Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ja, natürlich: Polizei hat mehr zu tun, seit die Geflüchteten im Land sind. Ja, natürlich gibt es mehr Aufwand, wenn Unterkünfte der Geflüchteten geschützt werden müssen, weil sie sonst niedergebrannt werden. Ja, natürlich ist es ein Mehraufwand, wenn man mehr Polizeieinsätze fahren muss, um Abschiebungen durchzusetzen, weil es der politische Wille dieser Regierung ist. Ja, natürlich steigt die Belastung der Polizei, wenn sie Demonstrationen eines rassistischen Mobs absichern müssen, der im meist nicht so hoch geschlossenen Gewand der besorgten Bürger in den letzten Jahren immer mehr Raum und Wort ergreift.

(Zustimmung bei der LINKEN - Unruhe bei der SPD)

Natürlich steigt die Belastung von Polizistinnen und Polizisten, wenn es eine Explosion rechter Straf- und Gewalttaten gibt. Und natürlich sinkt die Belastung der Polizei eben nicht automatisch, wenn die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner insgesamt zurückgeht.

Zudem gibt es noch ganz andere Belastungen, die weiter zunehmen. Ein Beispiel sind die anderen Aufgaben, die der Polizei obliegen. Beispielsweise gab es noch im Jahr 2013 rund 7 600 polizeiliche Begleitungen von Schwerlasttransporten.

Im Jahr 2016 reden wir schon von über 10 000 solcher Begleitungen. Auch das erhöht den Arbeitsdruck.

Eine wesentliche Rolle für die Motivation von Polizistinnen und Polizisten und auch ein Gradmesser für die Wertschätzung, die diese Berufsgruppe erfährt, ist die Besoldung. Der Abstand zum Bundesdurchschnitt ist deutlich gesunken; das ist gut, aber das reicht nicht.

Was es braucht, ist erstens eine Vergleichbarkeit von tarifgebundenen Angestellten und Beamten, die eben nicht durch pauschale Einmalzahlungen erreicht wird, sondern die durch ein echtes Weihnachtsgeld für alle erreicht werden würde.

Zweitens und noch weitaus dringender ist es, den Beförderungsstau bei der Polizei endlich aufzulösen. Insgesamt gibt es laut der Landesregierung derzeit 1 514 beförderungsfähige Polizeivollzugsbeamte. Meine Damen und Herren! Das entspricht einer Quote von 54,99 % aller förderungsfähigen Landesbeamten. Es ist ein Skandal, dass diese Leute nicht befördert werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ebenso ist es ein Skandal, dass genau diese Leute in ihrer ganz großen Mehrheit auch keine Chance haben, in naher Zukunft befördert zu werden. Warum nicht? Weil die Landesregierung bis heute kein Beförderungskonzept für die Jahre 2017 bzw. 2018 beschlossen hat, weil in den Haushalt für die Jahre 2017 und 2018 jeweils Mittel für Beförderungen und Höhergruppierungen im Wert von 5 Millionen € für die gesamte Landesverwaltung eingestellt sind, der Bedarf allein bei den Polizisten aber 6 Millionen € wäre.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wann, frage ich Sie, ist mit einem Beförderungskonzept zu rechnen? Eine Antwort darauf sind Sie uns schuldig. Sie sind die Antwort aber vor allem denjenigen schuldig, die auf ihre Beförderung warten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein wichtiger Anzeiger für die Frage, wie ein Personalkörper aufgestellt ist, ist auch der Krankenstand. Der Krankenstand des Vollzugspersonals der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt befindet sich seit Beginn der Erfassung auf einem anhaltend hohen Niveau; er liegt derzeit zwischen 10 und 11 %.

Dass es einen Zusammenhang zwischen hohem Krankenstand, hohem Altersdurchschnitt und gestiegener Einsatzbelastung gibt, liegt auf der Hand. Woran es fehlt, sind Maßnahmen der Landesregierung, um dem zu begegnen. Es gibt Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Es gibt Maßnahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements.

All das kann nicht von heute auf morgen zu einer spürbaren und ruckartigen Verbesserung führen; das ist völlig klar. Aber ich frage mich schon, warum die positiven Erfahrungen, die es hier gibt, zum Beispiel in der Polizeidirektion Süd in der Frage des betrieblichen Eingliederungsmanagements, nicht ausgeweitet und auch in anderen Regionen angewandt werden. Das wäre mal ein Schritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn wir über Polizei reden, dann müssen wir auch und insbesondere über die Situation von Aus-, Fort- und Weiterbildung reden. Infolge der erhöhten Einstellungszahlen in den nächsten Jahren wird zusätzliches Fach- und Lehrpersonal gebraucht werden. Die Bedarfsdeckung soll dabei überwiegend aus dem Bereich der Landespolizei selbst kommen. Das ist an sich ein naheliegender Schluss. Aber ob diese Eigenbedarfsdeckung ausreichend und eine echte Lösung sein wird, wird die Zukunft zeigen müssen. Letztlich fehlen die Leute an anderen Stellen.

Hinlänglich bekannt ist außerdem, dass die Fachhochschule der Polizei eine räumliche Kapazitätserhöhung braucht, die sich aus den erhöhten Einstellungszahlen ergibt. Auch hierzu gab es immer wieder unterschiedliche Nachrichten. In den letzten Monaten wurde uns siegessicher von Plan A, der auf jeden Fall klappen wird, berichtet, und Plan B wurde nur ein bisschen angedeutet. Es hat sich herausgestellt, dass es so einfach dann doch nicht ist. Wir sind auf den weiteren Gang der Dinge gespannt.

Wir hoffen im Sinne der Auszubildenden und der Lehrenden, dass ein Plan der Landesregierung funktioniert, und sehen an dieser Stelle erneut bestätigt: Statt langfristig vernünftig zu planen, reagiert die Landesregierung erst, wenn Leugnen der Probleme nichts mehr nützt. Das ist ein Problem. Hier ist Umdenken angesagt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Überraschend auftretende Probleme, Verzögerungen und Behelfe sind prägend für die Situation der Dienstgebäude der Polizei, auch dazu haben wir in den letzten Monaten viel in den Zeitungen lesen können und müssen. Schon seit Monaten sind unzumutbare Zustände an Dienstgebäuden der Polizei öffentlich in der Kritik. Im Zusammenhang mit Magdeburg spricht man inzwischen vom „schlechtesten Dienstgebäude Deutschlands“.

Gutachten stellten unter anderem gesundheitsgefährdende Stoffe fest. Zahlreiche Beamtinnen und Beamte mussten deshalb in Ausweichquartiere umziehen. Zum Teil sind wir immer noch in Planungsphasen und an der Erarbeitung von Sanierungskonzepten, und das über Monate hinweg. Wann kann ein Rückzug tatsächlich vollzogen

werden? Ich wage da keine Prognose. Bisherige Erfahrungen zeigen leider, dass es eher länger als kürzer dauert.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns das zentrale Projekt anschauen, die Organisationsfortentwicklung der Polizei, wird deutlich: Ja, Teilschritte sind umgesetzt und funktionieren auch ganz gut. Die Regionalbereichsbeamten sind ein Beispiel. Ich glaube, wir sind uns hier im Hause darüber einig, dass es insoweit ganz gute Erfahrungen gibt.

Aber: Der Prozess der bisherigen Organisationsfortentwicklung konnte nicht zu einer Verbesserung der Situation bei der Polizei führen, weil die Zielsetzung genau dieser Organisationsfortentwicklung in erster Linie in der Anpassung und Weiterentwicklung der Strukturen im Sinne eines sinkenden Personalbedarfs bestand.

Die Projektgruppe „Polizeistruktur 2020“ soll nun bei der Erarbeitung des Strukturkonzeptes auch die derzeitigen, also infolge der Organisationsfortentwicklung entstandenen Strukturen einer tief greifenden Überprüfung unterziehen und gegebenenfalls Veränderungen vorschlagen.

Da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, kann noch nicht gesagt werden, was dabei herauskommen wird, und es kann auch die Wirksamkeit nicht beurteilt werden. Auch das verbessert das Arbeitsklima nicht.

Erst das PEK, dann die Organisationsfortentwicklung, nun die Projektgruppe, immer wieder gibt es neue Heilsbringer, die Effekte aber bleiben bloße Spekulation.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Quade, aber diese Spekulationen müssen jetzt zum Ende kommen.

Die kommen mit nur zwei Sätzen zu Ende. - Meine Damen und Herren! Man kann ein Tischtuch hin und her schieben, man kann es drehen und wenden; wenn es zu kurz ist, bleibt es zu kurz. Der alleinige Grund für den Personalnotstand bei der Polizei ist die verfehlte Personalpolitik bisheriger Landesregierungen. Das Land muss hier schnellstens seiner Verantwortung nachkommen, für angemessene Arbeitsbedingungen sorgen, im Hier und Heute, und nicht erst in drei Jahren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine Wortmeldungen. - Deswegen hat für die Landesregierung der Minister Herr Stahl

knecht das Wort. Vorgesehene Debattenzeit: elf Minuten. - Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Quade, nachdem ich Ihnen zugehört habe, will ich mal grundsätzlicher anfangen.

Wir haben einen Landeshaushalt, der seit Jahren bei ungefähr 11 Milliarden € liegt. Wir haben in etwas über 20 Jahren Schulden in Höhe von 20 Milliarden € aufgebaut. Daran war jede Fraktion in diesem Landtag - bis auf die AfD - beteiligt, auch Sie, die Partei DIE LINKE, die acht Jahre lang mitregiert hat.

Insofern war es - auch wenn es heute geschmäht und beschimpft wird - in der Zeit von 2011 bis 2016 durchaus zunächst richtig, in diesem Land auf einen Konsolidierungspfad einzuschwenken und diesen zu begehen, der uns jetzt am Ende auch Freiräume gibt, die wir vorher so nicht gehabt haben. Im Rahmen dieses Konsolidierungspfades ist auch Personal abgebaut worden, auch damals bei der Polizei.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und von der Regierungs- bank)

Sicherheit, Frau Quade, ist nicht Statisches, sondern ist etwas, das immer von einer Situation, einem Kriminalitätsgeschehen und auch einer internationalen Lage abhängig ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern gibt es auch keine schlechten oder guten Strukturreformen oder Strukturen, sondern es gibt immer Strukturen, die sich der veränderten, weil nicht statischen Sicherheitslage anzupassen

haben.

Jetzt haben Sie einige Dinge völlig ausgeblendet, was verständlich ist, weil Sie Opposition sind. Aber nicht deswegen, weil man Opposition ist, darf man alle Dinge verdrehen und verändern.

Jetzt will ich Ihnen sagen, dass wir bereits im Jahr 2014 aufgrund einer sich verändernden Sicherheitslage den Abbauprozess verlassen haben, und wir haben im Jahr 2014 die Zahl der Einstellungen von bisher 150 Kolleginnen und Kollegen auf 200 erhöht. Wir haben die Zahl der Einstellungen im Jahr 2016 sogar auf 350 erhöht, sodass es bereits in der letzten Legislaturperiode ein Umsteuern gab. Ich betone: in der letzten Legislaturperiode.

Wir haben dann eine Polizei für das 21. Jahrhundert angedacht vom Aufbau mit Regionalbereichsbeamten als diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort Auge und Ohr der Polizei sind und die den Bürgermeistern und Bürgern zur Verfügung stehen.

Die Regionalbereichsbeamten sind ein Erfolgsmodell unserer Polizei. Die Bürgermeister sagen mir, wenn es sie nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden.

(Beifall bei der CDU)

Darüber haben wir eine wunderbare und moderne Sachausstattung gelegt, indem wir interaktive Funkwagen eingeführt haben. Wir haben im Übrigen in den Jahren 2011 bis 2016 100 Millionen € in die Sachausstattung der Polizei gegeben. Das haben Sie überhaupt nicht erwähnt. Wir sind dabei, den gesamten Fuhrpark zu rollenden Büros umzubauen. Das ist ein Teil dieser Strukturreform.

Wir haben dann weiterhin beschlossen, dass wir in diesem Land vier Polizeiinspektionen brauchen - die werden wir einführen - und dass wir eine weitere Polizeiinspektion brauchen, um solche Dinge zu zentralisieren. Das ist auch in dieser neuen Legislaturperiode konsequent fortgeführt worden.