Danke sehr für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Professor Dr. Kolb.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Überschrift „Ehe für alle“ schon vor der Sommerpause heftig und lebhaft diskutiert. Insoweit wundert es mich, dass die heutige Debatte nicht mehr auf ganz so großes Interesse stößt. Das mag auch daran liegen, dass sich der Antrag mittlerweile erledigt hat.
Der Bundesrat hat am 25. September 2015 mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen, dass durch eine Ergänzung des § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches klargestellt wird, dass auch Frauen- und Männerpaare eine Ehe eingehen können. Ich hatte ausgeführt, dass dieser Gesetzentwurf im Bundesrat die notwendige Mehrheit gefunden hat. Das Land Sachsen-Anhalt hat sich aus in der Koalitionsvereinbarung liegenden Gründen bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Inzwischen ist der Gesetzentwurf vom Bundesrat an den Bundestag weitergeleitet worden und liegt zur weiteren Behandlung und Debatte dort vor.
Ich glaube, ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, dass aus unserer Sicht die Frage der Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare keine Frage von Mehrheiten, sondern eine Frage der Durchsetzung von Menschenrechten ist.
Wir haben dazu intensive Debatten geführt. Die Argumente wurden ausgetauscht. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass auch der viel zitierte Artikel 6 des Grundgesetzes nicht die Ehe von Mann und Frau, sondern allgemein die Ehe unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes stellt. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass aktuelle
Umfragen zeigen, dass sich zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger für eine Öffnung der Ehe für alle aussprechen, ist auch die Politik gut beraten, hierbei aktuelle Entwicklungen aufzugreifen und die gesetzlichen Regelungen so zu gestalten, dass sie verfassungsgemäß sind.
Das gilt insbesondere für den Punkt, über den wir in diesem Zusammenhang immer wieder konkret diskutieren: das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Dass gleichgeschlechtliche Paare keine Kinder adoptieren dürfen, ist eine Ungleichbehandlung. Darüber wird das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf ein noch anhängiges Verfahren irgendwann entscheiden.
Die Frage ist, was der Bundestag jetzt tut, ob er wirklich abwartet, bis das Bundesverfassungsgericht erneut feststellt, was nicht verfassungskonform ist, oder ob der Bundestag die Chance, die er nunmehr hat, nutzt und den Gesetzentwurf aufgreift, um eine aus meiner Sicht reife Entscheidung zu treffen. Die Zeit ist reif, das heißt, wir sollten auch hier die gesetzlichen Regelungen so gestalten, dass sie auf der einen Seite der Wirklichkeit entsprechen und auf der anderen Seite verfassungsrechtliche Grundsätze beachten. - Vielen Dank.
Danke sehr, Frau Ministerin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die vorliegende Beschlussempfehlung sieht vor, unseren Antrag für erledigt zu erklären. Das ist formal richtig, da die Abstimmung im Bundesrat, die mit unserem Antrag beeinflusst werden sollte, bereits am 25. September 2015 - Frau Ministerin hat dazu ausgeführt - stattgefunden hat.
Nicht richtig in der Beschlussempfehlung ist, dass es keinen Widerspruch zu diesem Verfahren gegeben hätte. Es kann in dem entsprechenden Protokoll nachgelesen werden, dass mein Kollege Sören Herbst diesbezüglich sehr wohl Widerspruch angemeldet hat. Nicht alles, was formal richtig ist, ist auch sachlich richtig - aber gut.
Ich kann für meine Fraktion nur sagen: Der Kampf für die Gleichbehandlung von schwulen oder lesbischen, gleichgeschlechtlichen Paaren ist nicht zu Ende. Wir haben eben gehört, dass abzuwarten ist, wie der Bundestag dazu entscheiden wird. Ich glaube, Frau Ministerin, es wird maßgeblich an der SPD liegen. Dafür braucht man nicht eins und eins
Es war klar, dass das, was Rot-Grün damals bezüglich des Lebenspartnerschaftsgesetzes gemacht hat, nur ein Übergangsschritt war, eine rechtspolitische Übergangstechnologie auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichstellung. Es reicht nicht mehr, das Wort „Ehegatte“ durch das Wort „Lebenspartner“ auszutauschen; wir brauchen eine tatsächliche Gleichstellung, und das nicht in Tippeltappelschritten, sondern in einem großen Zug.
Ich hätte mich gefreut, wenn sich das Land Sachsen-Anhalt bei der Abstimmung in die mittlerweile sehr lange Reihe der fortschrittlichen Länder eingereiht hätte. Man kann bei den jetzigen Verhältnissen schon froh sein, dass es immerhin zu einer Enthaltung gekommen ist.
Die Diskussion bzw. Nicht-Diskussion zu dem Thema „Ehe für alle“ in diesem Hohen Haus zeigt uns allen noch einmal sehr deutlich - diese Bemerkung sei mir gestattet -: Augen auf bei der Wahl des Koalitionspartners!
In diesem Sinne ist unser Antrag in den Ausschüssen versenkt worden, das kann man nicht anders sagen. Man hat es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln so weit hinausgezögert, bis man sich jetzt, wie es die Ministerin eben gemacht hat, hinstellen und sagen kann: Es ist schon alles gelaufen; wir hätten ja vielleicht und überhaupt - aber es hat sich ja jetzt erledigt.
Ich möchte für meine Fraktion noch einmal klar und deutlich sagen: Es gibt keine Alternative für die Öffnung der Ehe. Dieses Schieben, dieses Taktieren, dieses Aussitzen in den Ausschüssen in diesem Hohen Haus wird die Entwicklung nicht aufhalten. Das haben wir an anderer Stelle schon gesehen. Ich finde es beschämend, dass sich unser Land hierbei verweigert.
Es gibt keine tatsächlichen Gründe. Wir alle sollten froh sein über jede Partnerschaft, die bereit ist, füreinander in Liebe und Treue Verantwortung zu übernehmen. Das muss vom Grundgesetz geschützt werden. Dabei ist es egal, ob das zwei Frauen, zwei Männer oder ein Mann und eine Frau sind.
Eine Ehe nimmt, egal in welcher Konstellation, keiner anderen Ehe etwas weg. Ich dachte, das hätten wir schon in der Einbringungsrede geklärt.
Auch zum Kindeswohl sind viele Studien vorgelegt worden, ist viel debattiert worden. Ich hoffe, es bleibt uns heute erspart, was uns Frau KochKupfer in der letzten Debatte zugemutet hat. Es ist unsäglich zu unterstellen: Wenn eine Frau allein Verantwortung für ein Kind übernimmt, wenn zwei Männer Verantwortung für ein Kind übernehmen, tun sie dies schlechter als ein Mann und eine Frau zusammen. Die Zahlen der Jugendhilfe zeigen anderes; das kann man sich anschauen.
Im Übrigen ist es einem Land mit Geburtenzahlen, wie sie Deutschland aufweist, höchst angeraten, jegliche Konstellation zu unterstützen, die Verantwortung für Kinder übernehmen will, die in Liebe ein Kind großzieht und ihm damit eine Perspektive gibt.
Das trifft auch auf das gleichberechtigte Adoptionsrecht zu. Auch dabei werden wir nicht ruhig bleiben, nicht nachlassen und dafür kämpfen, bis das erreicht ist.
Eine glückliche Kindheit und die Entwicklung eines Kindes hängen nicht von der sexuellen Orientierung der Eltern ab, sondern von Liebe, Verantwortung und Zuwendung.
Wir brauchen im 21. Jahrhundert in Deutschland keine Sonderrechte mehr. Wir brauchen Gleichstellung auf allen Gebieten. Deswegen ist es klar, dass wir, wie auch im Ausschuss geschehen, dieser Beschlussempfehlung nicht zustimmen werden. - Vielen Dank.
Frau Lüddemann, ich muss einmal nachfragen: Sie erheben also Widerspruch gegen die Beschlussempfehlung, den Antrag für erledigt zu erklären? - Wenn Sie das tun, dann stimmen wir nicht über die Beschlussempfehlung ab, sondern stimmen nach § 29 der Geschäftsordnung über den eigentlichen Antrag ab. Wenn Sie sagen: Na ja, es ist so oder so, auf der einen Seite ist es erledigt, auf der anderen Seite ist es nicht erledigt - - Wenn Sie jetzt Widerspruch gegen die Erledigung erheben, dann werde ich über den Ursprungsantrag abstimmen lassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. August 2001 - ich gehe in der Zeit ein Stück zurück - öffneten viele Standesämter in Deutschland die Tore für gleichgeschlechtliche Paare. Das Lebenspartnerschaftsgesetz trat in Kraft und gleichgeschlechtliche Paare konnten den Bund der Ehe eingehen. - Das war die Illusion. So kam es jedoch nicht. Sie konnten lediglich eine rechtlich anerkannte Verbindung eingehen, eine Verbindung, die zwar Pflichten wie in einer Ehe vorsah, aber leider nicht die gleichen Rechte. Und das ist bis heute so.
Es war auch kein sonderlich guter Start für das Lebenspartnerschaftsgesetz im Jahr 2001; denn schon im Bundesrat blockierten CDU und CSU die wichtigsten Änderungen zum wirklichen Abbau von Diskriminierungen. Das blieb - das muss man sagen - mit der Kanzlerschaft von Angela Merkel von 2005 bis heute so.
In Bezug auf den Abbau von Diskriminierung gegen homosexuelle Paare hat die Bundesregierung nur Löcher in die Luft geguckt. Erst nach mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaftsrecht, zum Steuerrecht und zuletzt zum Adoptionsrecht wurde die Regierung gezwungen, einen verfassungsgemäßen Zustand zu schaffen. Das ist traurig und zeigt an dieser Stelle noch einmal: Es fehlt am Gestaltungswillen und an der notwendigen parlamentarischen Kraft.
Am 27. Mai 2015 hat die Bundesregierung dann den Gesetzentwurf zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner beschlossen. Das war leider auch kein großer Wurf; denn es ging bei diesen Änderungen überwiegend um die Vereinheitlichung von Rechtsordnungen. Mit diesem Gesetz ist es auch nicht gelungen, die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare in anderen Rechtsgebieten - ich denke dabei an das Adoptionsrecht - zu erreichen.