Protokoll der Sitzung vom 28.10.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier ist es an den Anständigen, dies auch entschieden zu artikulieren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hate-Speech begegnet uns vor allem Internet. Waren noch vor zehn Jahren beispielsweise für einen Leserbrief der Kauf einer Briefmarke und der Gang zum Briefkasten erforderlich, kann heute wirklich jeder immer und überall seine Meinung problemlos zu wirklich jedem Thema binnen Sekunden öffentlich machen.

Dass diese Entwicklung enthemmend wirkt, davon können wir uns Tag für Tag bei Facebook und Co. überzeugen. Besonders im vergangenen Jahr konnten wir unzählige Enthemmungen im World Wide Web erleben. Denken wir nur an die vielen Gerüchte über vermeintlich verschwundene Ziegen aus Zoos in ganz Sachsen-Anhalt, an die Gerüchte über das Einkaufs- oder vielmehr Be

zahlverhalten von Flüchtlingen in Supermärkten oder über einen angeblich durch Flüchtlinge umgebrachten Hausmeister in Halle in der Asylbewerberunterkunft.

Zwei Punkte sind mir wichtig. Erstens. Es gehört zur Wahrheit, dass die Polizei im Jahr 2015 weit häufiger Schutzsuchende vor vermeintlich besorgten, in Wahrheit aber nur pöbelnden und randalierenden Bürgern schützen musste,

(Zustimmung von Dr. Verena Späthe, SPD, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

als dass unsere Polizei Deutsche vor den Flüchtlingen hätte schützen müssen. Auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens - diese Kritik, liebe Kollegen von der AfD, müssen Sie jetzt ertragen - haben Sympathisanten von Ihnen sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, weil konsequent Halbwahrheiten, Gerüchte oder Unterstellungen im Wahlkampf auch zur Angst- und Panikmache verbreitet wurden.

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Denn eines müssen wir ganz klar sagen: Die objektive wie subjektive Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger wird auch durch jene bedroht, die nur lautstark und vermeintlich für Recht und Ordnung eintreten, letztlich aber Bedrohungen der inneren Sicherheit vor allem herbeireden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulrich Siegmund, AfD: Vor allen Dingen die Antifa!)

- Sie sind im Augenblick gar nicht gemeint. Regen Sie sich nicht so auf. - Niedere menschliche Instinkte anzusprechen, unbegründet Neid zu entfachen und zu Hass anzustacheln und dies alles auf der Basis von, freundlich formuliert, Halbwissen ist nicht nur unredlich, ja unanständig, sondern eben auch eine Gefahr für ein sicheres Zusammenleben in einer ausgeglichenen sozialen Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Denn eine politisch unanständige Instrumentalisierung von Fragen der inneren Sicherheit auf der Basis von Unterstellungen, Halbwahrheiten und Verleumdungen ist letztlich auch Ausdruck einer Verrohung der Sitten, die einem sicheren und damit friedlichen Zusammenleben entgegensteht. Auch diesbezüglich ist gesamtgesellschaftlich eine besonnene Wachsamkeit erforderlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Freiheit braucht Sicherheit, aber Sicherheit ist ohne Freiheit wert

los. In diesem Spannungsverhältnis ist die innere Sicherheit zu gewährleisten. Ich garantiere Ihnen als Minister dieses Landes, dass ich diese Besonnenheit haben werde, mit Augenmaß für dieses Land und für die Menschen innere Sicherheit zu machen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister, es gibt zwei Anfragen. Es beginnt Herr Poggenburg. Ich würde vorschlagen, dass wir zwei Anfragen pro Fraktion zulassen; ansonsten verlieren wir uns mit Blick auf die Anfragen ins Uferlose.

Ich würde vorschlagen, dass wir aus Ihrer Fraktion den Fraktionsvorsitzenden und Herrn Farle hören. Alle anderen Anfragen werden beim nächsten Mal beantwortet.

(Unruhe bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Minister Stahlknecht, Sie hatten gerade gesagt, dass sich die AfD einige Kritik anhören müsse. Das haben wir auch sehr gern getan. Das steht nicht zur Debatte.

Ich spiele den Ball aber sehr gern zurück; das wissen Sie, glaube ich. Ich frage jetzt Sie: Ist die Äußerung - Sie haben es gesagt - vom damaligen und jetzigen Ministerpräsidenten Haseloff, dass die AfD von der NPD unterwandert sei, auch so eine Halbwahrheit, wie Sie sie gerade gemeint haben, oder wie können wir das verstehen? - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)

Sie haben das Wort, Herr Minister.

Ich kenne Ihre Quellen nicht, aus denen Sie zitieren, Herr Poggenburg.

„Volksstimme“.

Gehen Sie davon aus, dass wir sehr genau beobachten, wer in diesem Land von wem unterwandert wird.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Poggenburg, falls das die nächste Frage ist: Sie werden im Augenblick nicht beobachtet; nicht dass Sie das jetzt denken. Das vielleicht zur Beruhigung.

(Chris Schulenburg, CDU: Noch nicht!)

- „Noch nicht“ habe ich nicht gesagt. Sie werden nicht beobachtet, habe ich gesagt.

Wir beobachten Sie aber auch.

(Heiterkeit bei der AfD)

Ich finde es in Ordnung, dass Sie das tun.

(Unruhe bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Sprechen Sie bitte etwas gedämpfter. - Herr Farle, Sie haben das Wort. Im Anschluss fahren wir in der Debatte fort. Bitte, Herr Farle.

Ich kann mich voll hinter Ihre Äußerungen stellen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Oh, oh!)

Das begrüße ich wirklich. Allerdings stelle ich Ihnen folgende Frage: Wenn Sie von der Verrohung der Sitten sprechen, dann beginnt die Verrohung der Sitten für mich bei Leuten, die sogar im Bundestag sitzen oder in der Bundesregierung oder sogar Bundesjustizminister sind und einen Teil der Bevölkerung schlichtweg als Pack bezeichnen.

(Beifall bei der AfD)

Hierzu interessiert mich Ihre Meinung.

Die sage ich Ihnen gleich.

Denn dieses Lagerdenken und diese Spaltung der Bevölkerung,

(Lachen bei der LINKEN)

dass einige sich herausnehmen, den anderen Block - - Genau Sie, die dort drüben lachen, genau Sie sind die Menschen, die einen freien gedanklichen Diskurs in dieser Gesellschaft infrage stellen

(Beifall bei der AfD)

und die mit ihrer Lagerpolitik und dem, was sie sogar als Wahlkampfstrategie formuliert haben, im Vorfeld des Bundestagwahlkampfes - das befürchte ich - eine noch viel weitergehende Verrohung der Sitten herbeiführen, die beispielsweise zu durchgeschnittenen Bremsschläuchen bei Mitgliedern der AfD führt

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Och nö!)

und auch dazu, dass Häuserwände beschmiert werden usw. Das gehört für mich dazu, wenn wir von der Verrohung der Sitten sprechen. Dazu interessiert mich persönlich Ihre Meinung.