Meine Damen und Herren! Das bedeutet eben auch, dass Vertrauen in die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und damit auch in den Rechtsstaat verloren geht. Der Fall der bulgarischen Studentin ist leider kein Einzelfall. Immer wieder werden unnatürliche Todesursachen als natürliche klassifiziert, weil es den Ärztinnen und Ärzten, die die Leichenschau vornehmen, an entsprechender Fachkenntnis mangelt. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren! Dieses ist aber nicht der einzige Punkt, den wir heute zur Diskussion auf die Tagesordnung gebracht haben. Die Koalitionsfraktionen haben mehrere Punkte hinsichtlich einer Reform des Bestattungsgesetzes vorgeschlagen. Auch wir unterstützen Sie darin, dass ausbeuterische Kinderarbeit zu verhindern ist.
Wir begrüßen Ihr Ansinnen zum Umgang mit den Sternenkindern. Auch wenn in Sachsen-Anhalt inzwischen - das hat auch die Anhörung gezeigt - fast flächendeckend sensible und würdevolle Möglichkeiten für die Bestattung von Sternenkindern geschaffen worden sind, ist dies allein auf individuelle Initiativen von Kommunen, Kirchen, Vereinen und Krankenhäusern zurückzuführen. Noch immer ist unser Gesetz so formuliert, dass die Sternenkinder mit dem Krankenhausmüll entsorgt werden können. Das ist in unserer Gesellschaft völlig indiskutabel.
Wir unterstützen Sie auch - wir fordern dies ebenfalls - in einer interkulturellen Öffnung des Bestat
tungsgesetzes. Gerade bei diesem letzten Punkt möchte ich auf die vorhin angesprochene Anhörung zu sprechen kommen. Der Vertreter der katholischen Kirche, Herr Rether, erklärte damals, dass es Auftrag des Gesetzgebers sei, berechtigte Interessen verschiedener Menschen zusammenzuführen, also einen gerechten und menschenwürdigen Ausgleich zwischen Interessen des Verstorbenen, der Angehörigen aber auch der Öffentlichkeit bzw. der Allgemeinheit herzustellen.
Er sagte ganz klar - das war für mich ein wichtiger Punkt -, dass die Sargpflicht keine Glaubenswahrheit sei. Menschen müssten nicht im Sarg bestattet werden. Gleiches gelte auch für die gesetzlich vorgeschriebenen Bestattungsfristen.
Dem schlossen sich im Übrigen der Vertreter der evangelischen Kirche, Herr Steinhäuser, aber auch der Vertreter des Islamischen Kulturcenters und die damalige Landesintegrationsbeauftragte an.
Wir sprechen in unserem Antrag ein wichtiges Thema an, nämlich die Lockerung des Friedhofszwangs. Wir wissen, dass dies ein schwieriges Thema ist. Es ist aus verschiedenen Gründen ein dickes Brett, das zu bohren ist. Da sind die Friedhofsträger zu berücksichtigen, die schwarze Zahlen schreiben müssen - man könnte schon einen gewissen schwarzen Humor entwickeln. Es sind aber auch die Bestatter zu beachten, die sich Sorgen um ihre Einnahmen machen. Auch bestehen die nicht von der Hand zu weisenden Einwände der Kirchenvertreter hinsichtlich der Möglichkeiten einer öffentlichen Trauerkultur.
Sicherlich kann man sich schon vorab interessante Rechtsstreitigkeiten zwischen den Hinterbliebenen über den Umgang mit der Urne, die zu Hause auf dem Sims steht, ausmalen.
Dennoch, meine Damen und Herren, lassen Sie uns auch darüber ergebnisoffen diskutieren; denn auch dies wurde, wie an den Leserbriefen von damals zu erkennen war, sehr heftig und intensiv diskutiert.
Das Land Bremen wagt diesen Versuch. Hier dürfen die Hinterbliebenen die Urne noch zwei Jahre zu Hause aufbewahren, sofern eine Grabstelle nachweisbar ist, die nach zwei Jahren genutzt wird.
Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass es auch jetzt schon möglich ist, das Gesetz zu umgehen. Man kann auch jetzt schon die Urne ins Ausland schicken oder über einen Bestatter ins Ausland schicken lassen und sie sich wieder zurückschicken lassen, sogar auf dem direkten Postweg. Das alles ist jetzt schon möglich. Insofern sollten wir das Gesetz der Realität und vor allem den Wünschen der Menschen anpassen. Ich bin gespannt, ob wir darüber in die Diskussion eintreten können. - Vielen Dank.
Frau von Angern, Sie sprechen in Ihrem Antrag von einer zunehmenden religiösen Vielfalt. Meine erste Frage: Können Sie das näher erläutern, diese zunehmende religiöse Vielfalt in Deutschland? Wir haben religionslose oder religionsfreie Menschen; wie haben katholische, evangelische und muslimische Menschen. Das hätte ich gern näher präzisiert.
Zweite Frage. Sie sprechen von unterschiedlichen Familienmodellen. Inwieweit sollen die unterschiedlichen Familienmodelle Einzug finden in das überarbeitete Bestattungsgesetz?
Zur Religionsvielfalt. Wir sind als Gesellschaft zum Glück sehr vielfältig religiös aufgestellt. Dieser Vielfalt wollen wir entsprechen durch die Möglichkeiten der Bestattungsriten und wollen dem auch am letzten Tag gerecht werden. Wir haben nicht alle Bestattungsriten aufgeschrieben. Wir würden gern darüber diskutieren, ob jeder Ritus hier tatsächlich auch vollzogen werden soll. Wir wollen Möglichkeiten schaffen. Wenn Sie in die vorherigen Anträge und in die Protokolle der Anhörung schauen, dann stellen Sie fest, dass wir darüber bereits diskutiert haben.
Es gibt andere Länder, die das schon haben. Berlin ist da sehr offen, Bremen habe ich schon genannt. Das wollen wir auch hier in Sachsen-Anhalt ermöglichen.
Ich denke, dass das nicht auf jedem Friedhof realisierbar ist; das werden die Kommunen nicht finanzieren können. Aber diese Angebote zu schaffen, grundsätzlich die Möglichkeit zu schaffen bzw. die Verhinderungsmomente, die in unserem Bestattungsgesetz noch enthalten sind, herauszunehmen, das halte ich für sehr sinnvoll.
Zur Vielfalt der Familie wollte ich einmal nachfragen. Können Sie mir das noch einmal in Gänze vorlesen, was genau Ihre Frage ist? Ich habe die Frage nicht verstanden.
Die Frage lautet: Sie wollen also dieses Gesetz ändern, unter anderem wegen gestiegener Anforderungen an die Leichenschau - das ist klar, da sind wir uns einig - und unterschiedlicher Familienmodelle sowie sich wandelnder Bestattungskultur.
Dazu ist meine Frage: Was haben unterschiedliche Familienmodelle damit zu tun? Wie sollen diese nach Ihrer Vorstellung in ein neues, überarbeitetes Gesetz Einzug finden?
In der Debatte sind für jede Fraktion fünf Minuten Redezeit vorgesehen. Für die Landesregierung spricht jetzt Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Landtag von SachsenAnhalt hat am 10. Dezember 2015 nach etwa an
derthalbjähriger Behandlung den Beschluss gefasst, dass das Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes SachsenAnhalt der Wirklichkeit und der Lebensnotwendigkeit entsprechend angepasst werden soll.
Dementsprechend ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Thema aufgegriffen worden und vereinbart worden, das Bestattungsgesetz zu novellieren. Ich zitiere: „Dabei werden eine interkulturelle Öffnung, die menschenwürdige Bestattung von Sternenkindern und ein Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit angestrebt.“
Mit ihrem Antrag greift die Fraktion DIE LINKE nahezu unverändert Ihre Initiative aus der vergangenen Legislaturperiode auf.
(Swen Knöchel, DIE LINKE: Die war noch offen! - Eva von Angern, DIE LINKE: Ja! - Swen Knöchel, DIE LINKE: Die ist ja noch offen!)
Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die bei den Beratungen zum Bestattungsgesetz in der vergangenen Legislaturperiode bereits dabei waren, werden sich an sehr emotionale Diskussionen erinnern. Die letzte Befassung hier im Plenum ist weniger als 14 Monate her. Nach dieser letzten Debatte ist die Landesregierung nicht untätig geblieben. Veränderungswünschen zur Bestattungskultur, welche von der Bevölkerungsmehrheit im Land oder in einer Region geäußert werden, wird bereits teilweise nachgekommen.
So wurde beispielsweise durch einen Erlass im Frühjahr 2016 klargestellt, dass die Verkürzung der Bestattungsfrist des § 17 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes aus verfassungsrechtlichen Gründen, wozu auch religiöse Gründe zählen, zu ermöglichen ist. Dabei muss sichergestellt sein, dass jede Möglichkeit eines Scheintods ausgeschlossen und der Sterbefall dem Standesamt angezeigt und in das Sterberegister eingetragen worden ist.
Auch die würdevolle Bestattungsmöglichkeit für sogenannte Sternenkinder - Frau von Angern hat es schon gesagt -, also Fehlgeborenen mit einem Gewicht von weniger als 500 g, für die keine Bestattungspflicht besteht, findet im § 15 Abs. 2 des Bestattungsgesetzes schon Berücksichtigung. Zudem sind mir und der Landesregierung keine Fälle bekannt, wonach den Eltern eine Bestattung ihrer Sternenkinder verweigert worden ist.
Hinsichtlich der Aufhebung der Sargpflicht werden Änderungen notwendig sein. Ich könnte mir vorstellen, Ausnahmemöglichkeiten für die Friedhofsträger in enger Zusammenarbeit mit der unteren Gesundheitsbehörde zu ermöglichen.
Aber, meine Damen und Herren Abgeordneten, die vorangegangene Debatte hat schon gezeigt, dass dieses auch heikle Thema behutsam und
durchdacht angegangen werden muss. Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich wegen Veränderungen in der Bestattungskultur. Hier muss Aufklärungsarbeit geleistet werden und wir werden dies auch tun.
Zu dem viel diskutierten Thema der Grabsteine aus Kinderarbeit bin ich nach wie vor der Auffassung, dass ein außenwirtschaftsrechtlicher Ansatz auf EU- bzw. auf Bundesebene vorzuziehen wäre. Nicht nur Grabsteine, auch Gehwegplatten und Fassadenelemente sollten in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland nicht verwendet werden, wenn bei ihrer Herstellung die schlimmsten Formen der Kinderarbeit angewandt wurden und damit gegen das Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation verstoßen wird.
Die hier in der letzten Legislaturperiode durchgeführte Anhörung zu dem Thema hat die generelle Problematik tiefgreifend aufgezeigt. Gleichwohl sollte ein rechtssicherer Lösungsvorschlag für ein Aufstellungsverbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit gefunden werden.