Erstens. Ich war in Bitterfeld nicht nur privat anwesend, sondern im Rahmen meines Abgeordnetenmandates. Denn Bitterfeld hatte zu dieser Zeit sehr deutlich sichtbar ein Naziproblem und hat es bis heute.
Zweitens. Wenn Sie mir konkret irgendwie unterstellen wollen, dass Leute, mit denen ich in Bitterfeld zu tun hatte, an Straftaten oder an Gewalttaten beteiligt waren, dann tun tun Sie das. Dann machen Sie es aber mit Namen und Hausnummer, damit wir das klären können. Ich weise einen solchen impliziten Vorwurf zurück.
Zum letzten Punkt. Die PKK-Sitzungen sind geheim. Aber bei der letzten PKK-Sitzung ist miteinander verabredet worden, dass wir mit den Dingen auch rausgehen können. Es gab sogar eine Pressemitteilung und entsprechend habe ich mich geäußert. Im Übrigen ist der Beitrag, glaube ich, auch nicht gelöscht. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank.- Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages nicht gefasst. Damit ist der Tagesordnungspunkt 15 erledigt und wir treten in die Mittagspause ein.
Bitte denken Sie daran, dass während der Mittagspause der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration tagt.
Als Einbringerin hat für den Antrag der Fraktion DIE LINKE Frau Quade das Wort. Bitte sehr, Frau Quade.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! In der Tat ist es günstig, dass die beiden Tagesordnungspunkte, wenn auch durch die Mittagspause unterbrochen, aufeinander folgen; denn sie hängen sehr eng zusammen.
Reichsbürger, Selbstverwalter oder wie auch immer sie sich nennen mögen, erfahren derzeit eine vergleichsweise große Aufmerksamkeit. Natürlich gibt es triftige Gründe dafür. Das gesellschaftliche Phänomen der Reichsbürger wurde lange unterschätzt, und die Einschätzung des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalts, dass lediglich 20 % der Reichsbürger der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen wären, teilen wir ausdrücklich nicht.
Die zentrale Idee der Reichsbürger entspringt einem rechten Geschichtsrevisionismus. Dass sich hier auch Spinner sammeln, die sich wahrscheinlich eher von der Idee des Steuerboykotts und der Bußgeldverweigerung angezogen fühlen, tut dem Kern der politisch rechten Zuordnung keinen Abbruch, und wie wir sehen, haben wir es nicht nur mit einem rechten Phänomen zu tun, sondern auch mit einem Phänomen von Gewaltbereitschaft und zunehmender Militanz.
Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Wir haben im Innen- und im Rechtsausschuss vergleichsweise intensiv über die Problematik der Reichsbürger gesprochen. Wir haben die Probleme für Behörden, Gerichtsvollzieher, Gerichte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gerichten, für Polizistinnen und Polizisten erörtert, und unser Antrag fokussiert aus gegebenem Anlass unter anderem auch Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen.
Was er nicht fokussiert, weil es schlichtweg noch nicht bekannt war - und ich muss gestehen, ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen -, ist, dass sogenannte Reichsbürger nicht nur ein Problem für die Polizei sind, sondern dass sie stellenweise in der Polizei sind. Natürlich, Herr Minister, stellt sich für mich die Frage, da wir ja so intensiv darüber gesprochen haben - - Wo ist eigentlich der Minister? Entschuldigung!
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass auf der Rednerinnenliste als verantwortliche Ministerin Frau Grimm-Benne benannt worden ist.
Okay. Vielen Dank für die Aufklärung, Herr Präsident. - Frau Grimm-Benne, ich bin gespannt, Ihre Worte zu hören. Ich muss aber auch sagen, die Worte des Innenministers zu diesem Thema hätten mich ebenfalls sehr interessiert,
zumal sich die Frage stellt, warum er, wenn wir intensiv im Innen- und im Rechtsausschuss über Reichsbürger sprechen, nicht erwähnt, dass es eine solche Problematik gibt und sowohl im Revier Stendal als auch im Revier Magdeburg Disziplinarmaßnahmen anhängig sind.
Nun erleben wir wieder das Schauen auf den Verfassungsschutz und die Forderung, dieser solle die Reichsbürger stärker beobachten. Ich halte davon nicht viel. Was soll dabei herauskommen? Was soll der Effekt einer solchen verstärkten Beobachtung sein? Was soll dabei erzielt werden?
Ich bin vorhin in der Aktuellen Debatte auf das eklatante Versagen von Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem NSU und der Einschätzung von Gefährdungen durch Rechtsterrorismus eingegangen. Wenn wir uns die bisherigen Erkenntnisse aus der politischen und juristischen Aufarbeitung vor Augen halten, sehen wir: Solange der Quellenschutz Vorrang vor der Täterergreifung hat - das muss es bei dieser Konstruktion des Verfassungsschutzes -, wird es keinerlei Verhinderung von Straftaten, Gewalttaten oder Gefährdungen geben. Deshalb ist der Verfassungsschutz ein untaugliches Instrument, diesen Gefährdungen zu begegnen.
Was nötig wäre und auch reale Effekte hätte, wären Initiativen, um Waffenbesitz stärker zu regulieren, um besser zu kontrollieren, wer warum welche Waffen hat und wie er sie gebraucht. Nötig wäre es - damit bin ich wieder beim Thema Reichsbürger in Sachsen-Anhalt -, Empfehlungen der Polizei zum Entzug von Waffenbesitzkarten nicht sechs Wochen im Ordnungsamt liegen zu lassen, die Kommunikation zwischen den Waffenerlaubnisse erteilenden Stellen zu verbessern, die Abläufe in solchen, wie wir gesehen haben, augenscheinlich dringenden Fällen zu beschleunigen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu qualifizieren.
wäre es, im Zuständigkeitsbereich der Justiz analog der Verfahrensweise im Innenministerium bzw. bei der Polizei eine Stelle zu schaffen, die sämtliche Bedienstete der Justiz bei Rechtsstreitigkeiten mit Reichsbürgern, die infolge der Ausübung ihrer Tätigkeit entstanden sind, unterstützt und berät.
Denn wir haben mit dem Problem zu tun - das hat die Befassung im Innen-, aber noch mehr jene im Rechtsausschuss sehr deutlich gemacht -, dass jeder, dessen Namen Reichsbürger im Kontakt mit Gerichten habhaft werden, mit Drohungen, Mahnungen à la Malta-Masche und absurden Belästigungen durch Fantasiebehörden, aber eben auch mit der Veröffentlichung illegaler Videos auf YouTube zu rechnen hat. Der Staat darf hierbei seine Bediensteten nicht allein lassen. Deshalb halten wir das Tätigwerden des Justizministeriums, so wie wir es beantragt haben, für dringend geboten.
Fortbildungsangebote und Handlungstrainings für Beschäftigte der öffentlichen Verwaltungen, der Justiz und der Polizei zum Umgang mit sogenannten Reichsbürgern und anderen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus müssen ausgebaut werden, und auch das geht nicht ohne Fachleute. Wir halten es deshalb für geboten und im Übrigen auch genau für den richtigen Zeitpunkt, dass sich der Landtag unmittelbar im Vorfeld der Haushaltsaufstellungen dazu bekennt, die Arbeit gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Geschichtsrevisionismus sowie Diskriminierung und Anfeindung gegenüber als anders wahrgenommenen Lebensentwürfen noch stärker zu unterstützen und zu fördern.
Gestern erschien eine Erklärung des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, der konstatiert, was wir auch anhand der Zahlen für Sachsen-Anhalt sehr genau nachvollziehen können: Das Ausmaß rechter und vor allem rassistischer Gewalt ist dramatisch. Bereits 2015 verdoppelten sich bundesweit die Zahlen, und nach dem, was wir bereits für dieses Jahr anhand der Zahlen, die wir haben, sagen können, wissen wir, dass sie auch 2016 erneut steigen werden.
Ein Fall erregte in den vergangenen Wochen besondere Aufmerksamkeit. In Merseburg wurde eine Familie, deren „Normabweichung“, wie es eine Fraktion hier im Hause definieren würde, es ist, dass der Mann aus Liberia kommt, in ihrer Wohnung brutal überfallen. Auch das fünfjährige Kind wurde dabei verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden.
Dieser Fall hat viele Menschen in unserem Land fassungslos gemacht. Täter waren hier offenbar nicht organisierte Neonazis, sondern vermeintlich
„normale“ Mitbürger. Hier zeigt sich, welche gefährliche Form die Alltäglichkeit rassistischer Denkweisen und Handlungsmuster in unserer Gesellschaft hat. Und ja, auch ich bin ratlos bei der Frage, was wir hier konkret tun können, um Menschen, die bereit sind, sogar Kinder brutal zu schlagen, weil sie nicht in ihr Bild passen, davon abzuhalten.
Fest steht aber: Schuld tragen die Täter. Verantwortung für Exzesse rechter Gewalt, für Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte, für Attacken gegen Menschen, die als fremd wahrgenommen werden, tragen alle, die sich an Hetze beteiligen
und Lügen verbreiten, sei es mit Anträgen im Landtag oder mit Demos gegen Geflüchtete. Und ja, auch wer glaubt, Rechten das Wasser abgraben zu können, indem man ihre Forderungen übernimmt, macht sich zum Stichwortgeber für gewaltbereite Rassisten.
Ich bedauere es einmal mehr, dass der Innenminister nicht anwesend ist, denn ich muss sagen, ich glaube ihm, gerade ihm persönlich, dass die Reden zum Thema „Abschiebedruck erhöhen“, wie wir sie gestern hier im Hause gehört haben, nicht das sind, was er will. Aber wenn man sich einmal von der konkreten politischen Forderung löst - die ich im Übrigen immer noch kritisieren würde, aber anders - und über ihre Wirkung im gesellschaftlichen Diskurs nachdenkt, dann müsste auch ihm klar sein, dass das, was die AfDFraktion zum Thema „Abschiebedruck erhöhen“ gestern hier abgeliefert hat, auch etwas mit der Äußerung des Innenministers zum Thema „Abschiebedruck erhöhen“ zu tun hat.