Protokoll der Sitzung vom 02.03.2017

Ich erwarte von der Landesregierung konkrete Vorschläge dazu, wie die entsprechenden Satzungen und gesetzlichen Regelungen so verändert werden sollen, dass in Zukunft eine paritätische Besetzung möglich ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Andere Bundesländer haben gezeigt, dass das funktioniert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleichstellungspolitik ist Zukunfts- und Innovationspolitik. Zu dieser Erkenntnis kommt schon das Expertengutachten zum ersten gleichstellungspolitischen Bericht der Bundesregierung. Darin wird nachgewiesen, dass durch die Erwerbstätigkeit von Frauen die wirtschaftliche Nachfrage wächst, neue Beschäftigungsverhältnisse entstehen und zugleich die Sozialsysteme gestärkt werden. Gleichstellungspolitik ist also ein zentrales Politikfeld und ermöglicht es, die zukünftigen Herausforderungen auch in unserem Land zu meistern.

Am 8. März wird Frauen oft vorgehalten: Eigentlich brauchen wir Gleichstellungspolitik nicht mehr.

Selbstverständlich gleichberechtigt? Oft erscheint dieser Anspruch so selbstverständlich, dass die Frage aufgeworfen wird, ob die Gleichstellung nicht längst erreicht sei.

Frauen, die im Erwerbsleben durchstarten und erfolgreich eine politische Karriere machen, sind inzwischen keine Ausnahme mehr. Und ich bin froh über jeden Mann, der sich Zeit für seine Familie nimmt, der die Elternzeit in Anspruch nimmt und damit auch für eine bestimmte Zeit seine Prioritäten verändert. Chancengleichheit und

Partnerschaftlichkeit von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen, das sollten aus meiner Sicht Ziele einer modernen Gleichstellungspolitik sein.

(Zustimmung von Katrin Budde, SPD)

Dieses Hohe Haus hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Aktivitäten initiiert und umgesetzt, um tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen. Wir haben ein Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes SachsenAnhalt mit mehr als 200 konkreten Maßnahmen auf den Weg gebracht, die finanziell untersetzt sind. In dieses Konzept sind das Konzept „Karrierewege von Frauen fördern“ und das GenderMainstreaming-Konzept eingegangen. Die Landesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage festgestellt, dass dieses Programm zu mehr als 96 % umgesetzt ist. Ob das so ist, das lasse ich jetzt einmal dahingestellt sein.

In jedem Fall müssen wir dieses Programm jetzt evaluieren. Was hat gewirkt? Wo haben wir nicht das erreicht, was wir uns vorgenommen haben? Auf der Grundlage dieser Evaluierung muss dann eine Fortschreibung dieses Landesprogramms erfolgen, mit konkreten, mit quantifizierbaren und mit qualitativen Kriterien.

(Daniel Roi, AfD: Am besten noch mit ei- nem Beratervertrag! - Heiterkeit und Zu- stimmung bei der AfD)

Manchmal hilft es, wenn wir diejenigen fragen, die diese Dinge umsetzen; denn sie wissen am besten, wo es an der Umsetzung mangelt.

(Zustimmung bei der SPD - Ulrich Sieg- mund, AfD: Für 480 € die Stunde! - Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

Da wir gerade über Gerechtigkeit bei der Rente diskutiert haben, möchte ich auf ein Thema hinweisen, das mich schon viele Jahrzehnte beschäftigt, nämlich das Thema Entgeltungleichheit.

Sachsen-Anhalt hat in diesem Bereich auch auf Initiative dieses Hohen Hauses hin in der letzten Legislaturperiode engagiert gearbeitet und im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe konkrete Vorschläge für Maßnahmen unterbreitet, die zu Lohngerechtigkeit führen, die zumindest teil

weise in den Entwurf von Bundesministerin Schwesig eingeflossen sind. Allerdings sind die Widerstände so groß, dass mittlerweile die Hoffnung schwindet, dass der Entwurf eines Lohngerechtigkeitsgesetzes noch in diesem Jahr umgesetzt wird.

Dabei gibt es zum Thema Gender-Pay-Gap insbesondere in Sachsen-Anhalt eine Menge zu tun. Auch in Sachsen-Anhalt wird am 18. März wieder auf die Lohnungerechtigkeit, die Lohnlücke, hingewiesen, die deutschlandweit bei 18 % liegt. In Sachsen-Anhalt ist sie etwas kleiner, allerdings ist sie in den letzten Jahren immer weiter angewachsen. Es ist auch feststellbar, dass die gleichen strukturellen Ungerechtigkeiten wirken und dass Frauen im Ergebnis eigentlich mehr verdienen, als sie tatsächlich in der Lohntüte haben.

Es gibt auch völlig neue Herausforderungen, neue Beschäftigungsformen wie Crowdworking, die dazu beitragen, dass die normalen Mechanismen am Arbeitsmarkt nicht mehr funktionieren. Es geht um geringe Honorare, die an Freelancer vergeben werden. Auch hierbei sind es wieder die Frauen, die das tatsächlich als einzige Alternative sehen, um der drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen. Mit diesen Formen des Outsourcings von Arbeit ändert sich die Machtbalance. Mindestlohn, Kündigungsschutz, Streikrecht, Urlaubsanspruch, all das scheint hierbei nicht mehr zum Tragen zu kommen.

Deshalb begrüße ich den Dialog zum Thema Arbeit 4.0, der auf der Bundesebene angeschoben worden ist, den wir auch auf Landesebene führen, um Konzepte zu finden, die auch und gerade, was das Gleichstellungsthema betrifft, verhindern, dass Regeln zum Mindestlohn oder zur Scheinselbstständigkeit umgangen werden. Wir brauchen konkrete Initiativen, wir brauchen ein noch stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein dafür, was tatsächliche Gleichstellung wirklich erfordert.

Bezüglich der Arbeitsmarktfragen ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, dass die Teilzeitfalle, die noch immer dazu führt, dass viele Frauen unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, endlich aufgehoben wird. Hierzu gibt es einen konkreten Vorschlag von Andrea Nahles, einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit, der aus meiner Sicht umgesetzt werden muss. Wir müssen es schaffen, dass Frauen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gebracht werden.

Ja, der Mindestlohn hat gerade für Frauen Vorteile gebracht, aber es muss sichergestellt werden, dass gerade bei den Minijobs die Regelungen des Mindestlohns eingehalten werden.

(Zustimmung von Ministerin Petra Grimm- Benne - Alexander Raue, AfD: Das gilt dann aber auch für Männer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt hatte seit Beginn der 90er-Jahre eine bundesweit führende Rolle in Sachen Gleichstellungspolitik. Das war auch dem Frauenfördergesetz zu verdanken; dieses hat maßgeblich dazu beigetragen. Das Gesetz ist im Jahr 1993 verabschiedet worden. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in die Jahre gekommen. Sachsen-Anhalt ist mittlerweile das einzige Bundesland, das noch ein Frauenfördergesetz hat.

Deshalb ist es aus meiner Sicht Zeit für ein modernes Gleichstellungsgesetz. Ich betone an dieser Stelle: Wir brauchen ein modernes Gleichstellungsgesetz, kein Chancengleichheitsgesetz; denn ein solches erfüllt den verfassungsrechtlichen Auftrag eben nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehrlich gesagt habe ich es auch satt, dass Frauen immer wieder vorgehalten wird, sie hätten doch die gleichen Chancen, sie müssten sie nur nutzen und sich ein bisschen anstrengen.

Es geht um tatsächliche Gleichstellung. Es geht um die Stärkung von Instrumenten, die dazu beitragen, Ungleichbehandlung und Diskriminierung zu beseitigen.

Deshalb: Wenn wir über eine paritätische Besetzung von Gremien, von Führungspositionen sprechen, dann brauchen wir verbindliche Quoten. Wir brauchen Regelungen, die die Nichteinhaltung dieser Quoten sanktionieren. Wir brauchen qualifizierte Gleichstellungspläne, die Bestandteil der Personal- und Entwicklungsplanung sind. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen diejenigen, die tagtäglich für mehr Gleichstellung kämpfen - -

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist bereits abgelaufen.

Ich komme zum Schluss.

Den letzten Satz bitte.

Entschuldigung, aber hier stehen noch 29 Sekunden.

Nein, das ist schon in Rot. Sie haben schon überzogen.

(Zurufe von der AfD)

Deshalb müssen wir insbesondere die hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten stärken, mit konkreten Standards, die ihnen auch die finanziellen und sonstigen Ressourcen garantieren, damit sie ihre Arbeit tatsächlich so machen können, wie es von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist. Ich lade Sie herzlich zur Diskussion ein und bitte Sie um Unterstützung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Nachfrage, Frau Kolb-Janssen. - Herr Roi, bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Frau Kolb-Janssen, Sie wissen ja, die AfD lehnt Frauenquoten ab. Wir sind gegen die Diskriminierung.

(Eva Feußner, CDU: Das sieht man! Das sieht man in Ihrer Fraktion! - Weitere Zurufe von der CDU und von der SPD)

- Wie viele Frauen haben Sie denn, Frau Feußner? Das ist ja lächerlich. Aber gut.

(Unruhe bei der CDU und bei der SPD)

Ich komme gleich zu der Frage. Beziehen Sie die paritätische Besetzung, die Sie durchsetzen wollen, auch auf kommunale Aufsichtsratsgremien? Das ist meine erste Frage.

Die zweite Frage. Bitte erklären Sie mir einmal die drei wichtigsten Aufgaben, die eine Gleichstellungsbeauftragte beispielsweise eines Landkreises hat. Denn ich kann Ihnen als Mitglied des Kreistages sagen, dass der Landrat, der Hauptverwaltungsbeamte das nämlich nicht so richtig weiß. Zumindest hat er sich im Kreistag so geäußert.

(Lachen bei und Zurufe von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

- Ja, das ist schön, vielleicht kann ich es ihm dann einmal erklären.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Sie haben das damals als Ministerin auch mit vorangetrieben. Mich interessiert, was solche hauptamtlichen Kräfte vor Ort in den Kommunen überhaupt zu tun haben. Denn offensichtlich wissen die Leute vor Ort nicht, was sie zu tun haben.

Frau Prof. Kolb-Janssen, bitte.

Wir diskutieren hier im Landesparlament. Die Aussage zur paritätischen Gremienbesetzung im Koalitionsvertrag bezieht sich zunächst einmal auf die Landesgesellschaften und Landesunternehmen. Dies auf alles andere, den Geltungsbereich des Gleichstellungsgesetzes, auf die kommunalen Gremien auszudehnen, das müssten wir im Zuge eines neuen Gleichstellungsgesetzes diskutieren.

Zu der Frage, was Gleichstellungsbeauftragte auf kommunaler Ebene zu tun haben, das erkläre ich Herrn Schulze ganz gern selbst. Ich habe das schon mehrfach getan,

(Volker Olenicak, AfD: Das kommt offenbar nicht an!)