Das ist das Letzte, was ich dazu ansprechen will. Diese Leute, die ein tolles Geschäftsmodell entwickelt haben, um Teilen unserer Industrie das Fell über die Ohren zu ziehen, haben nicht das Wohl der Menschen im Auge. Vielmehr sollen die Menschen für immer mehr Dinge zahlen, die man viel preiswerter bekommen könnte, wenn man marktwirtschaftliche Prinzipien anlegen würde.
Es ist eine Unverschämtheit, wenn die LINKEN immer wieder von sozialer Gerechtigkeit sprechen und gegen die Umverteilung von unten nach oben wettern. Teilweise macht es der Schulz von der SPD nicht viel anders; das muss man genauso sagen. Das ist plumper Populismus, der an dieser Stelle praktiziert wird. In Wirklichkeit wird den Leuten mit dieser Art von Energiewende das Fell über die Ohren gezogen. Das wollen wir nicht.
Vielen Dank, Herr Farle. - Es gibt keine Nachfragen, sodass wir zum nächsten Debattenredner kommen. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Meister. Sie haben das Wort, Herr Meister.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Politische Entscheidungsprozesse sind natürlich immer anfällig für Einflussnahmen. Das ist letztlich sogar gewollt. Der Minister ist darauf eingegangen. Jenseits des Zulässigen und Wünschenswerten besteht dabei auch immer die Gefahr nicht legitimer Einflüsse oder einer zu großen Nähe von Interessenverbänden, der Wirtschaft oder der Finanzen zur Politik. Das geht hin bis zu personellen Verflechtungen.
Dies hat zur Folge, dass sich Einzelinteressen unangemessen und möglicherweise unkontrolliert gegen die Interessen der Allgemeinheit durchsetzen. Diese grundsätzliche Situation ist keine Spezialität der Automobilbranche, hat dort aber in jüngster Zeit in besonderer Weise Bedeutung erlangt. Um solchen Tendenzen zu begegnen, ist neben der Einhaltung der üblichen Antikorruptionsregeln insbesondere eine politische Kultur erforderlich, die sich solchen Einvernahmen widersetzt. Daran fehlt es in der nötigen Konsequenz.
Wenn man fragt, ob das Verhältnis zwischen der Automobilindustrie und der Politik in der Vergangenheit vor diesem Hintergrund in Ordnung war, so meine ich, nein. Die Grenze des berechtigten Einsatzes für den Wirtschaftsstandort - darauf ist
Uli Thomas eingegangen - ist an dieser Stelle überschritten. Die Politik hat sich willig am Nasenring durch die Manege führen lassen. Den Schaden hat die Gesellschaft, vor allem durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, aber auch durch die massiven Nachteile für den Wirtschaftsstandort, die wir jetzt beklagen.
Die Fragestellung der LINKEN bezieht sich auf die Gefährdung der Demokratie. - Ja, ich meine, das ist tatsächlich ein Problem. Aber unser demokratisches System hat natürlich auch Regularien, nämlich Opposition, Wahlen, Justiz, Presse, sodass ich meine, eine grundsätzliche Gefährdung besteht nicht.
Herr Höppner, etwas verdutzt war ich über Ihre Aussage, dass meine Partei 100 000 € erhalten habe. Das zeigt auf, wie fahrlässig Sie mit solchen Dingen umgehen.
Lobbycontrol hat das nicht behauptet. Lobbycontrol hat aufgelistet, welche Großspenden, also nicht Spenden aus der Automobilbranche, wie Sie es sagten, an die Parteien gegangen sind. Darüber gibt es eine genaue Aufstellung. Ich habe die eine Spende, die es gab, nachgeschlagen; das ist leicht zu finden. Wenn ich Ihnen das vorhalte und den Namen des Spenders nenne, der nichts mit der Automobilindustrie zu tun hat, dann sagen Sie, Lobbycontrol habe im ersten Halbjahr ausgesagt, diese Spende sei aus der Automobilindustrie gekommen.
An dieser Stelle hätten Sie zumindest sagen müssen, dass Sie sich nicht sicher sind. Dann kann man sich im Nachhinein auch entschuldigen. Aber das zeigt ein wenig, dass Sie in einer populistischen Richtung unterwegs waren und weniger das Interesse an einer Auseinandersetzung in der Sache bestand.
In Bezug auf die Frage, wie groß der Einfluss der Automobilindustrie auf die Politik ist, muss man auf die Entwicklung der letzten Jahre eingehen. Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass ein Gericht jetzt festgestellt hat, dass die Gesundheit der Bevölkerung nur durch temporäre Fahrverbote zu schützen sei? Man hätte sich vor kurzer Zeit überhaupt noch nicht vorstellen können, dass es einmal zu einer derartigen Situation kommt.
Europäische Regelungen werden auch in diesem Hause oft - wir wissen das - stark kritisiert. Aber es war die Europäische Union, die sich der Problematik der Luftschadstoffe besonders in den Innenstädten mit ihrer Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa angenommen hat.
Damit wurden auch die Belange der Menschen ernst genommen, die in unseren Innenstädten wohnen. Das Ziel ist nicht die Gängelung von Menschen, sondern der Gesundheitsschutz.
Die EU hat den Mitgliedsländern eine Frist eingeräumt, in der sie Maßnahmen ergreifen können, um den Anteil von Stickoxiden und Feinstaub zu minimieren. Leider haben dies viele Länder und Kommunen nicht zum Anlass genommen, sofort zu handeln. Erst als wegen der Überschreitung der Grenzwerte an mehr als 50 Tagen keine andere Wahl bestand, wurde versucht, mit Aktions- und Luftreinhaltepläne gegenzusteuern.
Hintergrund dafür sind weniger finstere Machenschaften, sondern Desinteresse regional Handelnder, die Unpopularität etwaiger Maßnahmen auch in der Bevölkerung - das muss man sich klarmachen - und die Tatsache, dass die Todesfälle durch die toxischen Stoffe nicht unmittelbar erlebt werden.
Es ist schon interessant zu sehen, wie intensiv wir in der Politik über die Frage des Wolfes diskutieren. Das ist durchaus angemessen und natürlich ist es ein grundsätzliches Problem. Ich weiß nicht, ob es im Zusammenhang mit dem Wolf jemals einen Verletzten gab. Ich glaube nicht, dass es einen Fall gab.
Die Zahl der Todesfälle durch toxische Stoffe rechnen einem Statistiker aus. Im Jahr 2015 gab es in Deutschland 38 000 Tote durch Grenzwertüberschreitungen. Das ist aber nicht erlebbar und deswegen wird es in der Politik mit den Worten abgetan, das ist ein bisschen dicke Luft; habt euch nicht so.
Deshalb muss man darauf dringen, rechtliche Regularien einzuführen, um an dieser Stelle einschreiten zu können und um diese Grenzwerte einzuhalten. Deswegen haben wir diese Kalamitäten, in denen wir nun stecken.
Es ist deshalb die Aufgabe der Politik auf allen Ebenen, alle Maßnahmen zum Schutz der Menschen zu ergreifen. Es geht eben um das Leben. Da dies nicht immer populär ist, haben die nur halbherzigen Maßnahmen in den stark belasteten Innenstädten oft keinen Erfolg. Scheinbar bot jedoch die Automobilindustrie der Politik einen Ausweg aus diesem Dilemma. Mit neuen Motoren, so suggerierte man, könne man ohne Verärgerung der autofahrenden Bevölkerung den Schadstoffausstoß senken.
auch der Tatsache geschuldet, dass Hersteller von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Software im Testzyklus die Einhaltung der Grenzwerte vorgaukelten. Das ist eine strafbare Handlung; das wurde vorhin schon angesprochen. An dieser Stelle wird es auch eine gerichtliche Aufarbeitung geben müssen.
Im alltäglichen Straßenverkehr stießen insbesondere Dieselmotoren deutlich mehr Schadstoffe aus als in realitätsfernen und manipulierten Testzyklen. Das Ergebnis dieser Praxis spiegelt sich an den Messstellen der Innenstädte wider. Die Politik, insbesondere auf Bundesebene, hat die Menschen über Jahre hinweg alleingelassen in einem falschen Loyalitätsverständnis gegenüber Automobilindustrie.
Ja, die Automobilindustrie ist für Deutschland eine maßgebliche und strukturbestimmende Branche. Trotzdem ist es unter keinen Umständen hinzunehmen, auch für diese Branche nicht, dass die Gesundheit der Bevölkerung gegen wirtschaftliche Interessen ausgespielt wird.
So wurden immer wieder Vorstöße der Europäischen Union zum Schutz der Gesundheit aufgeweicht oder zeitlich nach hinten verschoben. Die Einführung des Rußpartikelfilters oder die verpflichtende Rücknahme von Altautos wurden lange Zeit verzögert. Bis heute gelten keine realistischen Zyklen zur Ermittlung von Verbrauchswerten und Schadstoffemissionen. Ihre Einführung ist erst in nächster Zeit vorgesehen.
Wie krass dies in der Realität aussieht, hat das Umweltbundesamt im Mai aufgedeckt. Die Werte der Realmessung weichen zum Teil um das Achtfache vom Laborgrenzwert ab. In der Praxis zählt der Laborgrenzwert. Leider halten sich die Mortalitätsraten nicht an die Laborwerte.
Durch die Abgasaffäre in den USA gerieten die Automobilbauer stärker in den Fokus der Behörden. Die Betrugssoftware wurde eben nicht durch behördliches Handeln in Deutschland, wie es nötig gewesen wäre, entlarvt, sondern durch die amerikanische Umweltbehörde. Wir sagen dann immer, wie sind denn die Amerikaner wirklich drauf. Aber sie machen es uns vor und zeigen uns, wie man die Bevölkerung schützt.
Mit diesem Betrug wurde Glaubwürdigkeit verspielt. Die Gesundheit der Menschen und die Enteignung von Hunderttausenden Autobesitzern durch den rapiden Wertverlust ihrer Fahrzeuge zeigen auf, wer die Zeche für diesen Dieselskandal zahlen muss. Eine überzeugende Reaktion der Politik bleibt aus.
Maßgeblich verantwortlich ist die Politik in Berlin und ganz speziell auch der Bundesverkehrsminister. Sein, ja, Kuschelkurs gegenüber der Auto
industrie hat den Vorstandsvorsitzenden der Autokonzerne deutlich gemacht, dass von dieser Bundesregierung in der Richtung nichts zu erwarten ist. Entsprechend überheblich war ihr Auftreten in der Bundespressekonferenz nach dem sogenannten Dieselgipfel. Das war zumindest meine Wahrnehmung.
Die Lobbyarbeit, allen voran Ex-Verkehrsminister Wissmann, der die personelle Verflechtung in seiner Person dokumentiert, war erfolgreich, weil der direkte Draht ins Kanzleramt immer noch funktioniert.
Doch nicht nur in Berlin entfaltet die Lobbyarbeit ihrer Wirkung, auch das Kraftfahrtbundesamt hat seine ureigensten Aufgaben nicht wahrgenommen. Statt mit eigenen Tests die Herstellerangaben zu überprüfen, wie es seine Aufgabe gewesen wäre, hat man die Angaben einfach aus den Hochglanzprospekten der Autokonzerne übertragen.
Die Autobauer haben mit ihrer Betrugsstrategie versucht, möglichst viele Dieselautos zu verkaufen. Die Entwicklung moderner Antriebsmöglichkeiten haben sie damit bewusst hinausgeschoben. Das Beharren auf Althergebrachtem hat Innovationen behindert und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Kritik, dass gerade dieses Festhalten auf Dauer für uns ein Problem ist, nehme ich zu wenig wahr. Wir möchten doch weiterhin in der Mobilitätsbranche aktiv sein.
Wenn ich jetzt sehe, dass die Entwicklungen weltweit in eine andere Richtung gehen, dann ist die Sorge, die Kollege Thomas vorhin äußerte, nämlich ob wir das, was wir seit 1890 machen, in zehn Jahren immer noch so machen werden, berechtigt. Volvo hat angekündigt, im Jahr 2019 den Verbrennungsmotor als Antrieb aus der Produktion zu nehmen, Großbritannien kündigt an, ab 2050 auszusteigen, Frankreich ab 2040, die Niederlande ab 2035. Indien sagt, dass ab dem Jahr 2030 alle neu zugelassenen Fahrzeuge zumindest einen elektrischen Antrieb haben müssen. Norwegen kündigt an, ab 2025 auszusteigen. China sagt, dass ab 2030 nur noch 50 % der Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor haben sollen.
Ich will damit zeigen, dass es keine grüne Spinnerei ist, sondern wir laufen auf eine Situation zu, in der sich ganz grundlegende Dinge ändern werden. Der Dieselskandal ist im Kern ein Verharren, ein Versuch des Festhaltens an dem alten Geschäftsmodell und die Verweigerung, sich Neuem zu öffnen. Das ist gefährlich für unseren Standort. Wir drängen darauf, dass sich das ändert.
Meine Redezeit ist zu Ende, das Manuskript noch nicht ganz, aber ich danke Ihnen trotzdem für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abg. Meister. - Es gibt mehrere Anfragen, nämlich von Herrn Höppner, von dem Abg. Herrn Gallert und von dem Abg. Herrn Thomas.