Zur zweiten Frage. Der Presse war ganz klar zu entnehmen, dass Herr Ministerpräsident Haseloff gesagt hat, dass das Zurückziehen des Staatsvertrages mit der Akzeptanz und der Toleranz der Koalitionspartner, also von Ihnen und den GRÜNEN, passiert ist. Sie erzählen uns jetzt das Gegenteil. Was ist passiert? War das abgesprochen? Stimmte das jetzt? Wer hat recht? Es gibt jetzt zwei Aussagen: Die vom Herrn Ministerpräsidenten in der Presse und Ihre jetzt am Pult.
Vielen Dank. - Herr Siegmund, ich zitiere Ihnen die Passage aus meiner Rede: Der Ministerpräsident hat einen Gesetzentwurf zurückgezogen, weil es dafür im Landtag keine Mehrheit der Koalition gab. - Das ist das, was ich gesagt habe. Das ist etwas anderes, als Sie dargestellt haben.
Am Montagabend gab es ein Gespräch, zu dem die Fraktionsvorsitzenden und die parlamentarischen Geschäftsführer eingeladen waren und in dem wir die unterschiedlichen Positionen zum Staatsvertrag noch einmal intensiv - intensiv! - und kritisch miteinander bewertet haben. Ich glaube, ich plaudere nicht aus dem Nähkästchen, wenn ich sage, dass wir uns in der wirklich straff gestrickten Woche der Diskussion als Koalition inhaltlich überhaupt nichts geschenkt haben.
Nach diesem Ergebnis wurde festgestellt, dass wir alle drei zusammen keine Mehrheit der Koalition für diesen Vertrag sehen. Das hat den Ministerpräsidenten dazu bewogen, den Staatsvertrag zurückzuziehen. Über seine Entscheidung hat er das Kabinett am nächsten Tag informiert. Ob Sie das als „Sie haben es gewusst; Sie haben mitgemacht“ interpretieren, das liegt bei Ihnen. Ich habe Ihnen dargestellt, wie die Abläufe am Montag und am Dienstag waren.
Sehr geehrte Kollegin Dr. Pähle, in der Koalition sind wir uns in den allermeisten Punkten einig, auch zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Lediglich bei dem Staatsvertrag gab es einen nicht zu übersehenden Dissens. Sie haben hier vorhin etwas Wichtiges gesagt. Sie sind für Ihre Fraktion der Auffassung, dass die Verweigerung der Zustimmung zu dem Staatsvertrag, bei dem es um die Finanzierung ging, aus Ihrer Sicht nicht das geeignete Instrument sei, um auf die aus Ihrer Sicht oder aus der allgemeinen Sicht der Koalition notwendigen Reformen im öffentlichen Rundfunk zu dringen.
Nun habe ich erwartet, dass dann auch Vorschläge kommen, wie man, ohne ein Zeichen zu setzen, tatsächlich Reformen anstoßen und erreichen kann, die dann tragen. Ich komme wieder zu dem Thema Relevanz und Akzeptanz. Wir halten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für unverzichtbar. Wie will man das dann ohne ein solches Zeichen erreichen?
Wir haben in der Rechtsprechung die zwei folgenden Grundlagen. Im Rahmen der Privatautonomie muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk grundsätzlich autonom und in eigener Verantwortung darüber entscheiden, was zur effektiven Erfüllung des Grundversorgungsauftrages erforderlich und geboten ist. Dann kommen Politik und Intendanz. Weiter heißt es: Wenn wir in die anderen Staatsverträge eingreifen, dann stehen wir uns folgender rechtlicher Position gegenüber: Die gesetzlichen Vorgaben zu Zahl, Umfang und Inhalt der Programme - das ist das, was man in einem anderen Staatsvertrag hätte regeln können - entfalten keine materiell-rechtlichen Bindungswirkungen.
Nun stellt sich für mich und für alle, die es jetzt ernst meinen mit der Zukunft auch für die nächste Generation, die Frage: Wie will man erreichen, dass man in der föderalen Struktur Deutschlands mit der Besitzstandswahrung des Status quo etc. die notwendigen Reformen hinbekommt? Ich bin ganz gespannt auf Ihre Vorschläge.
Das können sie jetzt auch sein; denn Sie haben jetzt die zwei Minuten überschritten. Jetzt kann Frau Pähle erst einmal antworten. Bitte.
Vielen Dank. - Herr Kollege Gürth, ich denke, das ist ein ganz schwieriges Thema. Denn natürlich ist
der Einfluss eines einzelnen Bundeslandes sehr, sehr begrenzt. Staatsminister Robra hat dargestellt, dass man auch in verschiedenen Reformdiskussionen eigentlich schon ein Stück weiter war und das dann in anderen Parlamenten wieder gekippt wurde, von einer Partei, die, wie er sagte, hier nicht vertreten ist.
Ich mache einen ganz konkreten Vorschlag. Lassen Sie uns doch zum Beispiel beim MDRStaatsvertrag mit der Deckelung der Intendantengehälter anfangen.
Das wäre eine Möglichkeit gewesen. Es sind drei Bundesländer. Möglicherweise hätte man einfacher gemeinsam mit Sachsen und Thüringen eine Verständigung erreicht, als wenn man zum Beispiel sofort auf das ZDF schaut. Ich halte es persönlich für schwierig, aus Sachsen-Anhalt heraus dem Stadtstaat Bremen zu signalisieren: Schließt eure eigene Rundfunkanstalt. Aber die Diskussion - -
Versuchen Sie es noch einmal, Frau Pähle, dem Herrn Gürth die Antwort zu geben. Vielleicht schrauben sich die anderen ein bisschen herunter. Wir hatten aber schon schlimmere Geräuschkulissen.
Mit anderen Worten: Ich würde dafür plädieren und habe auch dafür plädiert, über einen Entschließungsantrag den Reformbedarf klar zu signalisieren, um in den weiteren Verhandlungen zu dem nächsten Staatsvertrag auch den Verhandlern, nämlich der Staatskanzlei, eine Linie vorzugeben. Gleichzeitig hätte ich vorgeschlagen, mit dem für uns wirklich zutreffenden Vertrag anzufangen und Reformen in diesem kleinen beschränkten Rahmen anzustoßen. Gelegentlich muss man einen langen Weg einfach mit dem ersten Schritt beginnen, Herr Gürth.
eigentlich nicht noch einmal aufgreifen. Weil Sie es aber gerade noch einmal so betont haben, will ich doch der Form halber die Intervention loswerden.
Wir haben uns ja an die Frau Präsidentin gewandt, wie das Zurückziehen des Staatsvertrages zu bewerten ist. Denn ein Blick in die Landesverfassung genügt, um feststellen, dass der Ministerpräsident einen Gesetzentwurf nicht allein zurückziehen kann, sondern nur das gesamte Kabinett dies tun kann. Darauf hat uns die Präsidentin geantwortet, dass sie sich mit dem Ministerpräsidenten diesbezüglich in Verbindung gesetzt hat und seine Antwort so war, dass sie es so bewerten kann, dass das gesamte Kabinett gehandelt hat und nicht der Ministerpräsident allein darüber informiert hat.
Ich habe heute noch eine Antwort von der Landesregierung auf eine schriftliche Anfrage diesbezüglich erhalten. Ich habe gefragt, wie denn das Abstimmungsverhalten war. Es wurde mir kein konkretes Abstimmungsverhalten mitgeteilt, sondern es wurde mir mitgeteilt, dass auf jeden Fall davon ausgegangen werden konnte, dass die Mehrheit im Kabinett sichergestellt war. Auch das heißt: Wenn eine Mehrheit sichergestellt werden muss, dann war es nicht der Ministerpräsident allein.
Herr Gebhardt, der Ministerpräsident hat seine Entscheidung dem Kabinett zur Kenntnis gegeben und das Kabinett hat diese zur Kenntnis genommen. Das wertet die Staatskanzlei wie auch an anderen Stellen als einen Beschluss des Kabinetts. Dem kann ich nicht widersprechen. Aber es gab keine Abstimmung darüber. Inwieweit die Staatskanzlei einschätzt, dass es dafür eine Mehrheit gegeben hätte, dazu habe ich jetzt nichts gesagt. Ich gehe davon aus, wenn man die Ministerinnen und Minister der Regierung durchzählt, dann kann man sich das möglicherweise allein schon aufgrund der Fraktionszugehörigkeit erschließen. Das ist jetzt aber reine Spekulation. Ich kann Ihnen nur sagen, wie die Situation im Kabinett war.
Frau Pähle, wir stehen in gar keinem Widerspruch zueinander. Ich wollte nur feststellen, dass es das Kabinett an sich gewesen sein muss, weil es sonst verfassungsrechtlich nicht möglich gewesen wäre, den Staatsvertrag zurückzuziehen.
Gut. In Ordnung. - Warten Sie einmal, Frau Pähle. Ich weiß nicht, ob Sie Herrn Siegmund noch antworten wollen. Er hat jetzt noch einmal eine Frage. Wenn sie diese auch noch beantworten wollen, dann kann er sie stellen. - Also, Herr Siegmund, jetzt, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Dr. Pähle, auch für die Chance, jetzt Fake News auszuräumen. Ich habe die Statistik gefunden. Die Quelle ist das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das dürften Sie kennen, und Sie wissen auch, in wessen Hand das ist. Es handelt sich um eine Auswertung der Talkshows „Menschen bei Maischberger“, „Hart aber fair“, „Anne Will“ und „Maybrit Illner“. Für das Jahr 2018 wurde die Zahl entsprechender Gäste kumuliert in Relation zu den Ergebnissen der Wahl zum Deutschen Bundestag gesetzt.
Vertreter der CDU treten beispielsweise überdurchschnittlich häufig auf. Sie hatte einen Anteil von 31 % aller Auftritte in diesen Sendungen. Die SPD hat die zweitgrößte Differenz zwischen den Werten. Sie hatte ein Wahlergebnis von 21,6%, kam aber auf 24,7 % der Auftritte. Das ist signifikant mehr. Am häufigsten treten in Relation die GRÜNEN auf: 9,4 % Wahlergebnis stehen 15,3 % aller Auftritte gegenüber.
Etwas schlechter schneiden die FDP und DIE LINKE ab mit ungefähr 20 % weniger. Beispielsweise hatte DIE LINKE ein Wahlergebnis von 9,7 %, aber nur 7 % der Auftritte. Die AfD hatte ein Wahlergebnis von 13,3 % und stellte 4,7 % der Auftritte. Das ist ein Drittel des Wahlergebnisses.
Das ist ein signifikanter Unterschied. Es ist signifikant, nachweisbar und quellenbezogen. Frau Dr. Pähle, ich frage Sie, ob Sie Ihre Aussage von vorhin, dass Herr Raue Quatsch erzählt hat, selbst als Fake News bezeichnen würden.
Herr Siegmund, ich schätze ja Ihre Art, Sachen so zuzuspitzen, dass Sie es gut über FacebookVideos verbreiten können.
Ich habe nicht gesagt, dass Herr Raue Quatsch gesagt hat. Ich habe gesagt: Gefühle sind immer etwas anderes. Ich habe gesagt, ich begebe mich dazu gern noch einmal in die Recherche. Ich erinnere mich an andere Auflistungen. Es kann vielleicht daran liegen, dass es eine aus dem Jahr 2019 ist und nicht von 2018. Ich gehe dem gern nach. Wenn meine Erinnerung an der Stelle getrogen hat, dann gebe ich das auch so zu. Geben Sie mir aber die Chance, das nicht hier am Rednerpult zu beantworten, sondern mir das einmal anzuschauen.
Dann sind wir durch. Ich sehe keine weiteren Fragen. Ich habe auch offensichtlich keine weiteren Fragen übersehen, sonst müsste jemand aufstehen. - Das ist nicht der Fall. Dann können wir in der Debatte fortfahren. Jetzt ist für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frau Fraktionsvorsitzende Lüddemann an der Reihe. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin tatsächlich dankbar für diese Aktuelle Debatte. In der ganzen Behandlung des Themenbereichs Rundfunkbeitrag, 86 Cent und Medienrechtsänderungsstaatsvertrag sind wir nun ganz klar in die Phase der Legendenbildung für die Geschichtsschreibung eingetreten. Daher sei vorausgeschickt, was mir sehr wichtig ist. Es hat unter den Koalitionsfraktionen keine Einigung in der Sache und keinen Kompromiss gegeben. Das ist ein wesentlicher Punkt, der am Montag in der Staatskanzlei festgestellt und unter der Überschrift „Wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind“ der Welt verkündet wurde.
Wir GRÜNE sind uns also in jedem Augenblick treu und in der Haltung klar geblieben. Wir wollten den Staatsvertrag aus formalen und inhaltlichen Gründen, dessen Ratifizierung ein Teil des festgelegten Verfahrens ist, und wir wollten eine offene Abstimmung im Parlament über diesen Staatsvertrag. Wir hätten uns weder an einer Aufforderung beteiligt, den Staatsvertrag zurückzuziehen, noch hätte unsere Ministerin sich daran im Kabinett beteiligt, so meine Vermutung.
Nach der ultimativen Feststellung dessen, was schon wochenlang klar war, dass sich nämlich unter den regierungstragenden Fraktionen die Meinungen diametral gegenüberstehen und dass es keine Mehrheit für irgendeine Position gibt, hat der Ministerpräsident seine Schlussfolgerungen gezogen und seine Handlungen daran ausgerichtet. In der Folge war eine Behandlung des Staatsvertrages im Ausschuss obsolet und eine Abstimmung im Parlament unmöglich, weil keine Vorlage hierher überwiesen werden konnte.
Das ist aus grüner Sicht bitter, zu allererst für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst. Die weiteren Reformen hängen auch davon ab, dass sich nach elf Jahren, in denen es keine Erhöhung des Rundfunkbeitrages gab, in denen dieser sogar einmal gesenkt wurde, Beitragsstabilität darstellt, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Beitragsstabilität bedeutet nämlich, dass unter anderem Inflationsausgleich und Tarifanpassungen eingepreist werden. Das wurde in den Koalitionsverträgen in drei weiteren Ländern so vereinbart, siehe Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen und Niedersachsen. Alle drei Länder verstehen Beitragsstabilität so, wie es in diesem Lande SPD und GRÜNE tun, und haben dem Staatsvertrag folgerichtig zugestimmt.