Protokoll der Sitzung vom 25.11.2016

Wenn Sie in dieser Analyse bereits an diesem Punkt angelangt sind und wenn Sie auch die alleinige Lösung parat haben, nämlich Sachsen-Anhalt zur Schweiz der Bundesrepublik machen zu wollen, frage ich mich, warum es überhaupt einer Enquete-Kommission bedarf.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zuruf von der AfD)

Vielmehr würde ich von einer Fraktion, einer Partei erwarten, dass sie tatsächlich handelt. Das hieße vorliegend: erstens die rechtliche Ausgestaltung und die Praxis der Schweiz auf dem Gebiet der direkten Demokratie zu analysieren, zweitens Regelungsentwürfe zur Änderung der Landes-, der Kommunalverfassung, des Volksabstimmungsgesetzes, der Wahlgesetze, des Informationszugangsgesetzes und der Geschäftsordnung und weiterer Gesetze hier im Land zu entwerfen und diese dem Hohen Haus zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist denen zu kompliziert!)

Obwohl Ihre Analyseergebnisse und die Reformziele feststehen, wollen Sie eine Enquete-Kommission einsetzen. Da frage ich mich: Sind Sie nicht willens oder nicht in der Lage, diese Arbeit als Fraktion selbst zu erledigen? Warum halten gerade Sie es angesichts Ihrer Erkenntnislage für unumgänglich, eine Enquete-Kommission einzusetzen und damit Geld und Zeit auf dem Weg zu einer direkten Demokratie zu verlieren? Ich denke, es ist allen klar, dass ein am 1. Dezember 2017 fertiggestellter Bericht - - Im Übrigen zweifele ich dieses Datum an, wenn man rückblickend auf andere Enquete-Kommissionen schaut.

Am 1. Dezember 2017 wäre, sofern es einen Bericht gäbe, noch kein einziger Buchstabe an der Verfassung geändert. Es gäbe keine Veränderungen in unterschiedlichen Gesetzen. Bei der Verfassungsänderung sei nur daran erinnert, dass wir hierbei ein Dreilesungsprinzip haben. Wir brauchen - ich gehe davon aus, dass es im Interesse der überwiegenden Mehrheit hier im Landtag ist - eine solide Beratung in den Ausschüssen, gerade wenn wir die Verfassung ändern. Man darf zuletzt nicht vergessen, wir brauchen für eine Änderung eine qualifizierte Mehrheit.

Dass Sie dies bewusst in Kauf nehmen, dass dies bis 2018 nicht erledigt werden würde, dass die Umsetzung Ihrer Wahlversprechen so lange dauern wird, zeigt auch wieder bei diesem Antrag, dass Sie so tun, als hätten Sie die Lösung in petto, und schieben diese dann doch auf die lange Bank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Es geht Ihnen hierbei nicht um die Stärkung der direkten Demokratie, denn dann würden Sie uns hier längst mit Gesetzentwürfen beschäftigen.

Nach dem Gesagten fällt es mir schwer, in Ihrem Einsetzungsantrag einen vernünftigen Sinn im Interesse einer verantwortungsvollen Verfas

sungspolitik zu sehen.

Ich kann auch Ihr Angebot, gemeinsam mit uns über die Verfassung reden zu wollen, nicht wirklich ernst nehmen. Für Sie sind wir die Altparteien und Sie die Neuen, die alleine wissen, was das Volk wolle. Dass Sie dennoch nur ein Viertel der Wählerinnen- und Wählerstimmen auf sich vereinen können und auch nach etwa acht Monaten Landtagszugehörigkeit nicht besser dastehen, muss Ihnen, so denke ich, zu denken geben.

Die übergroße Mehrheit des Volkes hier in Sachsen-Anhalt scheint das trotz Ihrer fortgesetzten Propaganda anders zu sehen. Die Menschen wollen eine reale Veränderung ihrer Lebensverhältnisse. Dazu muss man sich die Arbeit machen und Regeln im Parlament ändern.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Regeln ändert man durch Gesetzentwürfe. Also hören Sie auf zu reden und fortgesetzt Kommissionen zu fordern, sondern fangen Sie an zu arbeiten.

(Zuruf von der AfD: Die alte Leier!)

Hinzu kommt, dass Sie beständig die direkte Demokratie - das halte ich für weitaus problematischer - gegen die parlamentarische Demokratie ausspielen. Die direkte Demokratie ist für Sie die wahre Demokratie, die parlamentarische Demo

kratie der Ort, an dem die Volksverräter am Werke sind.

(Lachen bei der AfD)

Verfassungspolitik ist aber nur auf der Basis eines Grundkonsenses machbar.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Sie sprechen uns, auch mir persönlich ab, demokratische Verfassungspolitik machen zu wollen und zu können. Sie stempeln Kolleginnen wie Frau Lüddemann und mich als Verfassungsfeindinnen ab. Und mit uns wollen Sie über die Verfassungspolitik und Verfassungsrecht reden? Das nehme ich Ihnen nicht ab.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Ich komme zum Schluss. Meine Fraktion und Partei tritt seit Langem - länger übrigens, als es Ihre Partei gibt - für die Stärkung der direkten Demokratie ein.

(Zuruf von der AfD: Erfolglos!)

Parteiprogramme und Wahlprogramme sprechen da eine klare Sprache.

(Unruhe bei der AfD)

Bei uns ist die Programmatik bereits praktisch untersetzt. Wir haben uns den Mühen der Ebene ausgesetzt und diese Instrumente in der Praxis angewendet. Ich erinnere an den Volksentscheid.

(Zuruf von der AfD: Nichts ist passiert!)

Wir haben mit unseren Forderungen dazu beigetragen, dass in Verfassungsreformverfahren die Regelungen für die sachunmittelbare Demokratie gemeinsam mit den anderen Fraktionen liberalisiert worden sind. Was ich mir wünsche, das sind politisch engagierte Debatten und Bürgerinnen und Bürger sowie Medien, die darin Farbe bekennen.

Am kommenden Sonntag stehen in der Schweiz Abstimmungen an. Darunter ist auch eine Initiative „Schutz der Ehe“, die von der EidgenössischDemokratischen Union betrieben wird. Ich zitiere die „Neue Zürcher Zeitung“:

„Nach wie vor ist das von der EDU favorisierte Modell der Ehe in der Gesellschaft tief verankert. Inzwischen gibt es aber auch andere Betrachtungsweisen partnerschaftlicher Lebensgemeinschaften, die ebenso respektiert werden müssen. Angesichts der sich wandelnden gesellschaftspolitischen Realität ist es falsch, die tradierte Definition festzuschreiben. Die NZZ-Redaktion empfiehlt ein Nein.“

Hut ab! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Frau Abg. von Angern, gestatten Sie eine Frage?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schmidt, möchten Sie intervenieren?

Ich stelle trotzdem die Frage: Was waren denn die Erfolge und was kam bei der Anstrengung heraus, die direkte Demokratie zu fördern?

(Beifall bei der AfD)

Wir fahren in der Debatte fort. - Für die SPD spricht jetzt Frau Abg. Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir aufgeschrieben: Kommission, die zweite. Wie wir wissen, wird es wahrscheinlich in der nächsten Landtagssitzung dann eine „Kommission, die dritte“ geben.

(Beifall bei der AfD - André Poggenburg, AfD: Jawohl!)

- Weil Sie es nicht fertiggebracht haben, Ihren Antrag entsprechend ordentlich zu stellen. Das müssen Sie aber dann auch noch dazu sagen.

Sie haben sich in Ihrem heute vorliegenden Antrag auf den Beschluss aus der letzten Landtagssitzung vom 27. Oktober berufen. Zu der Form der Kommission, die Sie dabei empfohlen haben, haben wir schon gesagt, dass diese so als Instrument nicht wirkt.

Jetzt kommen Sie mit der Enquete-Kommission. Aber, wie gesagt, Sie sind nicht in der Lage, diese dann entsprechend ordnungsgemäß zu beantragen. Mein Kollege Striegel hat schon darauf hingewiesen.

Erstens. Sie beklagen, dass wir in unserem Beschluss keine entsprechende Zeitschiene vorgelegt haben. Sie legen mit Ihrer Kommission jetzt den 1. Dezember als Vorlagetermin fest. Wir haben in unserem Antrag geschrieben: Die Ergebnisse der Evaluation sind zum Herbst 2017 zu benennen. Ich glaube, der 1. Dezember ist Winteranfang, Herbst ist vorher. Also können Sie nicht

davon sprechen, dass wir mit unserem Antrag hintenanstehen.

Zweitens haben wir in unserer letzten Diskussion deutlich gemacht, welche Vorstellungen wir von der Demokratie und von demokratischen Prozessen haben. Wir haben in unserem Beschluss in der letzten Landtagssitzung deutlich dargelegt, welche Vorstellungen wir von Veränderungen haben, denen wir uns stellen. Wir haben unseren politischen Willen belegt, haben damit die Landesregierung beauftragt. Genau das ist unser Mittel, die Landesregierung zu beauftragen, das zu evaluieren und dementsprechend einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Nun gibt es nochmals den Versuch, eine EnqueteKommission einzurichten. Das können wir auch alles tun. Sie werden diesen Antrag wahrscheinlich nächstes Mal wieder stellen, dann vielleicht ordnungsgemäß als Minderheitskommission oder auch nicht. Ich weiß es nicht.

Ziel sollte es aber sein, hier ordnungsgemäß und schnell zum Arbeiten zu kommen. Mein Kollege Striegel ist auf eine Lösungsvariante eingegangen. Wir werden heute diesen Antrag in den Ausschuss überweisen, um ihn entsprechend zu qualifizieren und zu einer ordnungsgemäßen Antragstellung zu kommen. Deshalb bitte ich auch im Namen der Koalitionsfraktionen um Überweisung dieses Antrages in den Ausschuss.