Protokoll der Sitzung vom 25.11.2016

Die Meinungsfreiheit sei bedroht, weil einige Menschen Ihre Meinungsfreiheit dazu nutzen, Ihnen das Gespräch zu verweigern.

Wohl wenigen politischen Bewegungen wie der Ihrigen wurde in der letzten Zeit so viel, ja, ich meine sogar, zu viel Aufmerksamkeit entgegengebracht. Sie tingeln täglich durch die Medienlandschaft und nutzen mit Selbstverständlichkeit die Konjunktur medialer Aufmerksamkeit.

Die virtuelle Echokammer der sozialen Netzwerke ist voll von Meinungsbeiträgen, deren Faktenfreiheit man schon legendär nennen kann. Die Sorgen wütender weißer alter Bürger haben ihren Niederschlag im politischen System längst gefunden, wenngleich sich eine Vielzahl dieser Sorgen als erfunden, auf falschen Behauptungen beruhend oder als übertrieben darstellt.

Was also steckt hinter Ihrer Klage, die Meinungsfreiheit sei bedroht? - Sie wollen sich als Opfer inszenieren; denn Weinerlichkeit gehört zu Ihrem politischen Programm.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nein, es ist nicht Zensur, wenn Sie mal nicht gehört werden. Sie haben Ihre eigenen Medien, Blogs. Sie kommen in öffentlich-rechtlichen Fernsehsendungen vor. Sie werden überdurchschnittlich häufig zu Talkshows eingeladen. Es hat nichts mit Zensur zu tun, wenn Ihnen mal niemand zuhören will.

(Zurufe von der AfD)

- Ich will auf die konkreten Fälle eingehen.

(André Poggenburg, AfD: Neidisch?)

Sie finden es unmöglich, dass eine jüdische Gedenkstätte dem Mitglied einer Partei die Tür weist, deren Programm antisemitische Chiffren enthält, in deren Reihen Antisemiten geduldet werden und nach der die Holocaustleugnung wieder strafbefreit werden soll?

Ich will Ihnen sagen, was ich unmöglich finde: dass Sie am 9. November nicht das letzte bisschen Schamgefühl haben und diesen Tag für Demonstrationen missbrauchen, mit denen erneut Menschen aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Sie legen damit die Grundlage für neuen Hass. Das kann, das darf, das muss eine offene Gesellschaft nicht einfach hinnehmen. Gerade wer tolerant ist, muss die Grenzen dessen, was tolerabel ist, festlegen. Er muss Zeichen setzen, Stoppzeichen gegen den Hass.

Die AfD weiß immer, was Recht ist. Ihre Selbstsicherheit, ihre Selbstgewissheit scheint grenzenlos, so groß, Herr Poggenburg, dass sie in Selbstgerechtigkeit umschlägt, und diese beschädigt die demokratische Kultur.

Sie führen einen Kulturkampf gegen die offene Gesellschaft. Sie wollen nicht am Diskurs teilnehmen, Sie wollen ihn beenden. Dazu machen Sie gemeinsame Sache mit Verfassungsfeinden wie der Identitären Bewegung, Reichsbürgern oder neurechten Akteuren wie dem IfS.

(André Poggenburg, AfD: Und Sie mit der Antifa!)

Das Bild, das Sie zeichnen wollen, ist eine neue, schöne, eine gute neue Rechte, befreit von der Verantwortung für den Nationalsozialismus. Ich sage: Auch hinter Ihrer Volksfront von rechts stecken Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung Andersdenkender und Hass. Das lässt sich auch durch einen immer wieder nach vorn gebrachten Opfermythos nicht kaschieren.

Ihre Anhänger haben das verstanden. Mehr als zwei Drittel der AfD-Wähler sind ausweislich einer aktuellen Studie Fremdenfeinde oder, wie ich es formulieren würde. Rassisten, 44 % islamophob, 59 % äußern sich antiziganistisch und 88 % werten Asylsuchende ab. Für Hamburg besagt die Untersuchung, dass 59 % Ihrer Anhänger antisemitische Äußerungen zustimmend begrüßen würden. Hier liegt der Sprengstoff für unsere demokratische politische Kultur.

(Daniel Roi, AfD: Das sind die Wähler, die von der LINKEN rübergekommen sind!)

Im Umgang mit der Herausforderung, die Populisten und Fremdenfeinde von Ihrem Schlag für die offene Gesellschaft und eine demokratische politische Kultur bedeuten, bin ich immer wieder unschlüssig. Sie haben auf alle Fragen eine leichte Antwort. Schuld sind immer die anderen: Merkel, die Politikerkaste, die Ausländer, die Muslime.

(André Poggenburg, AfD: Und die GRÜ- NEN! - Heiterkeit bei der AfD)

- Ach, die auch noch, ja. - Mir, Herr Poggenburg, fehlt diese Sicherheit. Der Umgang mit Ihrer politischen Bewegung, die Angst und Ausgrenzung zum Parteiprogramm erhebt, fällt mir persönlich sehr schwer. Auch bei vielen anderen Akteuren, bei Parteifreundinnen und -freunden, bei Kolleginnen und Kollegen hier im Hause merke ich, dass noch niemand fertige Antworten hat.

Ich bin deshalb auch sicher, dass wir als demokratische Akteure Fehler im Umgang mit der AfD machen und gemacht haben. Ich bin auch persönlich ganz sicher, nicht immer und zu jeder Zeit jedem Einzelnen von Ihnen gerecht geworden zu sein. Zweifel gehören zu einer politischen, einer demokratischen politischen Kultur. Die AfD zweifelt nicht, sie hat recht. Und das macht sie so gefährlich.

Wir müssen uns den Zweifel erhalten, und wir dürfen uns von dem Hass, den Sie verbreiten, nicht zu eigenem Hass verleiten lassen, auch nicht in erregten Debatten. Das sage ich selbstkritisch durchaus auch an mich.

Sie widmen den letzten Satz Ihrer Begründung dem Verfall der demokratischen Kultur und beklagen die Polarisierung Ihrer und unserer Gesellschaft. Ich nehme Ihnen diese Klage nicht ab. Sie leben von der Spaltung. Ihre Tränen bleiben Heuchelei.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ihrer Angst vor den anderen, Ihrer Abwehr und Ausgrenzung setzen wir unsere Vision einer offenen, einer liberalen Gesellschaft entgegen. Mit klarer Haltung werden wir demokratische Kultur im Land verteidigen, in diesem Plenarsaal, auf den Straßen dieses Landes und in den Schulen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD - André Poggenburg, AfD: Und Terrorismus!)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe insgesamt mindestens vier Wortmeldungen von der AfD. Wir bleiben trotzdem bei unserer Regel, maximal drei Wortmeldungen aus einer Fraktion zuzulassen. Es liegen Meldungen von Tobias Rausch, Jan Wenzel Schmidt und Herrn Farle vor. Ich würde sie in dieser Reihenfolge aufrufen und zu Wort kommen lassen. - Herr Rausch, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Striegel, Sie sagten, die AfD sei der Rüpel auf dem Schulhof. Dann frage ich Sie: Wie erklären Sie sich die vielen Angriffe auf die AfD-Büros? Gleichwohl weiß ich, dass Sie im Ältestenrat auch gesagt haben, dass Sie Opfer eines Gewaltausbruches in Ihrem Wahlkreis waren. Dazu haben wir alle gesagt, das finden wir nicht gut.

Aber wie können Sie dann sagen, wir würden das nur immer so darstellen? Es ist doch aber die Realität. Unsere Büros werden im Vergleich zu Ihren Büros überdurchschnittlich oft angegriffen. Sie müssen doch zugeben, dass das so ist. - Das ist das Erste.

(Zuruf von den LINKEN: Das glaube ich aber nicht!)

Zweitens. Hier wird eine Kultur angegriffen, aber solange es einen Ministerpräsidenten Haseloff gibt, der die AfD als Rattenfänger bezeichnet, braucht man sich nicht zu wundern, dass es hier so abläuft, wie es abläuft.

Drittens. Sie sagen: Stoppzeichen gegen Hass. Dann frage ich mich, wie Sie sich erklären, dass Sie sich gemeinmachen mit der Antifa, die nachweislich Gewaltexzesse auslebt, in Hamburg und in Berlin Polizisten angreift, in Magdeburg Polizeiautos anzündet. Wie ist das zu verstehen? Das ist Doppelmoral.

Dann finde ich Wahnsinn - uns wirft man ja vor, wir kämen bei jedem Thema auf Flüchtlinge zu sprechen -: In einer Debatte über Demokratie kommen Sie auf Flüchtlinge und Asylsuchende zu sprechen. Ich frage Sie, ob Sie den Unterschied zwischen asylsuchend und asylberechtigt nicht kennen. Wenn Sie das nicht einsehen wollen - wir

sind ja für Asylberechtigte; das ist alles in Ordnung nach der Genfer Konvention; aber der Missbrauch ist nicht zu befördern und Sie befördern ja den Missbrauch -, dann verhalten Sie sich entgegen dem Grundgesetz und nicht rechtsstaatlich. Das will ich Ihnen einmal sagen.

Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich differenziere nicht zwischen dem Aufenthaltsstatus von Menschen. Ob das Asylsuchende, Asylberechtigte oder Menschen mit Aufenthaltsgestattung sind, ist nicht mein Thema. Ich verteidige die Würde all dieser Menschen.

Ich differenziere auch nicht zwischen angegriffenen Wahlkreisbüros von SPD, Linken, Grünen und AfD-lern. Angriffe und Gewalt können niemals Lösungen für politische Konflikte sein. Das muss anders gelöst werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN, bei der SPD und bei der CDU)

Das habe ich immer gesagt und das werde ich jedem sagen, immer und ganz klar.

Im Übrigen ziehe ich Ihre Statistik in Zweifel, dass die AfD-Büros häufiger angegriffen würden als die anderer Parteien. Das würde ich dann schon gern mit Zahlen belegt sehen. Die Erfahrung aus der letzten Wahlperiode ist jedenfalls, dass Linke und Grüne dabei massiv die Spitzenplätze einnehmen, im negativen Sinne. Das ist ein riesiges Problem.

Ich würde jeden - und ich betone: jeden - einzelnen Kollegen in diesem Hause verteidigen, wenn sein Wahlkreisbüro angegriffen wird, weil Gewalt kein Mittel politischer Konfliktaustragung ist.

(Zuruf von der AfD: Meines haben Sie nicht verteidigt!)

- Herr Kollege, Sie sind nicht in meinem Wahlkreis. Und Sie werden mir verzeihen, dass ich keine Zeit habe, durch das gesamte Land zu gehen. Ich bin aber sicher, dass die Kollegen in Ihrem Wahlkreis sich auch solidarisch verhalten.

(Zurufe von der AfD)

So. Dann hat Herr Schmidt jetzt das Wort.

Nur ein kleiner Hinweis, Herr Striegel: In der letzten Legislaturperiode waren wir hier noch nicht anwesend, dementsprechend hatten wir auch keine Wahlkreisbüros, die angegriffen werden konnten.

Es gibt aber eine bundesweite Statistik, Herr Schmidt.

Ja. Die bundesweite Statistik können wir ja einmal auf der Landesebene in dieser Legislaturperiode nachsehen. Wir brauchen nur ein Jahr abzuwarten und dann schauen wir uns das einmal an.

Jetzt zu dem eigentlichen Beitrag. Da Sie uns als Partei immer in die Nähe des Dritten Reiches bringen wollen, möchte ich mit Ihnen einen kurzen Blick auf die Geschichte werfen, und zwar auf den 9. November. Das ist der Schicksalstag der Deutschen. Da war unter anderem im Jahre 1848 die Erschießung von Robert Blum, natürlich auch die Reichspogromnacht 1938 und der Fall der Mauer. Es gibt negative Sachen, aber auch positive. Den Fall der Mauer sehe ich definitiv als etwas Positives an.