Danke schön, Kollegin Schindler. - Wir haben im Ältestenrat eine gemeinsame Einbringung und eine verbundene Debatte zu beiden Beratungsgegenständen beschlossen. Für die Landesregierung spricht nunmehr Herr Minister Möllring.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Schindler hat eben schon auf die große Zahl von Flüchtlingen hingewiesen. Die bisher zu uns gekommenen Menschen sind auf übergroße Hilfsbereitschaft und Unterstützung der Bevölkerung getroffen. Ziel unserer Anstrengungen muss es ein, den Menschen angesichts des bevorstehenden Winters kurzfristig eine gesicherte Unterbringung zu schaffen.
Deshalb ist es außerordentlich zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit einem im August 2015 erlassenen Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechtes im Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen den Raum für ein schnelles, aber auch rechtssicheres Handeln geöffnet und eine Erleichterung des Vergaberechtes geschaffen hat. Daher ist es geboten, dass auch entsprechende Erleichterungen beim Landesvergabegesetz in Sachsen-Anhalt vorgesehen werden, um der momentanen Situation gerecht zu werden.
Ich bin daher den Koalitionsfraktionen von CDU und SPD außerordentlich dankbar, dass sie mit der parlamentarischen Initiative Erleichterungen im Vergabegesetz des Landes schaffen wollen, und schließe mich dem Wunsch von Frau Schindler an, dass es möglichst schnell beraten und abgeschlossen wird. - Danke schön.
Danke schön, Herr Minister Möllring. - Wir treten in die Aussprache ein. Als Erster spricht für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Henke.
im Moment noch immer nicht die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung. Ich spreche zunächst zum Gesetzentwurf.
Ich erinnere an unsere Grundsatzkritik von vor zwei Jahren - Sie haben das bereits ausgeführt - auch deswegen, weil dieses ohnehin recht windelweiche Vergabegesetz kaum Wirkungen zeigt.
Das Zweite: Unsere Fraktion sieht hierin auch die große Gefahr, dass dieses Unterbringungsthema, genau wie bei der Hochwasserbekämpfung vor zwei Jahren, von Gegnern fairer Wettbewerbsregelungen mit sozialpolitisch gerechter Orientierung als Argument, als Vorwand zu deren Abbau missbraucht werden kann. Ich sage das so: kann.
Ich sage auch das ganz deutlich: Wir hören es doch schon! Es wabert doch schon durch die Flure, Überlegungen anzustellen, wo gesagt wird, ja, wenn denn unsere Flüchtlinge und Asylbewerber irgendwann hier einmal eine Arbeitserlaubnis bekommen, dann sollen sie doch vom Mindestlohn ausgenommen werden. - Was ist denn das für eine Gerechtigkeitsvorstellung? Ja, so etwas gibt es schon. Und wir möchten vor den Anfängen warnen.
Beispielhaft genannt seien hier die heutigen Formulierungen auch in den Nachrichten zum Vergabegesetz. Es wird dargestellt, als wäre nur das Vergabegesetz das Grundproblem bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Das ist doch gar nicht wahr! Wir kennen es doch alle aus unseren Kommunen; es sind doch ganz andere Probleme, die dort bestehen.
Und, sehr geehrte Frau Schindler, Sie haben es erwähnt: Vor genau zwei Jahren wurde die Ausnahmeregelung nicht ohne Grund befristet. Eine qualifizierte Auswertung der Wirkungen dieser Ausnahme liegt mir bis heute nicht vor. Es gibt keine Grundlage für eine pauschale Argumentation, dass man hiermit sogenannten Behinderungen bei Auftragsvergaben ausweichen könnte.
Auf den gestrigen ARD-Beitrag zu diesen gewinnsüchtigen Abzockereien bei der Unterbringung von Menschen in Not sei ergänzend verwiesen. Denn hieran zeigt sich, was durch korrekte Angebotsprüfungen vor den Vergaben von Versorgungsleistungen und Unterbringungsverträgen an zusätzlichen Entwürdigungen vermeidbar ist.
Nun zum Antrag. Frau Schindler und Herr Minister Möllring haben darauf hingewiesen, dass es hierfür Vorbilder gibt. Ich möchte daran erinnern, dass DIE LINKE die Notwendigkeit der Änderung damals auch abgelehnt hat. Die damaligen Kernforderungen, die unsere Fraktion zum Beispiel in
einem Antrag im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft im Juni 2013 formuliert hat, finden sich jetzt wörtlich in Ihrem Antrag wieder. Aber, Herr Minister Möllring, ich frage tatsächlich: Warum muss die Landesregierung zu diesem Thema erst durch eine Landtagsinitiative aufgefordert werden, und dann noch pikanterweise von der SPD-Fraktion?
Das wäre doch alles schon vor Monaten möglich gewesen. Sie sagen doch selbst, es ist doch im Prinzip kein Problem. Sie haben das Rundschreiben der Bundesregierung genannt. Sie haben auch selbst in Ihrem Bericht zur Beschlussrealisierung in der Drs. 6/2444 sinngemäß gesagt: Alles kein Problem, machen wir längst, wir machen sogar viel mehr. Darum habe ich gedacht, dass würden Sie heute auch wieder sagen. Ich bin ein bisschen enttäuscht, lieber Herr Möllring, ich habe gedacht, Sie sind schon fleißig am Arbeiten.
Die Fraktion DIE LINKE wird demzufolge der Gesetzesüberweisung zustimmen und auch den Antrag befürworten. Beide schaden nicht, liebe Frau Schindler, auch wenn man mit leichtem Stirnrunzeln so ein bisschen Ihnen gegenüber als Initiatorin sagen muss, das hat auch so einen kleinen Ruch nach Aktionismus. Den brauchen wir jetzt gerade nicht.
Ich stimme Ihnen auch zu, dass wir in der Beratung zum Gesetzesentwurf noch ein wenig nachsteuern müssen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen, dass Sie die klare Abgrenzung von Katastrophenfall vorgenommen haben. Das ist unbedingt nötig. Darin sind wir uns absolut einig.
Zur Klarstellung: Wenn die Fraktion DIE LINKE doch einige Bedenken und Einwände vorgetragen hat; sprechen wir nicht von einer Nebelwand, die hier aufgemacht werden wird. Die wirklichen Voraussetzungen bei der Unterbringung von notleidenden Menschen liegen nicht im Vergabegesetz, aber wir werden das Anliegen unterstützen. - Herzlichen Dank.
Nachfragen sehe ich nicht. Dann fahren wir fort in der Aussprache. Für die Fraktion der CDU spricht nun der Abgeordnete Herr Thomas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist richtig, wir rufen das Vergabegesetz in der aktuellen Legislaturperiode zum dritten Mal auf, einmal bei dem eigentlichen Beschluss, einmal zum Thema Fluthilfe und heute zum Thema Flüchtlingshilfe.
Ich möchte heute nicht der Versuchung erliegen, mich noch einmal grundsätzlich zum Vergabegesetz zu äußern. Ich möchte auch nicht der Versuchung erliegen zu sagen, dass es vielleicht besser wäre, diesen ganzen Prozess mit einer Ministerermächtigung, den wir gerade wieder durchlaufen, nicht immer wieder zu erleben.
Ich möchte auch nicht der Versuchung erliegen, Kollege Henke, das alles wieder zu zerreden. Ich möchte im Sinne jener Menschen, die Hilfe brauchen durch entsprechende Baumaßnahmen und darüber hinaus durch Dienstleistungen, dass die Aufträge schnell an den Mann kommen und wir schnell praktische Hilfe leisten.
Deswegen möchte ich meine Rede so halten, wie ich mir die Verfahren der Vergabe öffentlicher Verträge wünsche, nämlich kurz, und bitte Sie deshalb um die Überweisung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft. - Vielen Dank.
Auch hierzu gibt es keine Nachfragen. Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Meister.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist unser gemeinsames Anliegen, den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, auch in Sachsen-Anhalt eine sichere Zuflucht zu bieten. Dass dies aufgrund der Anzahl der Flüchtlinge eine große Herausforderung ist, erfahren die Landkreise und Kommunen jeden Tag.
Die aktuelle Situation ist von einer starken Dynamik geprägt. Gingen wir Anfang des Jahres noch von 8 000 Menschen aus, die wir in SachsenAnhalt in diesem Jahr aufnehmen werden, so rechnen wir jetzt bereits mit 30 000 Menschen. Wir stehen als Gesellschaft vor der großen und langfristigen Aufgabe der Integration; einer Aufgabe, die uns über lange Zeiträume intensiv beschäftigen und fordern wird.
Ganz kurzfristig müssen wir aber die sofortige Hilfe organisieren und eine Vielzahl schlicht logistischer Probleme bewältigen, um unsere humanitären Verpflichtungen zu erfüllen.
In dieser ungewöhnlichen Situation benötigen die in der Flüchtlingsarbeit aktiven Haupt- und Ehrenamtlichen unsere Unterstützung, um zeitnah und flexibel erfolgreich agieren zu können. Dazu gehört es auch, durch die angemessene Öffnung der ge
Es ist deshalb gut nachvollziehbar, dass die Landesregierung mit der vorliegenden Gesetzesänderung den Landkreisen und Kommunen die Möglichkeit einräumen möchte, die Beschaffung dringend benötigter Materialien zu vereinfachen und Vergabeverfahren abzukürzen. Allerdings hat Herr Henke Recht: Das zentrale Hindernis ist das Vergabegesetz bei dieser Aufgabe nicht.
Klar sollte sein, dass wir die jetzige Form der Vergabeverfahren, über die so manches Mal bezüglich der damit auch einhergehenden Bürokratie geklagt wird, nicht grundlos haben. Sie sichern faire Vergabeverfahren, wirken gegen Korruption und sollen einen effizienten Einsatz der Haushaltsmittel sicherstellen.
Die Abmilderung der Vergabebestimmung bringt somit auch Probleme mit sich, die man immer mit bedenken sollte. Deshalb sollten die Eingriffe in das Landesvergabegesetz und die Schaffung von Ausnahmetatbeständen eng beschränkt sein.
Wenn wir jetzt, angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation, eine Sonderregelung einführen, sollten wir auch eine zeitliche Befristung in der Regelung vorsehen. Derzeit ist nicht sicher absehbar, welche weiteren Entwicklungen sich ergeben werden. Zumindest nach einem Zeitraum von zwei Jahren sollten wir aber diskutieren, ob die jetzt gewünschte Einschränkung des Vergaberechts dann noch nötig sein wird.
Mir scheint es sinnvoll, eine entsprechende zeitliche Befristung in den Gesetzestext mit aufzunehmen und gegebenenfalls auch dieses Tätigkeitsfeld der öffentlichen Hand wieder in den normalen Geltungsbereich des Vergaberechtes aufzunehmen. Wir werden diese Frage als Fraktion in den Ausschusssitzungen aufwerfen.
Des Weiteren sollten wir uns vergegenwärtigen, dass mit der Auswahl von Betreibern und Dienstleistern auch eine Verantwortung verbunden ist. Die Anbieter müssen in der Lage sein, die von ihnen angebotenen Leistungen auch zu erbringen und ihrer damit verbundenen Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen gerecht zu werden. Dies muss trotz der Vereinfachungen sichergestellt sein.
Dem Antrag der Koalitionsfraktion zur Prüfung der Wirkung bestimmter Erleichterungen werden auch wir zustimmen, den tragen wir mit.
Doch das vorher Gesagte ist nur die Hälfte der Gesetzesänderung; denn quasi in einem Rutsch soll diese Regelung auch für den sogenannten Katastrophenfall gleich mit beschlossen werden. Ein Zusammenhang dieser beiden Problemfelder - ich bin dankbar, dass das hier noch einmal dar
Dieser Vorstoß hat eine Vorgeschichte; auch darauf sind meine Vorredner bereits eingegangen. Um die nach dem Hochwasser 2013 entstandenen Schäden schnell zu beseitigen, wurde vom Landtag am 12. Juli 2013 bereits eine fast gleichlautende Regelung beschlossen. Im Gegensatz zur heute vorliegenden Gesetzesänderung wurde damals die Geltungsdauer der Maßnahme auf ein Jahr begrenzt, und das meiner Meinung nach nicht ganz ohne Grund.
Wie ich den Protokollen entnehmen konnte, hat der Landtag den damaligen Entwurf der Landesregierung gerade dahingehend noch verbessert. Insofern stellt sich die Frage, warum dieser gemeinsam erarbeitete Status wieder aufgeweicht werden soll.
Die zusätzliche Aufnahme des Katastrophenfalls mit einer allgemeinen Formulierung geht meiner Meinung nach über das zu lösende Problem hinaus. Der aktuelle Regelungsbedarf hinsichtlich von Katastrophenfällen ist nicht klar. Er wird auch in der Gesetzesbegründung nicht erläutert.
Keinesfalls darf die ganz normale Katastrophenvorsorge, die zur ganz normalen Daseinsvorsorge gehört, in eine solche Regelung einbezogen werden. Die Katastrophenvorsorge geschieht in normalen Zeiten und erfordert keine Eile und keine Sonderregelungen. Der tatsächliche Einsatz im Katastrophenfall ist dann weniger ein Problem des Vergaberechts.
Welche Zielrichtung hat die jetzt vorgesehene schwammige Regelung? Welche Fälle sollen erfasst werden? Was ist ein Katastrophenfall im Sinne des Gesetzes? Wie unmittelbar muss der Zusammenhang sein? - Sie sprachen das entsprechende Gesetz an.