Protokoll der Sitzung vom 09.07.2020

(Zurufe)

- Herr Scheurell, Sie wissen ja nicht, wie viel ich bei Ihnen immer draufgebe. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Schindler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In einer der letzten Sitzungen haben wir uns hier auch darüber unterhalten, welche Möglichkeiten der Abstimmung in den Kommunalvertretungen auch im Pandemiefall ergriffen werden können. In der Sitzung hatte ich schon angekündigt, dass die Koalitionsfraktionen daran arbeiten, eine entsprechende rechtliche Regelung zu suchen und zu finden, auch dass es nicht dabei bleiben kann, dass es durch Erlasslage geregelt ist. Das bringen wir jetzt ein. Wir haben diese Ankündigung erfüllt und haben uns Gedanken darüber gemacht, welche Möglichkeiten bestehen. Die Einräumung der Möglichkeit einer Videokonferenz und eines schriftlichen Verfahrens wird hiermit eine gesetzliche Regelung.

Vielen erscheint jetzt diese ausdrückliche gesetzliche Regelung in ihrer Genauigkeit und in ihrer Einzelheit sehr ausführlich. Wir haben auch darüber diskutiert. Aber es sollte eben für den pandemischen Fall eine komplette Regelung sein, damit man sich das dann nicht aus dem Gesetz mit Verweisen zusammensuchen muss. Es gab nämlich auch den Hinweis der kommunalen Spitzenverbände, warum das jetzt alles so ausführlich geschrieben ist, obwohl man vielleicht auch mit einem Verweis auf die normalen Einladungsfristen und die entsprechenden erforderlichen Unterlagen arbeiten kann. Wir werden bestimmt noch im Ausschuss, wenn das Gesetz dort beraten wird, darüber diskutieren und die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände dazu einholen.

Auch wird noch auf Folgendes hingewiesen werden müssen - das war in unserer letzten Innenausschusssitzung eine Regelung dieses Gesetzes, die nicht unmittelbar mit der Pandemie zusammenhängt -: Es gibt eine Änderung unter Nr. 7. Herr Krull hat ja darauf hingewiesen - Änderung des § 100; das war die Diskussion aus

der letzten Innenausschusssitzung -, inwieweit es möglich ist, dass die Landkreise im Streit um die Kreisumlage bei entsprechenden Satzungsregelungen dann auch nachträglich Fehler heilen können. Hierbei geht es ausdrücklich nicht um materielle, sondern um formale Fehler.

Wir wissen, im Rechtsstreit - ich habe im Innenausschuss auch darüber berichtet - im Landkreis Börde um die Kreisumlage hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg entschieden, dass es eben nicht möglich ist, nachträglich eine Haushaltssatzung zu heilen, auch dann nicht, wenn es nur darum geht, eben einen Verfahrensfehler zu heilen, sodass auch die nachträgliche Erhebung einer Kreisumlage, wenn diese angefochten wird, nicht möglich ist.

Wir wollen unsere Gemeinden, an der Stelle die Landkreise, in die Lage versetzen, weiterhin eine Umlage zu erheben, um die finanzielle Situation und die finanzielle Ausstattung zu gewährleisten.

An der Stelle möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: In der Begründung ist herangezogen worden, dass der Verweis auf den Kreis im Falle eines möglichen Streits zwischen Mitgliedsgemeinde und Verbandsgemeinde genauso auch für die Verbandsgemeinden gilt, sodass auch da Fehler - ich betone: formale Fehler - geheilt werden können.

Ich möchte auch noch auf das eingehen, was Herr Roi zu dem Wahlgesetz bezüglich der Briefwahl gesagt hat. Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass das auch unter dem Gesichtspunkt eines besonderen Ereignisses höherer Gewalt und der erforderlichen Durchführung steht. Wir wissen, dass ich auch zur Vorbereitung einer Briefwahl nicht eine Woche vor dem Wahltermin auf einmal sagen kann: Jetzt machen wir das alles als Briefwahl. Das muss natürlich langfristig vorbereitet werden. Es muss gewährleistet sein, dass dieses in Vorbereitung einer durchgehenden Briefwahl frühzeitig entschieden wird. Hier ist von der „Geeignetheit dieser Maßnahme“ die Rede. Das Innenministerium muss bei Erlass einer entsprechenden Verordnung die Geeignetheit dieser Maßnahme genauestens prüfen und darf nicht willkürlich entscheiden.

Ich möchte nur kurz auf den Änderungsantrag der LINKEN eingehen, der mit überwiesen wird. Ich möchte im Namen der SPD-Fraktion an der Stelle schon mal darauf hinweisen, dass die Änderung, die Sie unter Punkt 8 vorschlagen, nämlich die Änderung „Erweiterung des § 137 unserer Kommunalverfassung“, die weitere Einführung von Prüfrechten für den Landesrechnungshof, nicht unsere Zustimmung finden wird. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Danke. Ich sehe eine Wortmeldung. Wollen Sie die beantworten, Frau Schindler? - Offensichtlich. Das entnehme ich dem Umstand, dass Sie wieder nach vorn gegangen sind. - Herr Heuer hat jetzt das Wort.

Liebe Kollegin Schindler, ich glaube - davon gehe ich aus -, dass wir uns sogar einig sind. Die Frage ist doch bei den ganzen Klagen zu § 100: Wir haben es in der Börde doch gerade mit Nichtzulassungsbeschwerden etc. zu tun. Wäre es für Sie eine Option, die Landesregierung zu beauftragen, eine Initiative im Bundesrat zu ergreifen, dass perspektivisch - das ist ein ganz dickes Brett; das ist mir klar - Landkreise einen Steueranteil an der Umsatzsteuer bekommen?

Ich weiß, dass das in den kommunalen Spitzenverbänden immer wieder diskutiert wird. Aber unter unserer Vorgabe so, wie wir eben auch unsere Landkreise in der Eigenverantwortung in unserer Verfassung als kommunale Selbstverwaltungsorgane stehen haben, sehe ich das kritisch, weil nämlich dann die Zuweisung - - Ich weiß, dass es in anderen Bundesländern anders organisiert ist, dass es flächendeckend eben da auch andere Finanzierungssysteme gibt. Ich glaube, dass wir da bundesweit nicht weit kommen.

Danke. - Jetzt können wir das Pult desinfizieren lassen; das passiert auch gleich. Und es kann sich schon - das tut sie bereits - Frau Buchheim für die Fraktion DIE LINKE auf den Weg zum Rednerpult machen. Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die kommunale Handlungsfähigkeit in Pandemiezeiten aufrechterhalten werden. Nachdem die Erlasslage des Innenministeriums durch uns scharf kritisiert wurde, soll nunmehr der gesetzliche Rahmen für die Einführung neuer Formen der Beratung und Beschlussfassung der kommunalen Vertretungen geschaffen werden und damit wieder Rechtssicherheit in der Gremienarbeit einkehren.

Da das derzeitige Kommunalverfassungsrecht außergewöhnliche Krisensituationen nicht kennt, sollen für derzeitige und künftige Krisen- und Sondersituationen Regelungen geschaffen werden, die dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertretung als eines der wesent

lichen Grundprinzipien des Kommunalverfassungsrechts zukünftig Rechnung tragen und die eine Option zu Präsenzsitzungen sind. So sollen auch das Internet für öffentliche Bekanntmachungen der Kommunen sowie elektronische Abstimmungen zugelassen werden.

In außergewöhnlichen Notsituationen - diese wären noch näher zu definieren - sollen notwendige Sitzungen der Vertretung zukünftig als Videokonferenz zulässig sein. Lediglich Wahlen können auf diesem Wege nicht durchgeführt werden. Dabei hat die Kommune sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Videokonferenzsitzung einschließlich Beratung und Abstimmung eingehalten werden.

Lässt man die Schaffung dieser Voraussetzungen hier im Parlament Revue passieren, so verliert man, denke ich, schnell den Glauben, dass dies auf kommunaler Ebene, ganz zu schweigen von dem Netzausbau und den notwendigen Finanzen, schnell umzusetzen ist. Hierbei sehen wir auf jeden Fall Beratungsbedarf.

Aus der Erfahrung mit der Umsetzung der bisherigen Erlasse ergibt sich für uns auch Diskussionsbedarf zu der erforderlichen Vorberatung in einer Präsenzsitzung, vor allem aber auch zur Einhaltung der Einwohnerfragestunde und zur Sicherstellung der Transparenz der getroffenen Entscheidung, also dem Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder.

Die Regelung in § 100 Abs. 1 Satz 5 begrüßen wir ebenso wie die Regelungen zu den haushaltsrechtlichen Vorschriften.

Die in § 161 Abs. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes vorgesehene Feststellung einer „außergewöhnlichen Notlage mit landesweiten Auswirkungen“ mit einer Feststellungsfrist von gleich drei Monaten ist zu hinterfragen. Dies gilt auch für die angedachte Möglichkeit der Verlängerung, die nach unserer Ausfassung durch eine erneute Feststellung durch das Parlament ersetzt werden sollte.

Die Vielzahl vorgesehener unbestimmter Rechtsbegriffe, wie „höhere Gewalt“ in § 56 des Wahlgesetzes sowie in § 68 des Kommunalwahlgesetzes, die „außergewöhnliche Notlage mit landesweiten Auswirkungen“ in § 161 des Kommunalverfassungsgesetzes oder die „außergewöhnliche Notsituation“ in § 56a des Kommunalverfassungsgesetzes sind nach unserer Auffassung näher zu definieren.

Die Sicherstellung anstehender Wahlen ist ein wichtiges Kriterium. Es gibt hierbei drei Handlungsoptionen: Augen zu und durch, die Verschiebung des Wahltermins oder die Briefwahl für

alle. Letztere Alternative soll zukünftig greifen. Die Briefwahl ist nach der bestehenden Rechtslage nur als Ausnahme und auf Antrag möglich. Die physische Stimmabgabe an der Wahlurne sollte unter Beachtung des Infektionsschutzes immer Priorität haben. Die Briefwahl für alle sollte also nur dann stattfinden, wenn sie erforderlich ist, um die Wahl und die Periodizität der Wahlen zu sichern. Die Briefwahl ermöglicht es einem Wähler, seine Stimmabgabe offenzulegen oder seine Stimme kontrolliert abzugeben oder seine Stimme einem Dritten zu überlassen.

Mit Blick auf Stendal fordern wir daher vom zuständigen Innenministerium, jegliche Anstrengung zu unternehmen, um einen Missbrauch zu verhindern und etwaige Manipulationen auszuschließen. Die entsprechende Sensibilisierung und Schulung der entsprechenden Verwaltungsbediensteten und der Wahlhelfer hat oberste Priorität.

Nun noch kurz zu unserem Änderungsantrag. Wir fordern eine angemessene Ausstattung der Fraktionen und damit die Unterstützung des Ehrenamtes.

(Zustimmung)

Mit der Rückkehr zur ursprünglichen Regelung in § 98 Abs. 3 des Kommunalverfassungsgesetzes soll der bestehenden Situation Rechnung getragen werden, dass viele Kommunen im Jahr 2019 keinen Ausgleich des Finanzhaushaltes erreichten und die Vorschriften zur Haushaltskonsolidierung unzureichend sind. Ich verweise an dieser Stelle auf unseren Antrag in der Drs. 7/5547 mit dem Hinweis, dass wir uns weitere Änderungsanträge vorbehalten.

Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen soll um den Gesundheits- und Sozialbereich und die erneuerbaren Energien erweitert werden. Des Weiteren beinhaltet unser Änderungsantrag die Aufnahme von umfassenden Prüfrechten der örtlichen und überörtlichen Prüfer bei kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform, die Gewährleistung eines Beteiligungsmanagements, die Ausweitung der Prüfrechte des Landesrechnungshofes auf kreisangehörige Gemeinden und Verbandsgemeinden sowie ein eigenständiges Prüfrecht des Landesrechnungshofes für Leistungen, die von privaten Trägern auf der Basis von Vergütungsvereinbarungen im Rahmen des SGB VIII, des SGB XI und des SGB XII erbracht werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Es gibt eine Frage. Wollen Sie diese beantworten? - Ja. Dann, Frau Schindler, haben Sie jetzt das Wort.

Frau Buchheim, ich habe eine Frage zu Ihrem Vorschlag unter Nr. 1 in der Drs. 7/6293 betreffend eine Änderung von § 44 Abs. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes. Es heißt darin:

„[…] Gemeinden und Landkreise gewähren den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen [...]“

Sind Sie der Auffassung, dass das Konnexität auslöst?

Nein, eigentlich nicht. Ich meine, dass die Kommunen dafür zuständig sind, dass sie die Fraktionen bzw. die Gemeinderäte insgesamt ausreichend finanzieren. Wir haben momentan das Problem - dazu gab es auch schon einmal eine Kleine Anfrage -, dass nicht in alle Haushalte Geld für die Fraktionen eingestellt wird. Das wollen wir damit sicherstellen.

Sie haben noch eine Nachfrage, Frau Schindler? - Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit, sie zu stellen.

Ich bin abgelenkt worden, verzeihen Sie.

Das macht er immer so. Lassen Sie sich nicht ablenken. Jetzt haben Sie das Wort.

Sie meinen, das war und ist bisher schon die Aufgabe der Kommunen und wird unterschiedlich gehandhabt. Sie wollen es jetzt aber verpflichtend einführen.

Ja, um eine Gleichbehandlung herbeizuführen.

Und das löst keine Konnexität aus?

Dann eben: Ja. Darüber müssen wir uns dann, denke ich, im Ausschuss verständigen. Wir hatten es schon einmal vorgelegt. Damals haben Sie es abgelehnt. Darüber können wir uns gern noch einmal verständigen.

Dort können die Beteiligten die Diskussion fortsetzen. Wir sind am Ende des Redebeitrags angelangt. - Wir fahren fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann sich langsam Herr Meister auf den Weg machen.

(Zuruf)

Jetzt gibt die Kollegin Präsidentin noch fachliche Hinweise.

(Heiterkeit)

Herr Meister, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Coronakrise hat uns in den unterschiedlichsten Lebensbereichen vor völlig neue und unerwartete Aufgaben gestellt. Das betraf und betrifft insbesondere auch die Arbeit in den Gremien der verschiedenen Körperschaften. Die Diskussionen im Landtag über die Fragen der Sicherung der eigenen Arbeitsfähigkeit sind ja noch allen im Ohr. Die gleiche Problematik haben wir natürlich auch bei den Gemeinde- und Stadträten, den Kreistagen und den Ortschaftsräten. Plötzlich fiel die Grundlage der Arbeit der Gremien, nämlich die Präsenzsitzung, weg bzw. wurde erheblich erschwert.

Wir hatten hier schon die Gelegenheit, uns zu den kurzfristig ergriffenen Sofortmaßnahmen auszutauschen. Der mit einer Experimentierklausel arbeitende Runderlass des Innenministeriums war das, was man von Landesseite in der akuten Lage machen konnte. Überzeugend war es nicht. Das konnte es auch nicht sein. Ich glaube, auch das Innenministerium sieht das letztlich so.