Protokoll der Sitzung vom 10.09.2020

Vielen Dank, Frau Abg. Hohmann. Ich sehe hierzu keine Wortmeldungen. - Für die Landesregierung spricht jetzt die Ministerin Frau Grimm-Benne. Sie haben jetzt die Möglichkeit zu reden und bekommen von mir das Wort erteilt. Bitte.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat regelt § 39 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII für Kinder und Jugendliche, also für Minderjährige, dass die Höhe des Barbetrages durch die nach Landesrecht zuständige Behörde festgesetzt wird. Die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein.

Das Land Sachsen-Anhalt hat mit der Richtlinie zur Gewährung des Barbetrages nach § 39 Abs. 2 des Kinder und Jugendhilfegesetzes - Taschengeldregelung - vom 6. April 1994 allerdings den Geltungsbereich, den Taschengeldanspruch, die Staffelung nach Altersgruppen, die Auszahlung und die Verwendung des Taschengeldes sowie die Verwaltung und Abrechnung geregelt, die seither von den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in Anwendung gebracht wird.

Im Mai 2000 trat das Kinder- und Jugendhilfegesetz des Landes Sachsen-Anhalt in Kraft, welches in § 21 eine Verordnungsermächtigung der obersten Landesjugendbehörde zur Festsetzung der Höhe des Betrages zur persönlichen Verfügung des Kindes oder Jugendlichen beinhaltet. Von dieser Verordnungsermächtigung wurde bis dato kein Gebrauch gemacht. Dessen ungeachtet war und ist es den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe jederzeit möglich gewesen, eigene abweichende Regelungen für ihr Hoheitsgebiet, für den Landkreis, zu treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mein Haus sieht hinsichtlich des Anliegens des hier in Rede stehenden Antrags ebenfalls Handlungsbedarf in Bezug auf Minderjährige, sofern nicht auf örtlicher Ebene angemessene Regelungen getroffen worden sind. Deshalb haben wir zunächst das Landesjugendamt gebeten, eine Aufstellung der Regelungen zur Höhe und Staffelung der Barbeträge der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorzulegen.

Auf dieser Basis werden wir kurzfristig prüfen, wie eine landeseinheitliche Regelung aussehen sollte. Dabei würden wir die im Antrag erwähnten Empfehlungen zur Festsetzung und Dynamisierung der Liga sowie insbesondere die einschlägigen fachlichen Empfehlungen berücksichtigen.

An dieser Stelle möchte ich sagen, wir werden darüber Bericht erstatten. Ich will Ihnen aber deutlich machen, dass ich auch mit den kommunalen

Spitzenverbänden darüber reden werde. Denn ich erlebe immer mehr, dass insbesondere von Ihnen Anträge gestellt werden, mit denen quasi immer dann, wenn in den Landkreisen nicht die finanzielle Kraft vorhanden ist, sozusagen eine Verschiebung auf die Landesebene erfolgt.

(Zuruf: So ist es!)

Das sind Pflichtaufgaben, die die Kommunen und die Landkreise als öffentliche Interessenträger erfüllen. In dem gesamten Finanzierungssystem muss etwas verändert werden; denn ansonsten entstehen ziemliche Schieflagen.

Die ganze Sache erinnert mich sehr ernsthaft - dazu haben wir auch gerichtliche Auseinandersetzung geführt - an die Erarbeitung der Verordnung zu den Pflegesätzen in den Pflegefamilien. Deswegen werde ich an dieser Stelle nicht veranlassen, eine Verordnung in gesetzliche Regelungen zu gießen, die mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht mehr abgeklärt werden können. Denn die Hilfen zur Erziehung haben bereits einen sehr großen Raum in den Landkreisen und kreisfreien Städten eingenommen, die schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie das finanzieren können.

(Zuruf: So ist es!)

Das ist die andere Seite der Medaille Ihres Antrages. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe hierzu keine Wortmeldungen. - Somit steigen wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Erste Debattenrednerin wird die Abg. Frau Gorr für die CDU-Fraktion sein. Frau Gorr, Sie dürfen nach vorn schreiten und bekommen das Wort von mir erteilt. Bitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin hat in ihrem Redebeitrag auf den rechtlichen Grundlagen für die Zurverfügungstellung von Barbeträgen für minderjährige Kinder und Jugendliche, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, aufgebaut, also auf den entsprechenden Paragrafen des SGB VIII und auf anderen rechtlichen und gesetzlichen Vorgaben.

Das war inhaltlich vollkommen korrekt und für Politiker verständlich. Im Sinne der Barrierefreiheit schwirrt dem ein oder anderen aber vielleicht der Kopf. Daher möchte ich mit einem kleinen Augenzwinkern im Sinne von leichter Sprache kurz vortragen, dass und warum wir als CDU-Fraktion den Antrag der Fraktion DIE LINKE in den Ausschuss

für Arbeit, Soziales und Integration überweisen wollen.

Wie die Frau Ministerin ausführte, gibt es Handlungsbedarf, um für die Kinder und Jugendlichen in den Hilfen zur Erziehung landesweit zu gewährleisten, dass sie zeitgemäßes, angemessenes und altersmäßig abgestuftes Taschengeld erhalten. Wie andere junge Menschen auch sollen sie erlernen, mit eigenem Geld umzugehen. Das Erfüllen kleiner Wünsche, das Ansparen - die Ministerin erwähnte das - oder das Abwägen, wofür das Geld ausgegeben werden kann, gehören zum Prozess des Älter- und Erwachsenwerdens dazu.

Offensichtlich gibt es im Hinblick darauf eine Reihe von Fragen im politischen Raum, die wir im Ausschuss näher beleuchten und besprechen sollten. Welche Taschengeldhöhe ist im Jahr 2020 angemessen für welches Alter? Wie wird im Land mit diesem Anliegen umgegangen? Wie kann eine landeseinheitliche Regelung in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden aussehen, damit die Höhe des Taschengeldes nicht davon abhängt, in welcher Stadt, in welchem Landkreis das Kind, der oder die Jugendliche wohnt?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auf die Ergebnisse aus dem Ministerium und dem Landesjugendamt, die uns im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration vorgelegt werden. Ich bin sicher, dass wir gute Lösungsansätze entwickeln werden ganz im Sinne der gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, die es in ihrem Leben leider oft nicht leicht haben.

Ich bitte um die Überweisung des Antrages. - Danke.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Abg. Gorr. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Spiegelberg. Sie dürfen jetzt an das Rednerpult treten und bekommen das Wort von mir. Bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Liebe Bürger Sachsen-Anhalts! Uns liegt heute ein Antrag vor, welcher, fußend auf der aktuellen Forderung der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, auf eine Anhebung und Dynamisierung der Barbeträge für Kinder und Jugendliche in den Hilfen zur Erziehung abzielt.

Dabei sollen laut Antrag der Inflationsausgleich der letzten 26 Jahre und die Empfehlung des

Deutschen Jugendinstitutes zur Gestaltung von Taschengeldbeiträgen berücksichtigt werden.

Dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration soll unterdessen noch in diesem Jahr über die Umsetzung durch die Landesregierung berichtet werden.

Meine Damen und Herren! Wir als soziale Heimatpartei begrüßen diese dringend notwendige Initiative, welche unseren sozial- und bildungspolitischen Zielen entspricht. So ist neben der Gewährleistung von sozialer Gerechtigkeit für Kinder und Jugendliche und deren Recht auf eine gute Kindheit in unserem Land das Erlernen des weitsichtigen Umgangs mit Geld sehr wichtig für diese und bereitet sie auf ein selbstständiges und verantwortungsbewusstes Erwachsenenleben vor.

Negativbeispiele beim verantwortungsbewussten Umgang mit Geld kennen wir alle zur Genüge, gerade auch im Hinblick auf zahlreiche Politiker aus der Bundesregierung und den verschiedenen Landesregierungen.

Es wird daher Zeit, die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte seitens der regierungstragenden Fraktionen CDU und SPD aufzuarbeiten sowie die Landespolitik endlich im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen und damit für die Zukunft unseres Landes voranzubringen.

Aus diesem Grund und ohne hier noch unnötig weiter zu philosophieren, meine Damen und Herren, sollten wir Fakten schaffen. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Antrag daher sehr gern zustimmen und möchte auch die Koalitionsfraktionen zu selbigem im Ausschuss ermutigen. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Spiegelberg. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldung. Ich möchte Ihnen einen kleinen Hinweis geben - ich habe Sie schon mehrfach darauf hingewiesen -: Richten Sie das Wort bitte nicht an die Bürgerinnen und Bürger. Sie befinden sich im Hohen Hause und richten das Wort an die Abgeordneten. Sie können im Namen derer sprechen, sie aber nicht hier begrüßen.

Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Abg. Frau Lüddemann. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Taschengeld im Allgemeinen und der sogenannte Barbetrag im Rahmen der Hilfen zur Erziehung im Speziellen

sind Ausdruck und Lernwerkzeug für Selbstbestimmung und Autonomie von Kindern und Jugendlichen.

Eigenbestimmt über Geldbeträge verfügen zu können, individuelle Konsumwünsche zu erfüllen, langfristiges Sparen auf teure Anschaffungen, all dies sind wichtige Lernerfahrungen. Sie geben den jungen Menschen persönliche Freiheit und die Lernmöglichkeit, mit diesen umzugehen, vielleicht sogar auch im Späteren Verschuldungsdynamiken vorzubeugen. Wer früh lernt, mit Geld umzugehen, wird einfach weitsichtiger; das hofft man jedenfalls.

Dass Geld im Grunde immer knapp ist, die Wünsche vielfach und es daher einen rationalen Umgang mit ökonomischen Möglichkeiten braucht, ist also ein wesentlicher Erkenntnisschritt. Der sogenannte Taschengeldparagraf im BGB und eben die Barbeträge im Rahmen der Hilfen zur Erziehung sind der rechtliche Ausfluss dessen. Um diesen Erfahrungsraum zu eröffnen, darf der Geldbetrag aber nicht zu gering sein. Um wirkliche Entscheidungsmöglichkeiten und ökonomische Optionen zu haben, ist eine gewisse Kaufkraft vonnöten.

Wenn ich im Antrag der LINKEN lese, dass der Barbetrag für Minderjährige im Land seit 1994 nicht erhöht wurde, dann liegt es für mich auf der Hand, dass hier ein dringender Anpassungsbedarf besteht.

Ganz ehrlich, es ist schon beschämend für uns - das müssen wir uns, glaube ich, alle an dieser Stelle vor Augen halten -, dass dieser Betrag ein Vierteljahrhundert lang nicht erhöht wurde. Das muss man so selbstkritisch sagen.

Ich bin der Liga tatsächlich dafür dankbar, dass sie dieses Thema aufgerufen hat. Manchmal geht es mir wirklich so, dass ich nicht jede Kleinigkeit im Blick habe. Das ist etwas, von dem ich denke, dass wir es uns tatsächlich auf die Agenda holen müssen.

Es ist jetzt auch müßig nachzuvollziehen, warum das so lange gelegen hat. Ich denke, es ist wichtig, jetzt einen anderen Zustand herzustellen und zu sagen, wir schauen einmal, was wir daran besser machen können.

Ich baue darauf, dass wir in diesem Punkt zu einer Beschlussempfehlung im Ausschuss kommen; denn ich denke, der Handlungsdruck und die klaffende Gerechtigkeitslücke sind offensichtlich. Die Kinder, denen Hilfen im Rahmen des SGB VIII zukommen, verdienen wirklich mehr. Wesentlich mehr und eine zukünftige regelmäßige Erhöhung des Betrages sollten sich auch politisch durchsetzen lassen. Ich stelle mir vor, dass wir einen Zeitraum festlegen - das haben wir in anderen sozialen Bereichen auch -, nach dem der Be

trag überprüft und regelmäßig angepasst wird. Ob alle zwei, drei oder vier Jahre, das müssen wir gemeinsam besprechen. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Nächste Debattenrednerin ist für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Dr. Späthe. Sie haben das Wort, Frau Dr. Späthe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Im Rahmen der Einbringung ist schon ausführlich auf die gesetzlichen Regelungen eingegangen worden. Doch auch ich darf herausstellen, dass die Barbeträge, also das Taschengeld für Kinder und Jugendliche in einer Vollzeitpflege, in ihrer Höhe seit dem Jahr 1994 nicht mehr verändert worden sind. Während junge Erwachsene monatlich 27 % des ALG-II-Satzes bekommen, was auch eine Dynamisierung bedeutet, ist für Kinder, die noch nicht so alt sind, keine Veränderung eingetreten. Wer Kinder hat, der weiß, dass es beim Thema Taschengeld viele offene Fragen gibt: Wie viel, wann und wofür?

Wir wollen, dass Kinder, die in der Vollzeitpflege untergebracht sind, genauso regelmäßig monatlich Geld bekommen, und zwar unabhängig von ihrem Verhalten, damit sie, wie gesagt, auch lernen, damit umzugehen.

Die Fraktion DIE LINKE bezieht sich in ihrem Antrag auf die Forderungen der Liga der Wohlfahrtsverbände, und diese wiederum bezieht sich auf die Taschengeldempfehlungen des Deutschen Jugendinstituts von 2017. Diese beinhalten allerdings auch Geld zum Beispiel für ein Handy oder auch, um außer Haus mal Essen gehen zu können. Das Jugendinstitut unterscheidet also zwischen Taschengeld und Budgetgeld. Dafür gibt es unterschiedliche Berechnungsgrundlagen.

Ich stimme der Aussage zu, dass sich die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in den letzten 26 Jahren verändert hat und dass für sie andere Dinge wichtig oder notwendig geworden sind, wie logischerweise das Handy. Wir müssen uns überlegen, wie wir dem Rechnung tragen können.