Protokoll der Sitzung vom 03.03.2017

Wenn der Unterricht allerdings angenommen werden soll, ist er mit unseren Wertevorstellungen nicht vereinbar. Ich würde gern von Ihnen wissen wollen, wie Sie dieses Dilemma auflösen wollen.

Möchten Sie antworten?

Wenn von den 20 000 Mitbürgern muslimischen Glaubens in Sachsen-Anhalt 4 000 in Moscheen organisiert sind und davon die meisten noch liberal sind, dann habe ich überhaupt keine Sorge, dass eine Diskrepanz oder eine Auseinandersetzung besteht. Wenn allein die 16 000, die nicht in Moscheen organisiert sind, und auch die überwiegend liberalen Muslime, die in Moscheen gehen, einen Religionsunterricht annehmen, dann ist das eine Gleichstellung und genau das Gleiche, was wir als Christen auch machen.

Es gibt einen katholischen, einen evangelischen, einen ökumenischen Religionsunterricht an den Schulen. Jeder sucht sich das aus und kriegt das Angebot, das er haben möchte. Darüber hinaus gehen wir - jedenfalls unsere Kinder - noch zu einem konfessionellen Unterricht in die Kirchen.

Das war übrigens zu DDR-Zeiten anders. Damals gab es diesen Religionsunterricht nicht. Das hat,

glaube ich, für das Verständnis nicht eben gut getan. Damals hat das nur in den Kirchen stattgefunden.

(Zuruf von der LINKEN)

Ich finde diese Doppelung heute wesentlich besser, dass man sowohl an der Schule ein breitgefächertes Angebot hat als auch zusätzlich seinen Glauben auch noch in seinen Gemeinden lebt. Bei dem Verhältnis, das ich Ihnen genannt habe, ist das wohl eher eine Chance als ein Risiko.

Frau Budde, Herr Schmidt hätte noch eine Frage. Oder eine Intervention, Herr Schmidt?

Frau Budde, wer soll denn den Religionsunterricht führen? Sind das richtig ausgebildete Religionslehrer? Oder wer wird da rekrutiert?

Rekrutiert wird erst einmal gar keiner. Diesen Sprachgebrauch lehne ich auch ab. Wenn, dann sind das ausgebildete Religionslehrer. An der Martin-Luther-Universität werden Religionslehrerinnen und Religionslehrer ausgebildet, auch an anderen Universitäten der Bundesrepublik.

Wenn es nun einmal vielfältiger wird in der Religion insgesamt in der Bundesrepublik, dann werden sich schon Universitäten finden, die eine vernünftige Ausbildung für das Thema Religion im Unterricht für Schüler muslimischen Glaubens machen, so wie es auch katholische Religionslehrer gibt, die an Universitäten ausgebildet werden, evangelische, die ausgebildet werden. Meine Tochter zum Beispiel studiert in Bremen Religionswissenschaften allgemein, sodass sie nachher in verschiedenen anderen Bereichen einsetzbar ist.

Festlegen, welche Lehrer an den Schulen unterrichten dürfen, das tun die Länder selber. Wir haben diesbezüglich ein sehr differenziertes Angebot. Das harmoniert überhaupt noch nicht. Wer in Bremen ausgebildet wurde, kann zum Beispiel bloß in Bremen und Brandenburg unterrichten. Es muss eine komplett neue Ausbildung aufgebaut werden, wie es in anderen Bereichen auch der Fall ist. Ich glaube, dass das sinnvoll ist, jedenfalls wenn es eine größere Vielfalt der Religionen hier gibt, und dass das die richtige Antwort darauf ist, wie wir mit unseren Möglichkeiten der Ausbildung und der Lehre darauf reagieren können.

Frau Budde, Herr Schmidt hat eine Nachfrage. Gestatten Sie das noch?

Wie viele Lehrkräfte sollen dafür zusätzlich eingestellt werden?

(Oh! bei der LINKEN - Weitere Zurufe)

Ich glaube, Sie merken an der Reaktion im Saal - man soll das zwar nicht sagen -: Es gibt auch dumme Fragen. Das war eine davon.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich danke Frau Budde für die Ausführungen. - Nun möchte der Fraktionsvorsitzende Herr Poggenburg von seinem Rederecht Gebrauch machen.

(Unruhe - Dr. Katja Pähle, SPD: Zweimal als Fraktionsvorsitzender zu derselben De- batte? - Weitere Zurufe: Das geht nicht!)

Werte Abgeordnete, mir ist bekannt und auch von Frau Brakebusch versichert worden, dass sich der Fraktionsvorsitzende laut geltendem Recht hier immer zu Wort melden darf, sogar unbegründet. Ich werde es hinsichtlich der Zeit nicht überstrapazieren. Setzen Sie sich bitte mit der entsprechenden Ordnung einmal auseinander.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der LINKEN: Nein!)

Sehr geehrte Abg. Frau Budde, ich freue mich, dass wir in einem Punkt schon einmal übereinstimmen: Ja, wenn wir in die Geschichte schauen, stellen wir fest, dass auch das Christentum eine missionarische Vergangenheit hat, die aus heutiger Sicht abzulehnen ist, überhaupt keine Frage.

Aber, Frau Budde, was Sie hier machen, ist, dass Sie mit dieser Begründung die Entwicklung, den Werdegang und den jetzigen Bestand des Islam rechtfertigen wollen nach dem Motto: Ja, dann müssen wir eben dem Islam hier auch Zeit geben, sich zu säkularisieren. Wir müssen ihm Zeit geben, seine Missionierung einzustellen. Halten wir einfach einmal still. Die paar hundert Jahre Entwicklung, die das Christentum benötigt hat, können wir jetzt hier in Deutschland auch irgendwie abdrücken. - Frau Budde, das geht nicht.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Sie können nicht jahrhundertelange Entwicklungen in einem Rechtsstaat im Zeitraffer nachzuholen versuchen. Wenn Sie dieselben Opfer in Kauf nehmen wollen, die es damals auch gab, dann bitte. Aber ich denke, das wollen Sie nicht.

Also ist diese Rechtfertigung, diese Entschuldigung des Islam einfach nur Quatsch.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Und, Frau Budde: Es gibt d e n Islam, nämlich den Islam, der sich ganz klar auf die Scharia beruft.

(Beifall bei der AfD)

Damit ist es ein und derselbe Islam. Die Scharia und die Anwendung der Scharia als das Gesetzesblatt vor dem Grundgesetz macht d e n Islam eben ganz einfach verfassungswidrig.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

Wenn Sie den Islam pausenlos mit dem Grundgesetz verteidigen wollen, obwohl er sich selber gegen das Grundgesetz stellt, dann ist das einfach nur sinnwidrig.

Vielleicht werden Sie das irgendwann einmal verstehen. Spätestens die Wähler werden es Ihnen erklären. - Danke.

(Beifall bei der AfD)

Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Abg. Frau Quade. Frau Quade, Sie haben das Wort.

(Unruhe bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich freue mich, dass sich die AfD-Fraktion immer freut, wenn ich spreche.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich will einmal versuchen, mich auf einer sachlichen Ebene dem Problem Ditib im Allgemeinen und Ditib in Sachsen-Anhalt im Besonderen zu nähern.

Man hat Arbeitskräfte gerufen und es kommen Menschen, schrieb Max Frisch bereits 1965. Er berührt damit einen ursächlichen Problembereich, wenn wir über Ditib und über die Entwicklung der Islamverbände, insbesondere in der alten Bundesrepublik, sprechen wollen. Hier bei uns spielt es ja nicht so eine große Rolle.

Denn genau dieser Umstand, dass eben nicht nur Arbeitskräfte kommen, sondern Menschen, wurde über Jahrzehnte hin ignoriert. Dass diese Menschen vom Grundgesetz gedeckte Bedürfnisse haben, wie beispielsweise Gebetsstätten, Friedhofsplätze oder auch die Berücksichtigung ihrer Religion im Bildungswesen, wurde genauso ignoriert.

Wenn sich Politik über Jahrzehnte nicht um diese Bedürfnisse, die zweifellos mit großen Herausforderungen verbunden sind, kümmert, dann tun es andere.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Dann tun es eben auch Organisationen wie Ditib, die zu Recht im Fokus öffentlicher Kritik stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Tat muss Ditib grundlegende Fragen klären, um überhaupt Vertragspartner sein zu können. Natürlich hat das ganz zentral etwas mit den Vorgängen in der Türkei zu tun.

Die Entwicklung der Türkei zu einem autoritären System, die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit, die Inhaftierung missliebiger Journalisten und politisch Oppositioneller wie zum Beispiel zahlreicher HDP-Abgeordneter, die anstehende Verfassungsänderung, die eine Präsidialdiktatur zum Ziel hat, all das kann keinen Demokraten kalt lassen, all das kann kein Demokrat befürworten.

(Zustimmung von Katrin Budde, SPD)

Ja, die enge Verwobenheit von Ditib mit dem System Erdoğan ist ein Problem.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)