Protokoll der Sitzung vom 27.10.2016

(André Poggenburg, AfD: Habe ich zuge- sagt!)

Das ist selbstverständlich.

Ich wollte es nur wissen. Nicht dass das jetzt infrage gestellt wird durch Ihre heutigen Ausführungen.

Die Verbände sprechen momentan mit allen Fraktionen. Dann können wir diesen Verbänden und Interessenvertretern mitteilen, dass diese Zusage besteht und Sie sich voll - -

(Zuruf von Katrin Budde, SPD)

- Was heißt alleine mitteilen? Frau Budde, nein. Doch, doch, das müssen wir mitteilen. Wir wollen - -

(Zuruf von Katrin Budde, SPD)

- Frau Budde, wir wollen doch, dass etwas für Minderheiten in unserem Land erreicht wird. Dazu

sind alle Fraktionen und Parteien eingeladen. Ich wollte nur sichergehen, dass sich daran nichts ändert, Herr Farle.

Dazu kann man eine ganz klare Antwort geben. Auch wenn wir eine solche Koordinierungsstelle auf Landesebene für LSBTTI-Flüchtlinge ablehnen, wissen wir doch - möglicherweise im Gegensatz zu manchen bei Ihnen -, dass es dies auf der Bundesebene schon gibt.

Auch wenn wir dem Punkt 7 des Antrages nicht zustimmen, die Aufklärung und historische Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexuellen in Sachsen-Anhalt zu realisieren, sind wir doch für diese Aufklärung, zu 100 %. Wir sind auch dafür, dass alle Menschen Entschädigungszahlungen erhalten, die zu Unrecht staatlich verfolgt wurden.

Aus dem, was ich sage, ergibt sich eine Grundsatzposition: Die AfD wird bei allem mitarbeiten, was in diesem Parlament eine Rolle spielt. Das haben Sie doch hoffentlich schon bemerkt. Wir werden aber auch unsere Anträge stellen und versuchen, diese Prozesse zu beeinflussen; denn dafür sind wir von 24 % der Bürgerinnen und Bürger gewählt worden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Wenn keine weiteren Fragen vorliegen, danke ich dem Abg. Farle für seine Ausführungen. - Ich bitte nun den Abg. Herrn Striegel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an das Rednerpult.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nennen Sie mich naiv; denn ich hätte mir gewünscht, der Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE wäre nicht notwendig.

Ich habe geglaubt, es sei überflüssig, zu Beginn einer Legislaturperiode noch einmal zu beschließen, was bereits beschlossen wurde und doch eigentlich selbstverständlich ist: dass Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gleich an Rechten sind, dass sie geschützt werden müssen, wenn ihnen diese Rechte abgesprochen werden, und dass Gleichberechtigung aller nicht nur Anspruch sein darf, sondern konkret durch Maßnahmen an den Stellen untersetzt werden muss, an denen sich noch Defizite zeigen, weil Unterschiedlichkeit eben noch nicht als normal empfunden wird.

Ich habe dies angenommen, obwohl zu Beginn der Legislaturperiode bereits Haftstrafen für Homosexuelle in diesem Raum gefordert wurden.

(André Poggenburg, AfD: Falsch!)

- Schauen Sie ins Protokoll. - Ich habe mir gesagt, das war ein Einzelfall. Aber dann habe ich mir das Protokoll der letzten Landtagssitzung zur Hand genommen. Darin las ich von vermeintlichen Normabweichungen, Gesellschaftsexperimenten, Fehlern der Natur, Menschenexperimenten - und das alles unter breitem Applaus einer Fraktion hier im Haus.

Das zeigt, der Weg zur vollen Anerkennung von LSBTTI-Lebensweisen ist noch weit. Der in der letzten Legislaturperiode einstimmig beschlossene Aktionsplan ist notwendig. Diese Koalition wird ihn umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür stehen wir als GRÜNE ein. Das hat sich diese Koalition in Gemeinsamkeit in ihrem Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht. Ein Koalitionsvertrag bedeutet aber noch keine Gleichstellung für LSBTTI ad hoc. Wir werden die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages deshalb Stück für Stück umsetzen.

Mit Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes hat der Verfassungsgeber auch einen Auftrag geschaffen, der auf die tatsächliche Verwirklichung der Gleichberechtigung in der Gesellschaft zielt. Die von uns geplante Ergänzung von Artikel 7 Abs. 3 der Landesverfassung Sachsen-Anhalts um das Merkmal der sexuellen Orientierung dient diesem Auftrag. Wir wollen Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Empfindung in jeder Hinsicht gleichstellen und gleich behandeln.

Dabei geht es eben nicht um Symbolpolitik, sondern um eine Frage der Menschenrechte. Der EGMR hat wiederholt deutlich gemacht, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ebenso zu beurteilen ist wie Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder aus rassistischen Gründen. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gibt es bereits ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Was für Private gilt, sollte doch erst recht für ein Bundesland gelten.

Mit der Ergänzung des Tatbestandsmerkmals der sexuellen Identität werden die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie Transgendern, Transsexuellen und Intersexuellen nachhaltig gestärkt. Der Antrag der LINKEN hilft in diesem Punkt jedoch nicht wirklich weiter. Ein mit Mehrheit beschlossener Text ersetzt keine Verfassungsänderung. Unser Engagement gilt deshalb nicht Absichtserklärungen, sondern der konkreten Überzeugungsarbeit mit dem Ziel, dass in dieser Legislaturperiode zwei Drittel der Mitglieder dieses Hohen Hauses einer Änderung der Landesverfassung ihre Stimme geben.

Warum ich glaube, dass diese Mehrheit möglich ist? Lassen Sie mich dazu Carolin Emcke aus ihrer Rede zur Verleihung des Friedenspreises

des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche zitieren:

„Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird.“

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)

„Verschiedenheit ist kein Grund für Ausgrenzung, Ähnlichkeit keine Voraussetzung für Grundrechte. Das ist großartig; denn es bedeutet, dass wir uns nicht mögen müssen. Wir müssen einander nicht einmal verstehen in unseren Vorstellungen vom guten Leben. Wir können einander merkwürdig, sonderbar, altmodisch, neumodisch, spießig oder schrill finden.“

Ja, selbst, wenn sich hier jemand für normal hält, muss ich das nicht für normal halten; ich kann seine politischen Haltungen beispielsweise trotzdem ablehnen.

Auch wenn es gerade wieder in Mode kommt, Verschiedenheit als Begründung für Ungleichheit heranzuziehen - Emcke spricht hierbei unter Rückgriff auf Todorow von der „sozialen Pathologie unserer Zeit“, die - ich zitiere -

„[…] uns einteilt und aufteilt, in Identität und Differenz sortiert, nach Begriffen, und Hautfarben, nach Herkunft und Glauben, nach Sexualitäten und Körperlichkeiten spaltet, um damit Ausgrenzung und Gewalt zu rechtfertigen“,

wollen wir, wir als GRÜNE, aber ich denke, auch wir als Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE diese Vielfalt feiern und kämpfen gemeinsam mit den anderen hier im Haus für eine Kultur, in der Vielfalt Normalität und Stärke ist gegen jede Ausgrenzung. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Abg. Striegel, gestatten Sie eine Nachfrage von Herrn Roi?

Selbstverständlich.

Herr Abg. Striegel, wir haben etwas gemeinsam: Erstens sind wir beide Menschen und zweitens haben wir uns beide das Plenarprotokoll der letz

ten Sitzung vorgenommen. In dieser Sitzung gab es den Vorwurf Ihrer Fraktionsvorsitzenden Lüddemann, dass die AfD sich für die deutsche Familie einsetzt. Ich hatte sie auch noch einmal gefragt, ob ich es richtig verstanden gehabt habe,

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ein biss- chen aus dem Kontext gerissen!)

dass wir dafür kritisiert würden, dass wir uns für die deutsche Familie einsetzten. Sie antwortete darauf nicht. Deshalb interessiert mich nun Ihre Meinung als Vertreter der GRÜNEN, ob Sie uns auch dafür kritisieren, dass wir uns für die deutsche Familie einsetzen. - Vielen Dank.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Nur!)

Herr Kollege Roi, mein Problem ist nicht, dass Sie sich für deutsche Familien einsetzen. Mein Problem ist, dass Sie sich für alle diejenigen, die Sie als nichtdeutsch definieren, nicht einsetzen. Darin liegt der Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wenn es keine weiteren Fragen gibt, dann danke ich Ihnen, Herr Abg. Striegel. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Abg. Kolze.

Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns mit der Thematik Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intersexuelle Menschen in der letzten Plenarsitzung ausgiebig beschäftigt. Mit Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN - -

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Das ist nicht unser Antrag!)

- Der LINKEN, ich bitte um Entschuldigung.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Schön wäre es! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, mit Ihrem Antrag greifen Sie Vorhaben aus unserem Koalitionsvertrag auf und versuchen, die Koalition vor sich herzutreiben und zu Schnellschüssen zu bewegen. Ich sage Ihnen: Das kann man zwar machen, aber mit mir führt es nicht zum Ziel.

Die CDU steht für Gründlichkeit vor Eile. Insoweit haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, zunächst einen Zeitplan für die Abarbeitung der gleichstellungspolitischen Themen aus dem Koalitionsvertrag zu erstellen. Wir stehen am Anfang der Legislaturperiode und haben aus