie lösen wir die Probleme bei der Behandlung somatischer Krankheiten, die in den psychiatrischen Einrichtungen nicht mitbehandelt werden können? Sowohl ehrenamtliche als auch Berufsbetreuerinnen haben uns von diesen Problemen in der Praxis berichtet.
Wann und in welcher Form werden notwendige Veränderungen auch auf der Bundesebene vollzogen? Gemeint ist hierbei insbesondere das Betreuungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Ein weiteres Problem: Welche weiteren Maßnahmen sind neben der Gesetzesnovellierung zu ergreifen, um im Sinne des Werdenfelser Weges die Anwendung von Fixierungen und freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Gurte, Bettgitter, Vorsatztische oder das Einschließen drastisch zu reduzieren?
Uns allen ist hoffentlich klar: Menschenrechte sind auch in diesem Fall nicht zum Nulltarif zu haben. Wir brauchen einen entsprechenden Aufwuchs bei den Haushaltsmitteln. Im Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde der Bedarf auf etwa 560 000 € pro Jahr und auf zusätzlich einmalig 280 000 € zum Aufbau der gemeindepsy
chiatrischen Verbünde beziffert. Wie genau diese Berechnung ist, muss am Ende ebenfalls geprüft werden.
Was nicht infrage zu stellen ist, ist, dass wir eine verfassungskonforme Gesetzgebung brauchen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist für die Diskussion auf dem Weg dahin eine gute Grundlage. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Zoschke, Sie haben, wenn ich richtig hingehört habe - das muss ich einschränkend sagen -, gesagt, bei ersten Anzeichen von psychischen Problemen sollen Hilfsangebote unterbreitet werden. Das klingt für mich logisch. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Auf welchem Wege wollen wir erste psychische Probleme bei Menschen erkennen? Es sei denn, sie sind ohnehin in medizinischer Behandlung und dabei werden die Probleme erkannt. In diesem Fall wird aber doch Hilfe angeboten. Können Sie mir erklären, was Sie mit dem relativ allgemeinen Satz gemeint haben und wie das konkret funktionieren soll?
Herr Hövelmann, psychisch Kranke sind zum Beispiel auch diejenigen, die einer Sucht unterliegen. Ich glaube, wir verschließen sehr oft die Augen davor. Ich denke nur an den lockeren Ausspruch: Ein Gläschen in Ehren kann keiner verwehren. Ich finde, auch in solchen Fällen sollte man tatsächlich Hilfsangebote leisten, und dabei ist durchaus auch die Zivilgesellschaft gefragt und nicht erst der Arzt. Man sollte sie vielleicht tatsächlich an die Hand nehmen und einer ordentlichen Hilfe zu führen. - Das ist das eine.
Das andere ist: Ich glaube, gerade mit Blick auf das, was zurzeit an Krankheiten im psychischen Bereich festgestellt wird, und auf die Ursachen für solche Krankheiten kann die Zivilgesellschaft im Vorhinein schon eine ganze Menge tun, bevor es dann zur akuten Erkrankung kommt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Auch wir als SPD-Fraktion sind wie unser Minister der Ansicht, dass eine Neufassung des Gesetzes über Hilfen für psychisch Kranke, kurz PsychKG genannt, dringend geboten ist. Unsere Fraktion beschäftigt sich schon länger mit der Novellierung des PsychKG in Form von Datensammlungen, fachlichem Austausch mit dem Ministerium und auch mit unseren Fachkollegen in den anderen Bundesländern. Natürlich werden wir uns auch über die Ergebnisse der zurzeit arbeitenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Maßregelvollzugs berichten lassen
Den Ausführungen des Ministers bezüglich zeitlicher Abläufe und der Dauer der Beratung zu dem Gesetzesentwurf der GRÜNEN schließe ich mich an.
Als langjähriges Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung Sachsen-Anhalt habe ich mich natürlich den drängenden Fragen der Kollegen dort zu stellen. Das tue ich auch. Ich will nicht verhehlen, dass es dabei noch nicht gelungen ist, im Hinblick auf eine mögliche Novellierung in allen Punkten Übereinstimmung zu erzielen. Die im April durchgeführte Frühjahrssitzung des Ausschusses, die sich ausschließlich mit diesem Thema befasst hat, habe ich leider aufgrund des Bahnstreiks nicht mehr erreicht.
Ein Dissenspunkt ist die gesetzliche Verankerung der Psychiatrieplanung auf Landesebene. Für mich ist aber gerade das vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der allgemeinen Zunahme psychischer Erkrankungen einer der wichtigsten Punkte.
Der Psychiatrieausschuss weist bereits seit vielen Jahren darauf hin, dass wir neben der teilweisen Planung innerhalb anderer Regelungsbereiche, wie der Krankenhausplanung, dem Programm zur Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe oder dem Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, eine zusammenhängende Psychiatrieplanung bräuchten.
Ein modernes PsychKG muss Rahmenbedingungen für eine gemeindenahe und bedarfsgerechte Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen vorgeben. Eines bleibt dabei aber festzuhalten: Psychiatrische Versorgung ist Aufgabe der Krankenversorgung und
ist gleichzeitig Daseinsvorsorge. Somit wird eine Psychiatrieplanung nur in der Zusammenarbeit der verschiedenen Regelungsbereiche und aller an der Versorgung von Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen Beteiligten effektiv gestaltbar sein, und das auch nur bei Einsicht aller in die Notwendigkeit dessen.
Gleiches gilt übrigens auch für die Bestellung von Psychiatriekoordinatoren in den Landkreisen und kreisfreien Städten und die Errichtung von gemeindepsychiatrischen Verbünden. Ich kann das sagen. Ich komme aus dem Saalekreis, wir haben beides, auch ohne Landesvorgaben und Geld von oben.
Ein Aspekt bei der Novellierung liegt mir persönlich sehr am Herzen und ich werde mich nachdrücklich dafür einsetzen. Es geht mir um die Verankerung der Besuchsrechte der Kommissionen in Einrichtungen der stationären und ambulanten Altenpflege im Gesetz. Diese Einrichtung betreuen viele Menschen mit gerontopsychiatrischem Pflegebedarf. Ich habe die Besuche in diesen Einrichtungen immer als bereichernd empfunden. Gerade im Zuge der Ambulantisierung der Pflege- und Betreuungsangebote ist die Begleitung durch den Psychiatrieausschuss außerordentlich wichtig.
Der Vorzug der Besuchskommissionen ist es nämlich, Personen unterschiedlichster Profession dabei zu haben: Psychiater und Psychologen, Richter, Einrichtungsträger und auch Politiker und andere.
Da es den ausdrücklichen Hinweis auf das Besuchsrecht im Gesetz nicht gibt, haben sich Träger von Pflegeeinrichtungen erfolgreich gegen die Besuche der Kommissionen verwahrt. Deshalb müssen wir das im Interesse der Bewohner dieser Einrichtungen ändern.
Lassen Sie uns also gemeinsam an diesem und anderen Punkten intensiv arbeiten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Dr. Späthe. - Jetzt spricht Frau Wicke-Scheil für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte gern auf das eingehen, was meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben. Herr Minister, dazu, dass wir das jetzt erst einbringen: Wir wollten Ihnen die Möglichkeit geben, dass der Vorschlag aus dem Ministerium kommt; denn Sie
Auch wenn wir im Jahr 2010 nicht im Landtag waren, kann ich feststellen: Auch damals haben Sie gesagt: Das ist zu spät für diese Legislaturperiode; wir machen es nach der Wahl. Im Jahr 2011 war die Wahl. Jetzt haben wir das Jahr 2015 und die Argumentation ist wieder die gleiche: nicht in dieser Legislaturperiode. Wie oft wollen Sie das diesen Leuten noch sagen?
Sie fragten, ob die Politik etwas gegen die Stigmatisierung tun kann. Ja, genau. Mit der Auflage eines neuen Gesetzes kann man etwas gegen die Stigmatisierung tun, nämlich niedrigschwellige Angebote, Psychiatrieplanung, Leute, die sich mit dieser Thematik auskennen, Psychiatriekoordinatorinnen und -koordinatoren. Genau dort setzt es an, dass die Politik auch etwas gegen Stigmatisierung tun kann.
Zur Psychiatrieplanung: Es hat bis 1996 einen Psychiatrieplan in Sachsen-Anhalt gegeben, den hätte man nur fortschreiben müssen. Sachsen hat gezeigt, dass es geht.
Sie müssen sich auch im Hinblick auf die Zitate, die ich aus dem Psychiatrieausschuss gebracht habe, die Frage gefallen lassen: Wie ernst nehmen Sie Ihre Gremien eigentlich? Die sind doch nicht nur dazu da, um dort hin und wieder einmal aufzutauchen und Kritikpunkte in den Einrichtungen anzubringen. Deren Kritik, auch am Ministerium, ist berechtigt. Das müssen Sie ernst nehmen.
Ich habe nur aus dieser Legislaturperiode zitiert. Sie können sicher sein, ich habe auch die Berichte der vorhergehenden Legislaturperiode gelesen. Auch darin ist die Kritik enthalten.
Herr Schwenke, zu dem Thema ärztliche Sicht versus Freiheitsrecht. Genau deshalb wollen wir in den § 8 den Punkt Beratung hineinnehmen. Diese Diskrepanz zwischen ärztlicher Sicht und Freiheitsrecht entsteht häufig dadurch, dass keine grundlegende Beratung erfolgt. Hierbei haben wir schon diese Diskrepanz im Auge gehabt.
Frau Dr. Späthe sprach von dem Austausch mit anderen Ländern. Ja, auch wir haben uns mit anderen Ländern ausgetauscht. Ich gebe zu, das war Baden-Württemberg. Wir möchten eben nicht, dass es ein Vorteil ist, in einem grün-rot regierten
In diesem Psychiatrieausschuss, Frau Dr. Späthe, würden wir neben den von Ihnen benannten auch gern noch die Psychiatrieerfahrenen und die Angehörigen der Psychiatrieerkrankten gesetzlich verankert sehen wollen.