Protokoll der Sitzung vom 23.11.2016

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal arbeite ich intellektuell noch den Verschiebebahnhof der Termine auf. Aber ich bin optimistisch, dass es mir gelingen wird, Herr Präsident,

Ich auch.

die Erwartungshaltung, die Sie formuliert haben, zu erfüllen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Er hat sich immerhin bemüht!)

Aber wir wollen in die Zukunft blicken. - Lieber Herr Lippmann, ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag,

(Zustimmung von Stefan Gebhardt, DIE LIN- KE)

- bitte, immer wieder gern - der ein bisschen in den Blick genommen hat, dass wir - das haben Sie angemahnt - die Probleme offen benennen sollen. Ich bemühe mich zumindest in diesem Punkt, Ihrer Erwartung gerecht zu werden, dass wir nicht um den heißen Brei herumreden und uns die Welt schönreden.

Umso erstaunter bin ich dann, wenn ich Ihre Pressemittelung wahrnehme, in der Sie immer noch erklären: Die Regierung oder ich - keine Ahnung, wen Sie genau meinen -, wir würden vernebeln, beschwichtigen, täuschen und verschleppen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE)

Da Sie aber in Ihrem Redebeitrag gesagt haben, dass ich das Land und die Schulen darauf einstimme, dass die Probleme eher zu- als abnehmen, finde ich zumindest einen Widerspruch, den ich intellektuell noch nicht verstanden habe. Aber vielleicht können Sie mich nachher erhellen, was ich denn nun tue: Verneble und täusche ich, oder bin ich dabei, die Probleme anzusprechen?

Ich bleibe bei Ihrem Redebeitrag; denn dieser hat mir deutlich besser gefallen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Versöhnlich! - André Poggenburg, AfD: Das ist Linkspopu- lismus!)

Dann ein anderer Punkt. Sie haben ein Schulgesetz vorgelegt. In den letzten Sitzungen haben Sie uns sozusagen mit den Problemagenden konfrontiert, die auch wir sehen, die wir im Detail allerdings etwas anders sehen. Heute liegt also ein Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vor. Sie wissen, dass die Landesregierung - im Schulbereich sowieso - ebenfalls ein Schulgesetz vorbereitet. Das steht auch im Koalitionsvertrag, den Sie sicherlich auch gelesen haben.

Ich kann Ihnen also sagen, dass wir auch da nicht das Hase-und-Igel-Spiel spielen. Wir werden ein Schulgesetz vorlegen, das die Dinge, die Sie aufgezeigt haben - vom Problemkreis, nicht vom Lösungsvorschlag -, aber auch noch viele andere Dinge aufgreift, die auf der Agenda stehen und die wichtig sind.

Ich fange bei dem wichtigsten an, das ist das Thema Lehrer, Seiten-, Quereinsteiger. Sie haben relativ viel dazu gesagt. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten schon oft darüber gestritten. Aber ich möchte an dieser Stelle ein Thema

nennen - ich denke, dass wir uns darin einig sind; in der Koalition sind wir uns darin sowieso einig -, an dem auch Sie nicht ganz vorbeirennen können; denn Sie sind, nehme ich an, noch immer Mitglied der GEW. Die GEW ist einer der kraftvollen Akteure in diesem Bereich. Das macht sie auch kraftvoll und gut. Das muss mir nicht gefallen, aber ich denke, sie sind gut dabei.

Diese GEW führt mit meiner Kollegin in Sachsen - auf Thüringen kommen wir gleich noch zu sprechen - große Debatten, macht Demonstrationen und wirft der dortigen Ministerin vor, dass sie zu viele Seiten- und Quereinsteiger ins System nimmt und dass das die Qualität des Unterrichts gefährdet. Sie ruft sogar Leute auf, die Verfassung zu ändern, weil angeblich das Verfassungsgebot der staatlichen Schule nicht mehr in einer ordentlichen Qualität ablaufen soll. Sie unterstellen mir wiederum, ich würde keine Seiten- und Quereinsteiger einstellen. Das ist, finde ich, zumindest ein logischer Bruch.

Ich sage ganz deutlich: Solange wir noch qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer ausbilden - Stichwort: Referendare - und ich denen eine Chance biete, in diesem Land eine Stelle zu finden - das wollen wir tun, das werden wir auch hinkriegen -, ist das Thema Seiten- und Quereinsteiger noch nicht so akut wie in Sachsen.

Richtig ist aber auch - darin stimme ich Ihnen dann doch zu -, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, dass dieser Zustand kommt, dass wir nicht mehr genügend Lehrerinnen und Lehrer finden.

Im Moment finden wir sie noch. Deswegen ist Ihre etwas theatralische Rhetorik bei diesem Thema völlig fehl am Platze. Wir haben alle unsere Stellen in diesem Jahr besetzt, und das zu einem übergroßen Anteil mit qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern. Deswegen ist der Notstand an dieser Stelle noch nicht so, wie Sie ihn immer wieder darstellen.

Trotzdem müssen wir uns darauf vorbereiten - wir sind gerade dabei; das ist auch im Bildungsausschuss hinreichend erklärt worden -, dass wir bis zum Jahresende dieses Konzept vorlegen und dass wir uns dann in aller Ruhe die Themen noch einmal ansehen können, die Sie hier darstellen.

Wenn Sie meinen in der Arena damit punkten zu können, dass Sie ein wenig schneller sind und das wiederholen, dann sei Ihnen das gestattet. Aber wir sollten an dieser Stelle lieber mit einer gewissen Konsistenz und einer gewissen Qualität arbeiten und nicht nur nach dem Windhundprinzip unterwegs sein.

Ich möchte noch einen anderen Punkt benennen. Die freien Schulen haben Sie genannt; das erspare ich mir. Ich könnte Ihnen an dieser Stelle noch

erklären, dass es zwischen anerkannten Schulen in freier Trägerschaft und genehmigten Ersatzschulen Unterschiede gibt. Das sollten wir im Ausschuss noch einmal in Ruhe betrachten.

Wir können uns auch eine ganze Menge über den Vorbereitungsdienst und die ganzen Dinge antun, aber ich fürchte angesichts der Zeit - - Die rote Lampe blinkt, obwohl ich weiß, dass ich noch ein bisschen mehr Zeit habe, Herr Präsident, oder? - Ja.

Ich möchte nur noch einen letzten Satz sagen: Wir haben einen großen Bedarf an Änderungen, die Sie noch gar nicht gestreift haben. Ich nenne einige Stichworte: Schulentwicklungsplanung, berufsbildende Schule, Berufsorientierung. All das sind Themen, die auch im Koalitionsvertrag stehen, die wir uns in Ruhe ansehen müssen. Deswegen kündige ich an, dass wir eine Schulgesetznovelle erarbeiten werden, und zwar mit Bedacht und mit Qualitätsansprüchen und weniger unter dem Aspekt der Schnelligkeit. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Dazu gibt es keine Nachfragen. Ich habe zumindest keine gesehen. Deswegen können wir jetzt in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Für die SPD-Fraktion hat Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur die Fraktion DIE LINKE, sondern, so glaube ich, alle Fraktionen hier im Hohen Hause haben das Thema Unterrichtsversorgung im Blick.

Wir machen uns nicht nur Sorgen, sondern wir sind dabei, Konzepte zu entwickeln, mit denen wir sicherstellen können, dass wir auch in den nächsten Jahren, in denen die Abgänge von Lehrerinnen und Lehrern in den Ruhestand noch wesentlich andere Größenordnungen annehmen werden, als das in diesem und im nächsten Jahr der Fall ist, genügend junge Leute finden, die bereit sind, in Sachsen-Anhalt zu studieren, die hier ihr Referendariat machen möchten und die dann auch in Sachsen-Anhalt an allen Schulformen, einschließlich der berufsbildenden Schulen, arbeiten möchten.

Das ist in der Tat eine Herausforderung; denn wenn um das Jahr 2020 herum jährlich mehr als 900 Lehrerinnen und Lehrer den Schuldienst verlassen, dann müssen wir heute schon sicherstellen, dass für die Fächer, die dann vakant sind, die entsprechenden Studiengänge gewählt werden,

dass Referendariatsplätze zur Verfügung stehen und dass die Absolventen hierbleiben.

Dies erfordert, dass die Kapazitäten an den Hochschulen zumindest für eine bestimmte Zeit erhöht werden. Wir müssen natürlich auch allgemein, was die Werbung für den Lehrerberuf betrifft, erreichen, dass wir gerade für die Fächer, in denen wir heute schon einen Mangel an Lehrerinnen und Lehrern haben, beispielsweise in den MINTFächern, also Physik, Chemie, Biologie und Mathematik, genügend Studierende finden.

Insoweit ist der Ansatz, dass wir darüber nachdenken müssen, inwieweit auch Seiten- und Quereinsteiger, also diejenigen, die nicht von vornherein, wie man heutzutage sagt, „auf Lehramt“ studiert haben, dann in den Schuldienst übernommen werden können. Das ist auch keine neue Idee, das machen andere Länder mittlerweile mit Erfolg.

Welchen Erfolg das dann tatsächlich auch für die Qualität des Unterrichtes hat, werden wir uns genau anschauen. Ich weiß, dass beispielsweise Berlin mittlerweile mehr als 50 % Seiten- und Quereinsteiger einstellt, und dies in einem Land, bei dem man eigentlich davon ausgeht, dass dort ausreichend junge Leute zur Verfügung stehen.

Wir werden uns mit dem Thema beschäftigen. Wir haben darüber auch im Ausschuss diskutiert. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass bis zum Jahresende ein Konzept vorgelegt werden wird. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg.

Wir brauchen erst einmal ein Konzept, ein Konzept, das beispielsweise auch verhindert, dass wir irgendwann einmal, wie das in anderen Bereichen nicht verhindert werden konnte, so etwas wie „Schule light“ haben. Wir wollen eine Schule mit einer hohen Qualität. Wir wollen die Qualität des Unterrichts weiter verbessern.

Deshalb muss man bei der Einstellung von Seiten- und Quereinsteigern sicherstellen, dass bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt werden. Diese werden im Übrigen von der KMK vorgegeben, sodass wir auch bundesweit in Zukunft eine vergleichbare Qualifikation von Lehrerinnen und Lehrern haben.

Deshalb hat uns zum Beispiel der Vorschlag, dass Lehrkräfte auch ohne entsprechenden Studienabschluss in den Vorbereitungsdienst übernommen werden sollen, etwas überrascht. So weit kann man aus meiner Sicht nicht gehen. Als Ausgangspunkt für eine Qualifikation muss schon ein Studienabschluss vorhanden sein, um dann ein berufsbegleitendes Referendariat absolvieren zu können, was im Übrigen von meiner Fraktion unterstützt wird.

Es ist löblich, dass die Fraktion DIE LINKE einen Entwurf für eine Reform des Schulgesetzes in die

sen Punkten vorgelegt hat. Wir haben vom Minister eben gehört, dass er darüber hinausgehende Änderungsvorstellungen hat. Das heißt, es ist erst einmal wichtig, dass wir bestimmte Vorstellungen davon haben, wie wir Schule in den nächsten Jahren gestalten wollen.

Wir brauchen Konzepte für die Unterrichtsversorgung und für die Einstellung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auf der Grundlage dieser Konzepte sind wir dann in der Lage, die Gesetze so zu gestalten, dass wir auch die strukturellen Anforderungen klar formulieren können, was wir an anderen, was wir an veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen brauchen, um sicherzustellen, dass die Schule in Sachsen-Anhalt auch in zehn Jahren attraktiv ist und dass uns die Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen, die wir brauchen, um unsere Kinder und Jugendlichen auszubilden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen, deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Für die AfD-Fraktion hat die Abg. Frau Funke das Wort. Bitte sehr.

Einen schönen guten Tag! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Um die Qualität an den Schulen - um auf die Worte von Frau KolbJanssen zurückzukommen - zu halten, dürften wir eigentlich nicht eine solche Oberstufenverordnung zulassen, wie sie gerade beschlossen wurde.

Wir diskutieren heute erneut über das seit mehreren Legislaturperioden verpennte Thema der Schulentwicklung, die, mit Verlaub, nicht von einer Legislaturperiode zur nächsten kurzfristig konzipiert werden kann, sondern längerfristig und mit Weitblick geplant werden muss.

(Beifall bei der AfD)

Statt eine konsequente, gute und beständige Schulpolitik voranzutreiben, übt man sich lieber in Theorien und Ideologien und verschwendet dafür Millionen von Euro, statt sie zielgerichtet und erfolgsorientiert für die Schulbildung einzusetzen. Ich denke, die Altparteien haben diesbezüglich über Jahre hinweg auf ganzer Linie versagt.

(Beifall bei der AfD)

So müssen wir uns heute mit einem Gesetzentwurf der LINKEN beschäftigen, der in Teilen vielleicht gute Ansätze andeuten mag, aber dennoch ausbaufähig ist, wenn er denn überhaupt juristisch standhielte.

Es ist möglich, dass Sie es in Ihrer Einbringungsrede schon begründet haben, aber ich habe mich beim Lesen echt gefragt, warum Sie sich in Ihrem