Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

(Zurufe)

Deswegen haben - aber das hat Ihnen wahrscheinlich Ihr Geschäftsführer nicht erzählt - der GBD und Herr Dr. G. sehr genau ausgeführt, warum ein Verzicht nicht zulässig ist. Aber mit solchen Fragen beschäftigen Sie sich nicht, sondern Sie stellen einfach die Behauptung auf, dass wir uns bereichern würden, was völliger Unsinn ist.

(Beifall)

Herr Lippmann möchte jetzt als Fraktionsvorsitzender sprechen. Dann kann er das tun.

Vielen Dank, Herr Präsident. Jetzt haben wir alle anschaulich etwas über unsere neue Geschäftsordnung gelernt, wie das so funktioniert. Das haben wir jetzt verinnerlicht.

Da Kollege Borgwardt schon eine ganze Menge gesagt hat und ich meinem Kollegen parlamentarischen Geschäftsführer nicht vorgreifen will, halte ich es relativ kurz.

Herr Roi, weil es um die Unwahrheiten geht und das, was hier verbreitet wird. Wir hatten zu der Sondersitzung am 30. März 2020 vor, mit einem Gesetzentwurf das Abgeordnetengesetz zu ändern und die Erhöhung der Diäten für dieses Jahr auszusetzen. Das wollen wir nach wie vor. Wir haben uns auch nicht zurückgezogen. Nur, wenn Sie nachgeschaut haben - Sie wollen ja immer so klug sein; wahrscheinlich haben Sie auch nachgeschaut -, wussten Sie auch, warum wir das zurückgezogen haben.

(Zuruf)

Wir haben das nicht getan, weil wir auf einmal kassieren wollten, sondern weil festzustellen war, dass wir die Verfassung hätten ändern müssen.

(Zuruf)

Das hätten Sie für Ihren Gesetzentwurf jetzt auch feststellen müssen. Am 30. März 2020 waren wir mitten in der Coronakrise, da waren Sie noch der Auffassung, dass überhaupt keine parlamentarische Beratung hätte stattfinden sollen. In der Situation haben wir gesagt: Wir muten es dem Parlament nicht zu, in der Situation, in der wir Sondersitzungen zu dem Nachtragshaushalt mit einem Volumen von 500 Millionen € machen, den Eindruck zu erwecken, wir sollten ernsthaft eine drei Lesungen umfassende Verfassungsänderung vornehmen. Das war der einzige Grund, das zurückzuziehen.

Das betrifft im Übrigen auch den zweiten Punkt in unserem Entschließungsantrag vom 30. März 2020, in dem wir den freiwilligen Verzicht eingebracht haben. Fragen Sie dazu Ihre Kollegen aus dem Ältestenrat; darüber haben wir im Ältestenrat eine intensive Diskussion geführt und festgestellt, dass selbst das einer Verfassungsänderung bedarf.

Deswegen sind wir auf die jetzigen Regelungen gekommen, weil wir das Anliegen von Anfang an ernst gemeint haben, aber in dieser Situation keine Verfassungsänderung haben wollen. Ihr Gesetzentwurf scheitert schon allein daran.

(Beifall)

Dann könnten wir jetzt versuchen, wieder in die normale Rednerreihenfolge zu kommen. - Die Landesregierung hat Verzicht angemeldet. Wir kommen zur Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE. Für diese hat Herr Striegel das Wort. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Bezahlung von Abgeordneten ist kein einfaches Thema, denn „die da oben“ bekommen im Zweifelsfall zu viel Geld, verdienen würden sie es überhaupt nicht. Der Streit um die Bezahlung von Volksvertreterinnen und Volksvertretern ist geprägt von Misstrauen gegenüber der Politik als solcher.

Ja - das ist heute noch einmal eindrucksvoll vorgetragen worden -, dieses Thema eignet sich wie kaum ein anderes zur populistischen Stimmungsmache jeglicher Couleur. Das hat auch mit dem Umstand zu tun, dass Abgeordnete deutscher

Parlamente über die Höhe eigener Bezüge selbst entscheiden müssen. Das bringt die Gefahr einer von Selbstbedienungsmentalität beeinflussten Entscheidung mit sich.

Umso wichtiger erscheint mir, dass die Festsetzung und die weitere Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung und der Kostenpauschale in einem nachvollziehbaren und transparenten Verfahren vonstattengehen. Hier die bestehenden Regelungen zu hinterfragen und Verbesserungsvorschläge zu machen, ist legitim. Politik muss sich jeden Tag um Transparenz bemühen, insbesondere bei Regelungen zur eigenen Alimentierung.

Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion ist dazu absolut ungeeignet. Was Sie vorschlagen, ist die Rückkehr zu einer Regelung, die wir aus guten Gründen - ein paar Gründe sind bereits erläutert worden - im Zuge der Parlamentsreform im Jahr 2014 abgeschafft haben. Das bis dahin geltende Verfahren war intransparenter und schwieriger nachzuvollziehen als die heutige Regelung. Die heute geltende Indexregelung ist eben grundsätzlich nachvollziehbar. Sie bindet die Abgeordnetenentschädigung an die Lohnentwicklung der abhängig Beschäftigten und die Kostenpauschale an die allgemeine Preisentwicklung. Das sind objektive Kriterien, die alle Bürgerinnen und Bürger verstehen können.

Die Bezahlung der Abgeordneten wird gebunden an reale wirtschaftliche und monetäre Entwicklungen. Verdienen Sachsen-Anhalts Bürgerinnen und Bürger im Durchschnitt mehr, steigt die Diät; gibt es Lohneinbußen, sinken die Entschädigungen. Das erscheint mir gerecht, zumal Ausgangspunkt der Berechnung ein von der ehemaligen Diätenkommission jahrelang geforderter Maßstab war: die Entschädigung von Richterinnen und Richtern. Darauf hat der Fraktionsvorsitzende Borgwardt verwiesen.

Über diesen Maßstab kann man streiten. Ich meine, es gibt gute Gründe, diesen Maßstab mit Blick auf die Unabhängigkeit als Ausgangspunkt zu wählen. Natürlich ist der Streit darüber legitim. Das ist aber eine andere Debatte, als wenn ich über die Frage rede, ob es an die Lohnentwicklung gebunden werden soll.

Meine Damen und Herren! Die Debatte um die Bezüge von Abgeordneten ist wichtig, gerade in der heutigen Krise, die für viele Menschen in Deutschland härteste Einschnitte bedeuten wird. Dabei sind auch Abgeordnete in ihrer Solidarität gefragt. Diese Debatte muss aber ernsthaft geführt werden und nicht mit einem populistischen Vorschlag aus der Mottenkiste, der ein Ressentiment schürt, das sich alsbald auch gegen seine Urheber richten wird.

Die AfD redet der Wohlanständigkeit das Wort, während sie untaugliche Vorschläge macht und nichts als Destruktion betreibt.

Ich will daher betonen, dass bei diesem Thema die Abgeordneten aller Fraktionen viel tun können, um die notwendigen Zeichen zu setzen. Ich bedauere es nach wie vor sehr, dass wir uns in diesem Landtag nicht darauf einigen konnten, vor dem Hintergrund der Coronapandemie die aus Lohnzuwächsen der sachsen-anhaltischen Bevölkerung im vergangenen Jahr, im Jahr 2019, resultierende Diätenerhöhung für dieses Jahr auszusetzen.

Dafür wäre ebenso die Verfassung zu ändern gewesen, und die dafür notwendige politische Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder dieses Hauses ist offensichtlich nicht zu erreichen. Das hindert uns als Abgeordnete aber nicht daran, zu verzichten. Die Möglichkeit, diesen zusätzlichen Betrag zu spenden, haben wir alle. Die Abgeordneten der Bündnisgrünen-Landtagsfraktion werden dies tun.

Ganz allgemein ist es an uns allen, die größtmögliche Transparenz über unsere Einnahmen an den Tag zu legen und sie vollumfänglich öffentlich zu machen. Das gehört zu den Grundsätzen der GRÜNEN. Wären sie Allgemeingut, wären wir in dieser Debatte schon ein gutes Stück weiter. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe hierzu weder eine Frage noch eine Zwischenintervention. Somit können wir in der Redereihenfolge vorangehen. Herr Gebhardt hat für die Fraktion DIE LINKE das Wort, sobald das Rednerpult desinfiziert worden ist.

(Beifall)

- Herzlichen Dank! Das hatte Stil, muss man schon sagen. - Herr Gebhardt, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz drei Dinge zum Anliegen der AfD-Fraktion sagen. Zum einen, ohne die Aussagen meiner Vorredner wiederholen zu wollen: Es gab in der letzten Legislaturperiode gute Gründe, die sogenannte Expertenkommission bzw. Unabhängige Kommission abzuschaffen. Wenn man sich die Zahlen und deren Vorschläge anschaut, dann hat Herr Borgwardt zweifellos recht: Die Vorschläge, die diese Kommission gemacht hat, waren in der Diätensteigerung

weitaus höher, als heute Diätensteigerungen vorgenommen werden. An diesem Fakt kommen auch Sie nicht vorbei.

(Zuruf: Genau!)

Wenn Sie jetzt wollen, dass diese Kommission wieder ins Leben gerufen wird, müssten Sie auch im Gesetzentwurf beantworten, aus wem diese Kommission bestehen soll. Diese Antwort bleiben Sie schuldig. Ich habe, ehrlich gesagt, schon ein Problem damit, wenn eine Kommission unabhängig sein, aber vom Ältestenrat berufen werden soll. Wo ist dann ihre Unabhängigkeit gewährleistet? - Wenn es ein von uns berufenes Gremium ist, dann kann es kein externes Gremium sein, sondern nur eines, das in unserem Auftrag arbeitet. Insofern ist die Unabhängigkeit an dieser Stelle schon einmal zu hinterfragen.

Wenn man sieht, was die Vorschläge dieser Kommission gebracht haben und wie sie im Endeffekt umgesetzt wurden, so gab es damals im Landtag eine große Einigung, zu sagen: Nein, diese Vorschläge, die so exorbitant ausgefallen sind, wollen wir uns selbst nicht mehr zumuten. Wir wollen auch keine Sonderstellung, sondern wir wollen uns daran orientieren, wie die Situation in Sachsen-Anhalt ist.

Dazu gab es mehrere Modelle, die bereits genannt wurden. Das eine Modell war: Wir orientieren uns an den Richterbezügen. Das andere Modell war: Wir orientieren uns an den Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst. Dann hat sich der Landtag in großer Breite dafür ausgesprochen, zu sagen: Nein, auch das wären Sonderstellungen. Wir orientieren uns am Durchschnitt der Einkommensentwicklung der Bevölkerung in SachsenAnhalt. Ich finde - dies sage ich auch im Namen meiner Fraktion -, es ist nach wie vor richtig, dass wir keine Sonderstellung einnehmen, sondern uns tatsächlich am durchschnittlichen Einkommen der Bevölkerung orientieren.

Nun zum Zeitpunkt Ihres Antrages. Sie haben selbst darauf hingewiesen, Herr Roi: Für dieses Jahr wäre es eh hinfällig und wir hätten keine Kommission mehr hinbekommen, die irgendeine Empfehlung abgibt. Für das nächste Jahr wäre es aber relevant.

Nun haben wir in diesem Jahr erstmals seit langer Zeit wieder Einkommensentwicklungen, die klar nach unten gehen. Niemand kann prognostizieren, wie es ausgeht. Aber es besteht tatsächlich zum ersten Mal die Möglichkeit, dass im nächsten Jahr die Diäten nicht steigen werden. Wenn dann Ihr Gesetzentwurf Realität wäre, müsste man Ihnen an dieser Stelle sogar vorwerfen, dass Sie verhindern wollen, dass die Diäten in SachsenAnhalt zum ersten Mal nicht steigen, sondern vielleicht sogar sinken.

Das ist der Punkt, weshalb wir große Schwierigkeiten haben, uns überhaupt auf diese Schiene zu begeben und zu sagen: Nein, die Vergangenheit hat uns etwas anderes gezeigt und gelehrt, und wir wollen uns weiterhin nicht als Sonderstellung betrachten, sondern uns am Durchschnitt der Einkommensentwicklung in Sachsen-Anhalt orientieren.

Außerdem sagten Sie etwas zur diesjährigen Situation. Es gab unterschiedliche Nuancen. Meine Fraktion hat dazu einen Antrag eingebracht. Wir hatten vor, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Herr Lippmann hat erklärt, warum das nicht ging. Ich will Ihnen aber auch sagen, dass es noch einen zweiten Grund gab, warum es nicht ging und warum wir gemerkt haben: Es funktioniert an dieser Stelle nicht. An dem Tag, an dem bei uns in der Zeitung stand, dass wir den Gesetzentwurf vorhaben, hat sich Ihr - wo ist er jetzt eigentlich? - Herr Farle bei uns in der Zeitung geäußert. Er hatte die Diätenerhöhung für sich schon angenommen und hat öffentlich erklärt, welchem Verein er sie spenden wolle. Wir haben gesagt: Entweder wir verzichten an der einen Stelle und es bleibt im Staatssäckel, oder wir nehmen das Geld und spenden es Vereinen - Klammer auf - und bekommen dafür noch Spendenquittungen, die wir hinterher steuerlich geltend machen können. - Klammer zu.

Herr Farle hatte sich für diesen Weg entschieden, und in dem Moment, als er es öffentlich machte, wusste ich: Es funktioniert nicht, denn diese Variante - freiwillig zu verzichten - funktioniert nur dann, wenn alle mitmachen. In dem Moment war dieser Vorschlag geplatzt, und dann hat jede Fraktion für sich individuell Entscheidungen getroffen. Meine Fraktion hat sich entschieden, die komplette Erhöhung zu spenden, und zwar nicht den Nettobetrag nach Steuern, sondern den gesamten Betrag von 240 € vor Steuern. Dafür haben alle Abgeordneten unserer Fraktion unterschrieben.

Zu diesem Thema möchte ich im Namen meiner Fraktion noch Folgendes sagen: Wir haben seit den 1990er-Jahren einen Solidarfonds in der Fraktion eingerichtet, in den wir regelmäßig Spenden einzahlen, die aus Erhöhungen der Diäten in den letzten Jahren entstanden sind. Seit den 1990er-Jahren ist eine aus meiner Sicht doch stolze Summe von 1,4 Millionen € zustande gekommen, die wir für soziale Zwecke in SachsenAnhalt ausgeschüttet haben.

(Beifall)

Dazu bleibt für mich nur festzustellen: Während eine Fraktion über den Verzicht redet, praktiziert ihn eine andere seit Jahren. Wir sehen bei uns

keinen Änderungsbedarf. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Ich sehe auch hierzu keine weiteren Fragen oder Interventionen, daher spricht nun, sobald der Tisch desinfiziert worden ist, der Kollege Erben von der SPD-Fraktion. Herr Erben, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Roi, zunächst eine Bemerkung vorweg: In Ihren Reden fällt mir immer auf, dass es bei Ihnen ein nachvollziehbares Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Lautstärke Ihrer Rede und deren Wahrheitsgehalt gibt, allerdings umgekehrt proportional: Je lauter Sie sprechen, umso mehr falsche Behauptungen stellen Sie auf. Ich werde darauf zurückkommen.

Doch ich gehöre nicht zu jenen, die anderen per se absprechen, im Recht zu sein. Deshalb war ich vor der Rede des Herrn Roi nicht sicher, ob er die Gründe für die aktuelle Rechtslage nicht richtig verstanden hat oder ob ich den Gesetzentwurf der AfD nicht richtig verstanden habe. Nach seinem Vortrag bin ich mir sicher und möchte deshalb auf einige Aspekte eingehen.

Herr Roi, Sie behaupteten vorhin, dass die automatische Diätenanpassung gemäß § 6 Abs. 4 des Abgeordnetengesetzes nicht in Kraft getreten sei, als die AfD bereits Mitglied des Hohen Hauses war. Das ist falsch. Öffnen Sie die Website www.landesrecht.sachsen-anhalt.de und rufen Sie das Abgeordnetengesetz auf. Dann werden Sie feststellen, dass die von Ihnen bekämpfte Vorschrift in der siebenten Wahlperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt - bekanntlich der jetzigen - in Kraft getreten ist.