Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

überzeugte Europäer sind, machen wir uns Sorgen um Europa. In diesem Europa besteht kein Widerspruch zwischen souveränen Nationalstaaten einerseits und fruchtbarer Zusammenarbeit und Frieden andererseits. Das sollten Sie sich bewusst machen.

(Beifall bei der AfD)

Weiterhin kann es Handel geben, gemeinsamen Grenzschutz, gemeinsame Sicherheitspolitik und verteidigungspolitische Kooperationen; alles unter der verbindenden Klammer, sich als Kulturgemeinschaft freier Völker zu verstehen, als Schutzraum so kostbarer unwiederbringlicher kultureller Identität.

Europa - ein Schutzraum, ja, eine Festung, in der freie Völker gemeinsam an dem Ziel arbeiten, dass es die Europäer, ihre Nationen und Völker, ihre Kultur und ihre Eigenheiten auch noch in 50, 100 und 200 Jahren als erkennbare Identitäten geben mag. Europa als Heimat der Europäer.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Dr. Hans- Thomas Tillschneider, AfD)

Dafür kämpfen wir hier in Deutschland und unsere Partner in Europa. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Rausch. Es gibt eine Anfrage von Dr. Grube. - Sie haben das Wort, bitte.

Herr Rausch, Sie haben eben die These aufgestellt, wenn wir die EU weiter vertiefen, dann würden die Völker Europas zu einem unidentifizierbaren Brei an Volksmasse werden - das ist nicht genau zitiert, aber sinngemäß - und die Völker würden sich auflösen.

Wir leben im Moment in einer Föderation; die nennt sich Bundesrepublik Deutschland. Würden Sie auch die These aufstellen, dass sich die Identitäten der Bayern, der Schwaben, der Thüringer, der Sachsen und der Mecklenburger zu einem unidentifizierbaren Einheitsbrei auswachsen?

(André Poggenburg, AfD: Teilweise!)

Würden Sie dann auch die Bundesrepublik auflösen wollen?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Rausch, bitte.

Ich darf auf Ihre Frage antworten: teilweise ja. Ich möchte es Ihnen kurz erklären. Und zwar ist es

so: Durch die massenhafte, zügellose Einwanderung, die hier

(Ah! und Unruhe bei der LINKEN)

im letzten Jahr bzw. 2015 stattgefunden hat - - Sie können das doch nicht wegwischen, wenn 1,5 Millionen Menschen einfach hier herüber kommen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja, auch die Bayern!)

Wissen Sie, das hat überhaupt keinen Sinn, mit Ihnen darüber zu sprechen. Aber grundsätzlich will ich Ihnen sagen, je mehr wir die Grenzen verschwinden lassen, desto mehr wird die kulturelle Identität gefährdet. Natürlich sollen die Bayern die Bayern sein mit ihren Traditionen, und die in Schleswig-Holstein sollen ihre Traditionen haben, da soll auch die dänische Minderheit ihr Recht haben. Das ist überhaupt keine Frage.

(Zuruf von Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE)

Es geht doch darum, das zu erhalten. Und Sie wollen das eben nicht erhalten. Das ist das Problem! Gucken Sie doch einmal nach Schweden, wie es dort aussieht, gucken Sie nach Amerika.

(Beifall bei der AfD)

Deutschland und Europa

(Katrin Budde, SPD: Amerika ist ein Ein- wanderungsland!)

- lassen Sie mich doch einmal ausreden - spiegeln sich darum aufgrund der Identität der Völker, und die Völker bilden die Staaten. Amerika ist ein klares Einwanderungsland gewesen, in das Europäer übergesiedelt sind. Schauen Sie sich dort an, wo die Ureinwohner wohnen. - In Reservaten! Da wollen wir nicht hinkommen.

(Beifall bei der AfD - Unruhe bei der SPD)

Herr Rausch, es gibt eine weitere Anfrage.

(Unruhe)

Ich denke, Herr Rausch ist nicht mehr bereit für eine Antwort. - Bitte, Herr Philipp, Sie haben sicherlich eine Kurzintervention.

Das ist eine Kurzintervention. - Ich will mich gleich entschuldigen für das, was ich gleich sage, und werde dies noch begründen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sehr geehrter Kollege Rausch, wenn man Sie über die Europäische Union referieren hört, das ist ungefähr so, als wenn man einen Blinden über die Schönheit des Sonnenaufgangs referieren lässt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Ich entschuldige mich für das, was ich gesagt habe, aus zwei Gründen: zum einen weil das nicht diskriminierend gegenüber Menschen sein soll, die diese bedauerliche Behinderung haben. Zum anderen glaube ich, dass ein Blinder über den Sonnenaufgang in einer höheren Qualität referieren kann, weil der noch die Fähigkeit hat, die warmen Strahlen der Sonne auf seinem Gesicht zu spüren. Sie jedoch sind verblendet, nicht nur emotional, sondern auch physisch und können diese Vorteile, die die Europäische Union für das deutsche und das europäische Volk errungen hat, nicht mehr sehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Sie möchten doch erwidern. Bitte, Herr Rausch.

Herr Kollege Philipp, hier sieht man es wieder, dass Sie gar nicht darüber diskutieren wollen. Sie wollen auch gar keine andere Meinung zulassen. Hätten Sie meiner Rede gelauscht: der Binnenmarkt ist zu befürworten, einige andere Sachen auch. Dass der Friede in Europa gewahrt ist, das wurde alles gesagt.

Nur, wir wollen nicht die Vereinigten Staaten von Europa werden. Was ist daran so schlimm? - Wir wollen kulturelle Identität für die Nationalstaaten bewahren. Das ist überhaupt nicht schlimm.

Die EWG, die mit den sechs Gründungsstaaten gebildet wurden - falls Sie das wissen -, die war im Sinne der souveränen Nationalstaaten als ein Europa der Vaterländer gedacht, von Charles de Gaulle. Das war das solidarische Zeichen: Wir kommen, wir wollen Euch einbinden - eventuell auch, um uns ein bisschen unten zu halten; darüber kann man sich streiten.

Dennoch merkt man an Ihrer Äußerung, Sie wollen doch den Diskurs gar nicht haben. Sie wollen doch die Meinung, die breite Bevölkerungsschichten haben, wegwischen, diffamierende Äußerungen machen und das so abtun, als hätte man keine Ahnung, worüber man spricht.

Ich muss Ihnen einmal sagen, Herr Philipp, Ihre Äußerungen zeigen mir nur, dass Sie eventuell ein überzeugter Transatlantiker sind oder dass Sie andere Meinungen nicht zulassen wollen, vor allem aber, dass Sie eigentlich gar keine Ahnung haben, was kulturelle Identität ist und wie schön es auch ist, wenn man Nationalstaaten erhalten kann.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Anfragen. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Frederking. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Unterzeichnung der Römischen Verträge gilt als die Geburtsstunde der Europäischen Union. In den Verträgen wurde hauptsächlich der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen geregelt, aber schon damals war klar, dass es um mehr ging als um ein Freihandelsabkommen. Es geht um gemeinsame Werte.

Schon fünf Jahre zuvor hatte Jean Monnet das eigentliche Motiv einer europäischen Union vorgegeben: Wir vereinen Menschen, wir vereinen keine Staaten, wir verbinden Menschen. Damals waren die heutige Freiheit und Einigkeit in Europa sicher nicht vorauszusagen. Wahrscheinlich konnte sich kaum jemand vorstellen, dass passloses Reisen oder eine gemeinsame Währung von 19 Staaten in Europa Realität werden.

Wie wird unser Europa zu seinem 100. Geburtstag oder zu seinem 80. Geburtstag ausgestaltet sein?

Wir GRÜNEN bauen auf die europäische Dynamik, die in den letzten 60 Jahren Unvorstellbares geleistet hat. Ich zitiere:

„Wir werden gemeinsam - wenn nötig, mit unterschiedlicher Gangart und Intensität - handeln, während wir uns in dieselbe Richtung bewegen.“

Dieses Zitat aus der Geburtstagserklärung der Staats- und Regierungschefs weist uns den Weg in die Zukunft der EU.