Protokoll der Sitzung vom 23.11.2016

Wir können nunmehr in den Tagesordnungspunkt 15 einsteigen:

Erste Beratung

Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes SachsenAnhalt

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/591

Einbringer für die Fraktion DIE LINKE ist Herr Lippmann. Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nach dieser schulstundenmäßigen Einweisung durch den

Präsidenten passt es ja ganz gut, dass wir uns mit dem Schulgesetz beschäftigen.

Nachdem wir seit dem Sommer bereits verschiedene Debatten über die Schwierigkeiten beim Start in das neue Schuljahr führen mussten, wissen wir nunmehr nach der offiziellen Unterrichtsstatistik mit Gewissheit, dass die Ausstattung unserer Schulen mit Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen einen außerordentlich besorgniserregenden Stand erreicht hat.

Wir erahnen inzwischen vielleicht, welche Entwicklungen uns diesbezüglich in den kommenden Jahren noch bevorstehen werden.

Die Schulbehörden sind zurzeit aufgrund der herrschenden Rahmenbedingungen nicht mehr in der Lage, auch nur die akutesten Personalprobleme zu lösen. In 40 Schulen liegt die Unterrichtsversorgung inzwischen unter 90 %. Über eine Unterrichtsversorgung von mindestens 100 % verfügt nur noch die Hälfte aller Schulen. Lediglich an der Hälfte aller Grundschulen kann die Ausstattung mit pädagogischen Mitarbeiterinnen als ausreichend gelten. Und das alles mit weiter sinkender Tendenz.

Unser Bildungsminister bereitet die Schulen, die Eltern und die Öffentlichkeit mental auf eine lange Durststrecke mit erheblichen Einschränkungen des schulischen Angebotes vor. In unseren Postfächern stapeln sich inzwischen die Hilferufe aus den Schulen.

Deshalb setzt die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes ihre intensiven Bestrebungen fort, diese Entwicklung nicht einfach hinzunehmen oder die erkennbaren Fehleinschätzungen der Lage und das Ausbleiben notwendiger Entscheidungen der Landesregierung nur zu beklagen. Wie schon mit den Anträgen in den vorhergehenden Sitzungen sollen stattdessen konkrete Wege aufgezeigt und Maßnahmen vorgeschlagen werden, wie dem drohenden Kollaps entgegenzuwirken ist.

Neben der Schaffung der Voraussetzungen im Landeshaushalt, über den wir ja dann ab morgen im Hohen Haus intensiv diskutieren werden, rückt dabei immer mehr die Frage ins Zentrum, wie der erheblich steigende Bedarf an Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen künftig überhaupt noch durch geeignete Bewerber gedeckt werden kann.

Die anhaltende und zähe Auseinandersetzung um die Weiterbeschäftigung der 185 befristet eingestellten Sprachlehrkräfte zeigt allerdings, dass im Bildungsministerium, aber auch in Teilen des Par

laments offensichtlich noch immer die Auffassung herrscht, der schnell steigende Bedarf an Lehrkräften könne noch über längere Zeit durch grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer gedeckt werden.

Wie lange sich dieser Glaube noch halten wird, werden wir bald gemeinsam erfahren und durchleben dürfen. Denn für eine Deckung des Lehrkräftebedarfs durch ausgebildete Lehrkräfte muss man selbst ausreichend ausbilden. Das ist aber in den letzten fünfzehn Jahren versäumt worden. Selbst jetzt, im Angesicht des offensichtlichen Mangels, tut sich noch immer viel zu wenig, sowohl an den Universitäten als auch in den Seminaren für Lehrämter.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Gewinnung und Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigern sowie die Flexibilisierung der Lehrerausbildung in den Seminaren für Lehrämter wird deshalb für längere Zeit von strategischer Bedeutung für die Sicherung der Unterrichtsversorgung sein.

Außerdem sind auch die freien Schulen bei der Lehrkräftegewinnung zu unterstützen, indem unsinnige Restriktionen beseitigt werden. Dafür müssen unverzüglich die schulrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, wie wir sie in diesem Gesetzentwurf konzipiert haben. Insgesamt geht es dabei um drei Regelungsbereiche.

Erstens die Zulassung zum beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst. Aus unserer Sicht müssen künftig alle Seiteneinsteiger, die ohne oder mit nicht ausreichender pädagogischer und didaktischer Ausbildung in den Schuldienst eingestellt werden, einen uneingeschränkten Zugang zum Vorbereitungsdienst erhalten. Gegebenenfalls ist auch über eine Verpflichtung für Seiteneinsteiger im Zuge der Einstellung zu entscheiden. Dieser erweiterte Zugang soll nach einer Ergänzung in § 30 des Schulgesetzes durch das Bildungsministerium in einer Verordnung geregelt werden.

Zweitens geht es um die Art der Durchführung des Vorbereitungsdienstes. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren immer mehr Lehrkräfte im Unterricht eingesetzt werden müssen, die nicht über eine abgeschlossene Lehramtsausbildung verfügen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Damit dieser Weg der Fachkräftegewinnung überhaupt erfolgreich beschritten werden kann, müssen diese Beschäftigten nach ihrer Einstellung in den Schuldienst zu vollwertigen Lehrkräften weitergebildet werden.

(Zustimmung bei der LINKEN - Siegfried Borgwardt, CDU: Dazu müssen sie selber die Bereitschaft haben!)

- Das kann man bei der Einstellung klären, Herr Borgwardt. Ich habe ja gesagt, dass man über eine Verpflichtung reden müsse. Aber im Moment gibt es gar keine Angebote.

Dies ist unverzichtbar im Hinblick auf den langfristig erfolgreichen Einsatz dieser Lehrkräfte und die Qualität des von ihnen erteilten Unterrichtes. Es dient letztlich auch dem Ziel einer gleichen Bezahlung. Dafür müssen gesonderte Regelungen und Strukturen für einen berufsbegleitenden und mit Blick auf den bereits begonnenen Unterrichtseinsatz auch verkürzten Vorbereitungsdienst geschaffen werden.

Ein berufsbegleitender Vorbereitungsdienst ist zwar im Koalitionsvertrag vermerkt - wenn man es nachlesen will, so findet man das auf Seite 69 - und durch das Bildungsministerium wird darüber in der Öffentlichkeit auch schon gesprochen. Für einen solchen neuen Weg der Ausbildung in der zweiten Phase müssen aber zunächst einmal die schulgesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Das Bildungsministerium soll deshalb durch eine weitere Ergänzung in § 30 ermächtigt werden, die Bedingungen und die notwendige Reduzierung der Dauer und der Anforderungen zu regeln.

Drittens geht es um die Vereinfachung und Erleichterung der Lehrkräftegewinnung für die freien Schulen. Denn last, but not least sitzen öffentliche und freie Schulen hinsichtlich der Lehrkräftegewinnung im gleichen Boot und sind mit den gleichen Problemen konfrontiert.

Allerdings können diese für die freien Schulen im Unterschied zu öffentlichen Schulen schnell existenzbedrohend werden. Dafür gibt es ja leider schon erste Beispiele und auch weitere Hinweise. Im zunehmenden Ringen um die Sicherung eines ausreichenden und möglichst gut qualifizierten Lehrkräftebestandes sollen die freien Schulen in die Lage versetzt werden, ihr Unterrichtsangebot auch in Zukunft aufrechterhalten zu können.

Aus den aktuellen Regelungen des § 16a des Schulgesetzes hat sich eine ganze Reihe von Hemmnissen entwickelt, die in den zurückliegenden Jahren den Einsatz von Lehrkräften an Ersatzschulen unnötig erschwert oder in vielen Fällen sogar verhindert haben, obwohl dies aus fachlicher Sicht völlig unbegründet erscheint.

Es hat sich über die Jahre auch eine Verwaltungspraxis bei der Genehmigung des Lehrkräfteeinsatzes an Ersatzschulen herausgebildet, die sowohl aufseiten der Schulträger als auch aufseiten der Schulbehörden, also des Landesschulamtes, einen völlig unverhältnismäßigen und unnötigen Aufwand erzeugt. Dies bindet bei den Schulträgern und beim Landesschulamt erhebliche Personalkapazitäten und erzeugt bei den Schulträgern

entsprechende Kosten, die die Finanzierung der Schulen ohne Not belasten.

Es ist deshalb das Ziel dieses Gesetzentwurfes, dass der Gesetzgeber unmissverständlich zum Ausdruck bringt, unter welchen Voraussetzungen die Schulträger freier Schulen Lehrkräfte einstellen und im Unterricht einsetzen dürfen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Notwendigkeit, den Unterrichtseinsatz durch das Landesschulamt genehmigen zu lassen, soll auf die wenigen Fälle begrenzt werden, in denen eine Abweichung von den gesetzlich fixierten Voraussetzungen gegeben ist.

Der Antrag geht dabei von dem Grundsatz aus, dass alle Personen, die eine grundständige Lehrerausbildung an einer Hochschule nachweisen können, uneingeschränkt und ohne dass es dazu einer gesonderten Überprüfung und Genehmigung durch das Landesschulamt bedarf, in freien Schulen als Lehrkräfte eingesetzt werden können. Eine Vergleichbarkeit zum beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst unserer heutigen zweiphasigen Lehramtsausbildung ist dafür nicht zu verlangen.

Denn der Vorbereitungsdienst in den staatlichen Seminaren für Lehrämter ist im Rahmen der deutschen Lehramtsausbildung zwar auch Teil der pädagogischen Ausbildung, er dient aber in erster Linie der Sicherung der Laufbahnbefähigung für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Dieser Nachweis muss für den Einsatz an freien Schulen nicht gefordert werden.

Darüber hinaus soll es in Anwendung der Regelungen für die öffentlichen Schulen auch den freien Schulen ermöglicht bzw. erleichtert werden, Lehrkräfte bei Bedarf auch außerhalb der studierten Fächer einzusetzen, und zwar sowohl kurzzeitig im Vertretungsunterricht als auch längerfristig als sogenannte Neigungsfachlehrer. Letztlich sollen auch die freien Schulen unter erleichterten Bedingungen geeignete Seiteneinsteiger gewinnen und beschäftigen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Letztlich nimmt der Gesetzentwurf auch den Einsatz von Lehrkräften für die Aufgaben von pädagogischen Mitarbeiterinnen in den Blick. Dieser Einsatz erfolgt seit Jahren, verbreitet vor allem in Grund- und Förderschulen, wenn dort keine oder zumindest viel zu wenige pädagogische Mitarbeiterinnen für die notwendigen Arbeiten zur Verfügung stehen.

Die Übertragung der Aufgaben an Lehrkräfte ist allerdings bisher ohne schulgesetzliche Grundlage und wird deshalb auch überwiegend als Aufsicht getarnt. Es ist aber keine Aufsicht, wenn

Schülerinnen und Schüler außerhalb des Fachunterrichts pädagogisch betreut werden und entsprechende pädagogische Angebote erhalten. Das ist pädagogische Arbeit, die einer gesetzlichen Grundlage bedarf und die auch auf die Arbeitszeit angerechnet werden muss. Diese Grundlage soll mit einer weiteren Ergänzung in § 30 des Schulgesetzes gelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hoffen,

(Siegfried Borgwardt, CDU: Warum macht ihr das nicht über die Regierung Sellering? Warum kommt ihr da nicht auf die Idee?)

dass sowohl in der Landesregierung als auch hier im Hohen Haus die Auswirkungen des fortschreitenden Lehrkräftemangels endlich wahrgenommen und ernsthaft bearbeitet werden. Wir erwarten, dass im Interesse der Bildung unserer Kinder und Jugendlichen dabei weniger auf die Antragsteller und mehr auf den Antragsinhalt geschaut wird.

Wir erwarten eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema der Seiteneinsteiger und mit den dringenden Anliegen der freien Schulen. Dafür beantragen wir eine Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Kultur. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe keine Nachfragen gesehen. Deswegen können wir in die Debatte einsteigen. Für die Landesregierung hat jetzt der Bildungsminister Herr Tullner das Wort. Bitte sehr.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Leider haben wir hier keine Erfahrungswerte, weil es Thü- ringen ist!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal arbeite ich intellektuell noch den Verschiebebahnhof der Termine auf. Aber ich bin optimistisch, dass es mir gelingen wird, Herr Präsident,