Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

(Zuruf: Das ist kein CDU-Mann mehr!)

- Ja, keiner mehr. Keiner mehr! Er war es aber. Sie müssen 49 000 € für die Nachholung einer Briefwahl zahlen. Und Sie beschließen hier heute eine pandemische Lage bis Februar 2021. Die Landeswahlleiterin kann bis zu vier Monate vor der Wahl feststellen, ob es eine pandemische Lage und eine Notlage gibt, und kann eine vollständige Briefwahl ausrufen. Es ist sehr komisch, dass das alles so beantragt wird und Sie hier so reden, als ob das alles ganz normal ist. Sie entscheidet dann das ganz allein, ob das so passiert oder nicht. Sie ist dem Innenministerium von Herrn Stahlknecht unterstellt. Das sind alles so Sachen, die für mich nicht ganz nachvollziehbar sind.

Ich sage: herzlichen Glückwunsch zur Demokratie; denn Briefwahlen sind nun einmal sehr anfällig für Fälschungen. Sollten wir mit unserer Vermutung recht behalten, dann kann ich Ihnen hier schon einmal ankündigen, dass es in der nächsten Legislaturperiode den nächsten parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben wird. - Vielen Dank.

(Beifall)

Nach der Desinfektion des Rednerpults kann Herr Krull den Antrag zu Punkt c) einbringen. Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Vorstellung des Koalitionsantrages komme, seien mir zwei Vorbemerkungen gestattet. Erstens. Wer laut wird, hat nicht automatisch recht.

(Beifall)

Zweitens. Wenn unsere Debatten bei Twitter übertragen werden würden, müssten Redebeiträge dieses Parlaments inzwischen mit Warnhinweisen zu Fake News ausgestattet werden.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst vor Kurzem hat die Mehrheit des Hohen Hauses die Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes

des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen.

(Zuruf: Buh!)

Ziel der damaligen Veränderungen war es unter anderem, die kommunale Handlungsfähigkeit auch unter sehr schweren Rahmenbedingungen sicherzustellen. Dazu gehören Regelungen, in welcher Art und Weise Sitzungen der kommunalen Gremien durchgeführt werden können und wie Abstimmungen in schriftlicher und elektronischer Form durchgeführt werden können in dem Fall, dass zum Beispiel eine pandemische Lage auftritt.

Im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. November 2020 wurde dieses Gesetz entsprechend veröffentlicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle hier im Saal kennen die aktuellen Zahlen zur Entwicklung des SARS-CoV-2-Virus bzw. der Pandemie weltweit, in Deutschland und in SachsenAnhalt. Bis auf eine Fraktion erkennen alle in diesem Hohen Haus die aktuelle Faktenlage und damit auch die pandemische Lage an.

Alle ergriffenen Maßnahmen haben das Ziel, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sicherzustellen und gleichzeitig das Gesundheitssystem in unserem Land vor einer Überforderung zu schützen. Der Schutz und die Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung sind den Antragstellern ein hohes Gut. Mit einer Beschlussfassung am heutigen Tag zu dem vorliegenden Antrag wird dies sichergestellt. Wir machen es damit möglich, dass die Kommunen die neuen Möglichkeiten des § 56a Abs. 2 bis 6 des Kommunalverfassungsgesetzes für ihre Arbeit nutzen können.

Die Gremien können also nach einer entsprechenden Beschlussfassung und einer Änderung ihrer Geschäftsordnung in Form von Videokonferenzen tagen bzw. schriftliche und elektronische Abstimmungsformate umsetzen. Zugegebenermaßen sind die rechtlichen Hürden dafür bzw. die Zustimmungsquoten recht hoch angesetzt, aber ich denke, es ist im Sinne aller Mitglieder der kommunalen Vertretungen, die Arbeitsfähigkeit sicherzustellen. Deswegen bin ich mir auch sicher, dass es die entsprechenden Mehrheiten in den kommunalen Gremien dafür geben wird.

Selbstverständlich ist die Arbeit der Ortschaftsräte, der Stadträte, der Verbandsgemeinde- und der Gemeinderäte sowie der Kreistage auch im Rahmen der Ausnahmeregelungen der Eindämmungsverordnung sichergestellt. Aber die bereits kurz geschilderten neuen Möglichkeiten sind zusätzlich und sollten aus der Sicht der Koalition auch genutzt werden, wenn dies die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort wünschen.

Es wäre übrigens ein gutes Zeichen für die Handlungsfähigkeit des Hohen Hauses, wenn der Landtag selbst diesen Beschluss fasste, sodass die Feststellung der pandemischen Lage nicht durch die Kommunalaufsicht erfolgen muss.

Darüber hinaus wird mit dem heutigen Beschluss das Ministerium für Inneres und Sport in die Lage versetzt, durch entsprechende Erlasse eine zeitlich befristete Freistellung von haushaltsrechtlichen Vorschriften für die Kommunen zu regeln. Klares Ziel ist dabei, die Haushaltsaufstellung und die Haushaltsdurchführung für die Gemeinden, die Städte und die Landkreise zu vereinfachen und damit auch ihre finanzielle Handlungsfähigkeit sicherzustellen.

Zu dem Thema Briefwahl - das behandeln wir heute eigentlich ausdrücklich nicht, aber es wurde angesprochen - und zu Ihrer Unterstellung, dass eine Briefwahl gefälscht werden kann, möchte ich eines noch einmal ganz deutlich machen: Sie haben doch selbstverständlich die Möglichkeit, an den Auszählungen auch in den Briefwahllokalen teilzunehmen. Sie können Ihre Mitglieder dorthin schicken und dann können sie das alles wunderbar kontrollieren.

(Zuruf: Der Betrug fand schon im Vorfeld statt! Nicht beim Auszählen!)

Wir kennen die Argumentation, warum Sie gegen die Briefwahl sind. Sie wissen genau, dass Sie mit Ihrer Politik nicht die Mehrheit der Bevölkerung in diesem Land vertreten, und haben Angst davor, dass Sie dabei möglicherweise schlecht abschneiden.

(Zustimmung - Zurufe)

Aber gut, man kann schon jetzt gegen Niederlagen vorbauen, sich Illusionen hingeben und entsprechende Vorbereitungen treffen, um argumentieren zu können, warum man doch eine Niederlage erlitten hat. Das nennt man eine gute Vorbereitung; das gebe ich zu.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen, und zwar nicht nur, weil der Antrag von uns kommt - das würde normalerweise bereits genügen. Darüber hinaus gibt es auch von den kommunalen Spitzenverbänden und von vielen Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Ebene den eindringlichen und dringenden Wunsch auf eine solche Beschlussfassung im Landtag.

Ich möchte meine Ausführungen nicht schließen, ohne den Kommunen, den dort Beschäftigten sowie den ehrenamtlich kommunalpolitisch Aktiven für ihre Arbeit zu danken. Denn der übergroße Teil der Beschlüsse, die der Bund und wir als Land zu der Pandemiebekämpfung fassen, muss vor Ort ganz praktisch umgesetzt werden.

Ich möchte mich den Worten des Landtagspräsidenten ausdrücklich anschließen: Wer mit Begrifflichkeiten wie „Häscher“ die Arbeit derjenigen, die sich um Bevölkerungsschutz kümmern, diskreditiert, der sollte sich vielleicht tatsächlich überlegen, ob er noch ein Volksvertreter ist, wenn er Menschen, die ihre Arbeit unter schwierigen Bedingungen leisten, dermaßen diffamiert.

(Beifall)

In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gibt als Erstes eine Frage von Herrn Loth. Möchten Sie diese beantworten?

Herr Loth, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Sie sagten, bei der Feststellung der pandemischen Lage könnten die Städte und Gemeinden auf verschiedene Instrumente zurückgreifen, um die kommunale Arbeit aufrechtzuerhalten. Meine Frage: Können sie die Technik, die sie jetzt anschaffen müssen, von den Coronaerweiterungshilfen bezahlen? Oder müssen sie diese Technik für Videokonferenzen usw. selbst bezahlen?

Es wird dafür kein zusätzliches Geld des Landes geben. Viele Räte tagen bereits in digitalen Formaten; dort ist die entsprechende Technik also bereits vorhanden. Nach meinem Kenntnisstand gibt es auch unterschiedliche Leihmodelle, sodass die entsprechende Technik nicht sofort angeschafft werden muss, sondern zeitlich begrenzt angeboten werden kann. Insofern wird es kein gesondertes Geld des Landes geben. Aber ich denke, die Kommunen sind technisch schon so weit ausgestattet, dass sie die Möglichkeiten nutzen können.

Es gibt noch eine Intervention von Herrn Farle. Bitte, Herr Farle.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Mir geht, auch wenn ich Ihre Stellungnahme höre, durch den Kopf, dass es damals, als das Ermächtigungs

gesetz im Hitlerfaschismus der Anfang der Entwicklung war, in der Regel gerade die bürgerlichen Kräfte gewesen sind, die keinen Widerstand geleistet haben. Er konnte durchregieren, von oben bis unten.

Das, was Sie gerade deutlich gemacht haben - - Ja, die Kommunen wollen, dass sie auch eigene Regeln aufstellen können. Ja, im Landkreis Mansfeld-Südharz hat sogar die Landrätin eigene Regeln aufgestellt.

Ich möchte eigentlich nur eines deutlich machen: Wenn es in Deutschland wieder möglich ist, von oben bis unten rechtswidrige Maßnahmen durchzuführen, ohne Widerspruch anzumelden, ohne sich dagegen zu wenden

(Zuruf: Was erzählen Sie hier? Rechtswid- rig?)

- ja, das ist rechtswidrig; der Bruch des Grundgesetzes ist - das müssten Sie sich einmal angewöhnen - rechtswidrig, gegen den Rechtsstaat gerichtet -, dann sehe ich in dem vorauseilenden Gehorsam, in der mangelnden Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen und anständig auf die Menschen und die Bürger zuzugehen, eine der Hauptquellen dafür. - Vielen Dank.

Herr Krull, Sie können antworten, wenn Sie wollen.

Herr Farle, ich glaube, es wurde heute schon sehr deutlich, dass der von Ihnen und Ihren Kollegen auf verschiedenen politischen Ebenen der AfD vorgetragene völlig falsche Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz

(Detlef Gürth, CDU: Eine Geschichtsver- gessenheit ohnegleichen!)

eine geschichtliche Frechheit ist und deutlich zeigt, dass Sie aus der Geschichte dieses Landes offensichtlich noch nichts gelernt haben.

(Beifall - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Zweitens bin ich dankbar dafür, dass es in Deutschland eine unabhängige Justiz gibt, die staatliches Handeln kontrolliert, auch das Land Sachsen-Anhalt. Die entsprechenden Eindämmungsverordnungen wurden gerichtlich überprüft. Dabei haben wir nicht immer obsiegt, im Regelfall allerdings schon. Ich bin dankbar dafür.

Wir sind nicht fehlerlos. Wenn uns Gerichte in politischen Entscheidungen auch einmal korrigieren, weil wir oder die Landesregierung einen Fehler begangen haben, dann ist das gut so. Ich

bin froh, dass wir die richterliche Unabhängigkeit haben.

(Zurufe)