Protokoll der Sitzung vom 16.10.2020

(Beifall)

DIE LINKE sagt ganz klar und deutlich: Es heißt jetzt, den Rücken gerade zu machen für die Menschen in unserem Bundesland.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das ist doch wirk- lich Unfug!)

Wir wollen kein weiteres atomares Endlager.

(Zurufe: Populisten! Populisten!)

Wir sind nicht das Atomklo der Nation.

(Lebhafter Beifall - Zuruf: Das ist so billig! - Weitere Zurufe)

Jetzt spricht zur Einbringung des Antrags der AfDFraktion mit dem Titel „Sachsen-Anhalt ist kein Standort für ein Atommüll-Endlager“ in der Drs. 7/6678 die Abg. Frau Funke. Frau Funke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrtes Hohes Haus! Was auch immer AfD-Leute in anderen Bundesländern meinen - wir sagen, SachsenAnhalt - und wir stehen nun einmal für SachsenAnhalt - ist kein Standort für ein Atommüllendlager, meine Damen und Herren. Das möchte ich auch begründen.

Schauen wir nach Morsleben. Dazu einige Zahlen. Ich habe absichtlich Morsleben ausgewählt. Mit Stand vom Juni 2018 belaufen sich die Zahlen auf 154 Mitarbeiter, Ausgaben in Höhe von 45 Mil

lionen € im Jahr 2017 und Gesamtausgaben in Höhe von rund 1,3 Milliarden € von 1990 bis 2018. Das wird jetzt natürlich noch sehr viel mehr sein. Die eingelagerte Gesamtaktivität beläuft sich auf 210 Billionen Becquerel und auf ein Abfallvolumen von 37 000 m³. Zum Vergleich: Das Bergwerk Asse enthält 47 000 m³.

Die eingelagerten Abfälle stammen zu 20 % aus Forschung, Industrie, Medizin und Bundeswehr und bereits jetzt zu 80 % aus dem Betrieb und der Stilllegung von Kernkraftwerken. Ja, Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren. Damit gehören gerade einmal 20 % der Abfälle zu den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, wie es die Landesregierung erst kürzlich postuliert hat.

(Olaf Meister, GRÜNE: Aber Sie sind doch für Atomkraft!)

Sind dann 80 % der Abfälle etwa hoch radioaktiv? Frau Dalbert, es wäre gut zu wissen, wie sich die 80 % konkret zusammensetzen.

(Olaf Meister, GRÜNE: Wo soll es denn hin?)

Im 1970 wählte die damalige DDR-Regierung das Bergwerk als Endlager für radioaktive Abfälle. Im Jahr 1990 ging die Betriebsgenehmigung per Einigungsvertrag auf die Bundesrepublik über. Laut der BGE Morsleben wird Morsleben von nun als gesamtdeutsches Endlager für die Entsorgung radioaktiver Abfälle genutzt. Genau so steht es auf der Internetseite der BGE Morsleben.

Dieses Endlager soll nun unter Verbleib der Abfälle stillgelegt werden. Das hierfür notwendige Genehmigungsverfahren läuft schon seit einer ganzen Weile, nämlich seit 2005. Bis 2026 hofft die BGE auf die vollständige Abgabe ihrer Stilllegungsunterlagen, und - so ist es geplant - im Jahr 2028 soll es dann mit der Stilllegung auch so weit sein.

Ob es so weit kommt, wird selbst von der BGE Morsleben kritisch betrachtet; denn es kommen immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Weiterentwicklungen der Technik und der Technikstandards hinzu, wonach immer wieder neue Prognosen zur Sicherung des Bergwerks erstellt werden müssen und das Stilllegungskonzept entsprechend angepasst werden muss.

Damit ist eigentlich alles gesagt, meine Damen und Herren. Ich weiß nicht, worüber wir in den letzten Wochen, als es um die Kartierung von geologisch möglichen Endlagergebieten ging, eigentlich geredet haben. Das Land Sachsen-Anhalt trägt nämlich bereits eine gesamtdeutsche Verantwortung, weil es schon ein Endlager besitzt.

(Beifall)

Somit könnten wir also ein weiteres Endlager ablehnen; Herr Lange hat es schon gesagt. So einfach wäre das. Dass ein Bundesland als Standort für ein Endlager nicht infrage kommt, hat die Koalition CSU/Freie Wähler in Bayern in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Und nichts anderes fordern wir: Wir fordern von der Landesregierung Sachsen-Anhalts ebenfalls eine solche Positionierung für unsere Bevölkerung im Land. Punkt.

(Beifall)

Okay, scheinbar reichen die Begründungen noch nicht aus. Ich kann noch einige weitere Fakten liefern. Kommen wir zu den Summen, mit denen der Zukunftsfonds die Akzeptanzprobleme der gesamtdeutschen Endlager für die regionale Bevölkerung erträglich machen soll. Umweltministerin Dalbert hat dazu im MDR schon gut vorgearbeitet.

(Zuruf: Und warum sind Sie dann noch für Atomkraft?)

Demnach hat die Asse seit 2014 einen von einer Stiftung getragenen Fonds, der jährlich mit 3 Millionen € gespeist wird. Aus dem KonradFonds gibt es seit 2011 jährlich jeweils 700 000 €. Warum genau der Bund für Morsleben sehr viel weniger Geld bereitstellt, nämlich nur 400 000 € pro Jahr ab dem nächsten Jahr und bis maximal 1,6 Millionen €, konnte die Frau Ministerin nicht erklären. Das sei eine schwere Frage, zitiere ich sie.

(Zuruf: Haben Sie denn da etwas unter- nommen?)

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abg. Herrn Meister haben Sie erklärt, es sei für die Landesregierung überraschend, dass die Zahlen für Asse und Morsleben nicht unerheblich voneinander abwichen. Herr Meister wird dazu deutlicher und kritisiert, dass die Schachtanlagen Asse und Konrad im Landkreis Wolfenbüttel mehr Geld und dies auch noch deutlich früher bekommen hätten. Diese Ungleichbehandlung ist in der Tat nicht nachvollziehbar, Herr Meister. Das sehen wir genauso. Die AfD-Fraktion bewertet es ebenfalls als klare Ungleichbehandlung. Schon allein deshalb erwarten wir jetzt eine klare Absage von Ihnen, dass unser Land für weitere Suchabfragen eben nicht mehr zur Verfügung steht.

Nun kommen wir zu den Auswirkungen des Endlagers, die dann quasi mit den Fondsgeldern kaschiert werden sollen. Auch dazu die Einschätzung von Umweltministerin Dalbert - man höre und staune -: Zwar werde in der Schachtanlage nichts mehr eingelagert, doch das Endlager sei weiterhin eine Belastung für die Bevölkerung. Sie sagte: „Deshalb wollen wir, dass die Menschen vor Ort ihre Dörfer attraktiver gestalten und die soziale Gemeinschaft stärken können.“ Die Menschen könnten ihre konkreten Ideen umsetzen;

„das stärkt das Heimatgefühl“ - ja, das hat sie gesagt - „und macht die Region attraktiv“.

Zu unserer Heimat gehört also ein Endlager - Fragezeichen! -, ein Schmelztiegel, der uns zusammenschmiedet, oder vielleicht auch zwei? Welcher Tourist findet denn ein Endlager attraktiv?

(Zuruf: Doch!)

Das neue Motto an Sachsen-Anhalts Autobahnen könnte im Anschluss also lauten: „Besuchen Sie Sachsen-Anhalt - wir strahlen immer.“

(Heiterkeit)

Aber jetzt Spaß beiseite. Wir sind wieder bei der Umweltministerin Claudia Dalbert, die abschließend beim MDR neulich an das Gewissen aller appellierte: Der Verantwortung könne sich niemand entziehen, sagt sie. Alle, die sich verschließen würden, hätte nicht begriffen, worum es gehe. - Das sagt eine GRÜNE, also eine aus der Partei, deren Mitglieder sich damals bei den Protesten gegen die Einlagerung in Gorleben und auch in Morsleben an Gleisen festketteten und massiv demonstrierten. Der damalige Verantwortliche ist heute im Übrigen der Leiter der Bundesgesellschaft für Endlagerung.

Das, Frau Ministerin, ist der perfekte Übergang zur Verantwortung unserer Landesbehörden und zu dem Dauerbrenner Landesamt für Geologie und Bergwesen. Herr Lange hat das schon erwähnt.

Vielleicht kann die Frau Ministerin als Mitglied der Endlagerkommission dann auch noch die Frage beantworten, wieso der zuständige Abteilungsleiter für Geologie aus dem LAGB in der „MZ“ bereits seit Anfang des Jahres feststellt, dass er die Region Dessau als Endlagerstandort nicht für geeignet hält, da die Bohrkerne bewiesen, dass das kristalline Gestein offene Klüfte aufweise, damit grundwasserdurchlässig sei und er ein großes Fragezeichen hinter diesen Standort setze.

Da stellt sich generell die Frage: Wieso wird derart ungeeignetes Gestein überhaupt an die BGE weitergeleitet und taucht dort im Zwischenbericht auf, um bereits jetzt für Verdruss und Unruhe in der Bevölkerung zu sorgen? Halten Sie einen derartigen Umgang mit vorhandenem Wissen etwa für verantwortlich? Wenn nicht einmal solche einfachen Vorgänge in der Bund-Länder-Kommunikation funktionieren, was soll hier dann bei der Errichtung eines zweiten Endlagers zu erwarten sein? Was wird dann wieder alles gemeldet und genehmigt, das sich im Nachhinein als nicht geeignet oder undicht erweist?

Das ist auch keine neue politische Kultur in der Öffentlichkeitsbeteiligung, wie das Umweltministerium suggeriert, sondern das ist ganz einfach Ver

sagen der Landesbehörden. Und das gibt es beim Umgang mit Abfall in unserem Land bereits genug.

(Beifall)

Das muss endlich aufhören. Es kann nicht ständig so weitergehen, bis erneut ein Schaden entsteht, für den keiner verantwortlich ist, sodass der Steuerzahler einspringen muss und ein Untersuchungsausschuss zum Schluss die Vorgänge aufklären soll.

Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir im Bereich radioaktiver Abfälle von einem zweiten Morsleben verschont bleiben. Das eine existierende Morsleben wird uns noch weitere Jahrzehnte bis zur tatsächlichen Stilllegung beschäftigen. Das reicht aus, meine und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall)

Frau Funke, warten Sie bitte. Es gibt gleich drei Nachfragen. Sie können jeweils darüber entscheiden, ob Sie die Frage beantworten wollen. Als Erster hat der Kollege Hövelmann eine Nachfrage. Wollen Sie die Frage beantworten? - Nein. Dann der Kollege Meister? - Auch nicht. Und die Frau Präsidentin?

(Lydia Funke, AfD: Nein!)

- Auch nicht. Gut, dann sind wir mit diesem Debattenbeitrag fertig.

(Olaf Meister, GRÜNE: Das wären so schöne Fragen gewesen! - Heiterkeit - Olaf Meister, GRÜNE: Inhaltlich stellen! - Weite- re Zurufe)

Es geht weiter. Frau Dalbert, jetzt haben Sie die Chance. Wir steigen ein in die Dreiminutendebatte. Darauf bin ich jetzt gespannt, Frau Dalbert. Es kann losgehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin.

Danke, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Anträge verdeutlichen, dass Atommüll bei uns allen zuallererst auf Ablehnung und Angst stößt. Das verdeutlicht noch einmal, dass es gut ist, dass wir inzwischen aus der Atomenergie ausgestiegen sind und keinen weiteren Atommüll produzieren.

(Beifall)