Protokoll der Sitzung vom 26.10.2017

Warten Sie einmal, Frau Ministerin. - Herr Lange, mich irritiert nicht so sehr die Zahl Ihrer Fragen als eher diese Komplexität. Frau Dalbert hat jetzt die Aufgabe, diese beiden Fragen in zwei Minuten zu beantworten.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das schafft sie!)

Frau Dalbert, Sie haben das Wort.

Gut, fangen wir mit dem Mittelabfluss an. Wie der Mittelabfluss 2017 gewesen sein wird, wissen wir 2018. Denn bei den baulichen Maßnahmen - - Das kennen wir auch beim Hochwasserschutz, beim Hochwasserbau. Da haben wir im Augenblick auch einen geringen Mittelabfluss. Der wird im vierten Quartal dramatisch ansteigen. Das sehen wir dann erst alles. Das ist die eine Antwort.

Warum dauert das so lange? - Darauf möchte ich auch zwei Antworten geben. Das eine ist, das habe ich ja gesagt: Sie haben in Ihrer Rede immer völlig richtig gesagt: „Die gilt doch schon seit 2000.“ Dieses Land hat aber erst 2010 angefangen, sie umzusetzen, weil man dann erst die europäischen Gelder hatte und ab 2010 die Dinge dann mit anderen Mitteln als Landesmitteln finanzieren konnte.

Insofern ist realiter gesehen der Zeitraum, seit man tatsächlich angefangen hat, Gewässerentwicklungskonzepte und die darauf aufbauenden Maßnahmen umzusetzen, ein sehr viel kürzerer. Damit will ich jetzt nicht sagen, da müssen wir uns irgendwie ausruhen oder so. Aber es scheint vielen anderen Ländern auch so zu gehen.

Wenn ich höre, dass im Augenblick debattiert wird, bei der Wasserrahmenrichtlinie die Deadline nach hinten zu setzen, dann finde ich es entlastend, dass uns erst einmal kein Vertragsverletzungsverfahren drohen würde. Aber trotzdem werden wir natürlich alles tun, damit wir bei der alten Deadline oder vielleicht ein, zwei Jahre später irgendwo dann auf dem Punkt landen. Das muss uns nicht zum Ausruhen führen.

Dann ist natürlich noch ein zweiter Punkt, den ich erwähnen will.

Kurz, Frau Dalbert. Wenn es irgend geht, kurz erwähnen.

Gut: kurz. Dann mache ich es ganz kurz. - Zweiter Punkt zu Ihrer Frage: Wie wollen Sie denn schneller werden? - Wir haben vier Stellen aus dem 100-Stellen-Programm genau in den Bereich gegeben, eine Stelle für Nährstoffeinträge und Schadstoffe und drei Stellen, die sich mit der Morphologie und Gewässerdurchgängigkeit beschäftigen werden. Mit mehr Personal kann man auch schneller Gewässerentwicklungskonzepte auf den Weg bringen und umsetzen.

Das hängt natürlich auch immer ein bisschen am Personal. Wir haben in dem Bereich, wie in anderen Bereichen auch, in den letzten Jahren einfach einen völlig unstrukturierten Personalabbau erlebt. Den habe ich gestoppt. Da wir diese 100 Stellen haben, sind vier Stellen ein signifikanter Anteil, den wir dort hinein stecken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Damit können wir nunmehr in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Für die SPD-Fraktion hat der Abg. Herr Barth das Wort. Bitte sehr.

Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist ohne Zweifel eine große Herausforderung für unser Land. Vergessen darf man dabei nicht, wo wir hergekommen sind und dass gerade Sachsen-Anhalt hierbei insbesondere Herausforderungen zu stemmen hatte und hat.

Erinnern möchte ich insbesondere an die Situation im Abwasserbereich und die Altlasten aufgrund der historisch gewachsenen Chemiestandorte.

Meine Damen und Herren! Die Frau Ministerin ist auf viele Aspekte bereits ausführlich eingegangen, und ich möchte es uns ersparen, diese zu wiederholen. Mit der Wasserrahmenrichtlinie - das wurde bereits mehrfach gesagt - beschäftigen wir uns bereits seit der dritten Wahlperiode. Zurückblickend kann ich feststellen, dass wir den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie durchaus nähergekommen sind, obwohl das Ziel noch weit, weit weg ist.

Die Ziele möchte ich im Einzelnen noch einmal kurz benennen, da im Grunde nicht die Frage im Vordergrund stehen sollte, ob ein Gewässerentwicklungskonzept pünktlich erarbeitet wurde, sondern ob wir bei der Zielerfüllung vorangekommen sind.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Ganz genau!)

Die Ziele wären also: erstens der gute ökologische und chemische Zustand der oberirdischen Gewässer, zweitens die Reduzierung der Verschmutzung der Oberflächengewässer, drittens das Verschlechterungsverbot für Grundwasser, viertens eine Trendumkehr der Verschmutzung beim Grundwasser und Herstellung eines guten chemischen und quantitativen Zustands, fünftens die Berücksichtigung des Verursacher- und des Kostendeckungsprinzips bei der Gestaltung von Wasserpreisen.

Ich denke, das war vielleicht ganz interessant für diejenigen Wenigen, die hier noch der Debatte folgen.

(Zustimmung bei der AfD)

Dann möchte ich fortfahren in meinen Ausführungen. Der ursprüngliche Zeitplan der Wasserrahmenrichtlinie war ohne Zweifel sehr sportlich. Wir kennen ihn alle: 2027. Der Erlass von Rechtsvorschriften sowie die Benennung der zuständigen Behörden erfolgten planmäßig bis 2003, die Überprüfung der Liste prioritärer Stoffe sowie die Verzeichnisse der Flussgebietseinheiten und Schutzgebiete bis Ende 2004. Das Überwachungsprogramm sollte Ende 2006 stehen. Die Festlegung der Umweltziele für Oberflächengewässer und Grundwässer sowie die Maßnahmen- und Bewirtschaftungsprogramme sollten bis 2010 stehen und die Umsetzung bis 2012 erfolgen.

Für die Zielerreichung „guter Zustand“ wurde vonseiten der EU das Jahr 2015 angepeilt. Das Auslaufen der Einbringung gefährlicher Stoffe soll in einem Zeitraum von 20 Jahren erfolgen. Hier müssen wir feststellen, dass es so schnell und so einfach nicht geht. Es steht eine ganze Reihe fachlicher und rechtlicher Fragen im Raum, die einer Erklärung bedürfen.

Die Zusammenarbeit mit den Unterhaltungsverbänden ist eine zwingende Voraussetzung für die Erarbeitung der Gewässerentwicklungskonzepte

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LIN- KE)

und die Priorisierung der Maßnahmen. Abgesehen von den vom Land, dem Bund und der EU zur Umsetzung bereitgestellten Fördermittel ist derzeit auch noch nicht abschließend geklärt, in welchem Umfang die Umsetzung von Maßnahmen auf die Beiträge der Unterhaltungsverbände erfolgen kann und erfolgen soll.

Abschließend möchte ich ganz kurz auf die Importmenge an Wirtschaftsdünger eingehen. Wir sind die viehärmste Region Deutschlands. Die Rückgabe von organischem Material in den Boden hat eine außerordentliche Bedeutung für die Bodenfruchtbarkeit. 200 000 t sind gemessen an

der Fläche des Landes ein Klacks und nicht annähernd ausreichend für eine ausgeglichene Humusbilanz.

Natürlich stellen sich hier die Frage hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und die Frage nach der Verteilung. Das ist das Problem. Eine optimale Verteilung setzt voraus, dass die Akteure vertrauensvoll zusammenarbeiten und die Belange der Umwelt berücksichtigt werden. In diesem Sinne muss es darum gehen, dass die Landwirte mit dem Unterhaltungsverband und der Verwaltung gemeinsam Lösungen finden. In diesem Sinne wünsche ich mir für die Zukunft eine bessere Zusammenarbeit, damit wir die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zum Erfolg führen können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Fragen. Für die AfD-Fraktion hat die Abg. Frau Funke das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir haben es heute schon gehört, wir reden über das sehr komplexe Thema der Wasserrahmenrichtlinie, die durch die Fraktion DIE LINKE via einer Großen Anfrage thematisiert wurde, möglicherweise auch, weil ausreichend Fachverbände enorme Kritiken an deren Umsetzung kommunizierten.

Ich dachte mir beim ersten Lesen: Wow, was für ein interessantes Thema. Mein Metier. Ich habe mich darauf gefreut. Sodann nahm ich mich mit großen Erwartungen der Großen Anfrage an und hoffte ebenso auch auf erwartungsvolle Antworten.

Leider, werte Kollege der LINKEN, haben Sie diese und die spezifischen Probleme schon in der Fragestellung nicht konkretisiert und uns dazu auch im Unklaren gelassen. Vieles wurde nur angerissen und ganz nach dem Ziel der EUWasserrahmenrichtlinie abgearbeitet.

Beispielsweise die Frage 7, die sich um eine Einschätzung der möglichen ökologischen Veränderungen in Form der Einstufung der Gewässer hinsichtlich ihrer Veränderungen nach dem jeweiligen Projektvollzug bemüht, stellt meines Erachtens schon die Große Anfrage an sich infrage, und - das empfinde ich als recht lustig - die Antwort allerdings auch; denn selbst wenn wir gute Zustände in Gewässern erreichen würden, wovon ich jetzt einmal nach einer gewissen Zeitschiene, positiv betrachtet, ausgehe, sind diese Gewässer ohnehin durch den Eingriff des Menschen erheb

lich verändert. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir positiv oder negativ eingegriffen haben, sondern nur, dass wir eingegriffen haben.

Bei einer derartigen Eingriffsfülle von angedachten Maßnahmen im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie an 286 Gewässerkörpern bleiben diese ergo anthropogen verändert. Eine Verbesserung der Einstufung von „erheblich verändert“ zu „natürlich“ beispielsweise wird es deshalb per Definition nicht geben können.

Ich frage mich eher: Was erwarten Sie, mit den Maßnahmen in den einzelnen Gewässerkörpern zu erreichen, bzw. auf welchen Zeitschienen mögen Ihrer Meinung nach am und im Gewässer, ökologisch und chemisch betrachtet, spätestens Erfolge zu verzeichnen sein?

Die Versäumnisse in den letzten Jahren und die Gewässerveränderungen in den letzten Jahrhunderten jetzt in einer Hauruck-Manier nachzuholen, muss man am Ende nicht auch noch bejubeln, sondern man sollte froh darüber sein, dass man möglicherweise natur- und artenschutzbezogen früher oder später noch einmal die Kurve gekriegt hat.

Ebenso verhält es sich mit den Erwartungen zur Verbesserung des chemischen Gewässerzustandes, welcher bekanntermaßen emissionsabhängig ist. Das heißt, dazu gehört erstens die Senkung der stofflichen Belastungen prioritärer und prioritär gefährlicher Stoffe sowie zweitens die Reduzierung der Nährstoffeinträge in Oberflächengewässer und Grundwasser.

Nur, über diesen Zusammenhang muss an anderer Stelle diskutiert werden und nicht jetzt hier in fünf, zehn oder zwei Minuten, wie ich gesehen habe, und zwar ausführlich und auch über die Verursacher. Das betrifft konkret die Problematik der Ausbringung von Gülle, Klärschlamm und Gärsubstraten, deren Fragen offenbar noch hastig als Schlusskapitel angehängt wurden, nur um ja die Gewässer- und Grundwasserproblematik scheinbar vollständig abgearbeitet zu haben.

Nach den Erwartungen folgte meines Erachtens die Enttäuschung; denn das ist eben alles nicht wirklich geglückt. Ich bin, ehrlich gesagt, aus der Antwort auf die Anfrage auch nicht wirklich schlauer geworden. Oder: Zu neuen Erkenntnissen ist man letzten Endes nicht gekommen.

Bleiben wir noch bei der Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit, zu der in den relevanten Fragen weitestgehend keine Ergebnisse geliefert wurden, da Ökologie Zeit benötigt, wie wir heute schon öfter gehört haben. Aber, meine Damen und Herren, die zugänglichen Informationen zu den einzelnen Konzepten weisen aus, dass offenbar zwischen Planung und Umsetzung der Gewässerentwicklungskonzepte im Verhältnis

von fünf umgesetzten Gewässerentwicklungskonzepten zu 134 bearbeiteten und 152 noch nicht bearbeiteten Oberflächenwasserkörpern ebenso unüberwindliche Hindernisse liegen

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

wie derzeit für Wanderfische in unseren Flüssen.

Suchen wir nach den Hindernissen, werden wir sie nicht in den Flüssen und in der verstrichenen Zeit finden, sondern, werte Kollegen der CDU, im Umgang mit den Förderfinanzen der EU und des Bundes. So wurden in der Förderperiode 2007 bis 2015 anteilig EU-Gelder in Höhe von 1,2 Millionen € und Bundesgelder in Höhe von knapp 34 000 € nicht ausgegeben. Aber dieses Phänomen kennen wir auch aus anderen Haushaltsbereichen unseres Landes.

Schlussfolgerung: Die Umsetzung der Gewässerentwicklungskonzepte stellte seit mehreren Legislaturperioden lästige Schulaufgaben für die CDU dar, für deren schnelle Erledigung man nun einen grünen Koalitionspartner eingestellt hat.

Bei der Budgetierung der Landesmittel zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie seit 2000 wird erkennbar, dass in den ersten vier Jahren etwas mehr als 90 % der zur Verfügung stehenden Mittel zur Datenerhebung genutzt wurden. Das ist auch korrekt; denn zu diesem Zeitpunkt hatte Sachsen-Anhalt noch Nachholbedarf. Deshalb sollten aber doch nun ausreichend funktionierende kontinuierliche Daten dokumentiert sein, die auch zu eindeutigen Antworten führen, was allerdings in der Antwort auf die Große Anfrage nicht eindeutig erkennbar ist.

So wäre eine Darstellung der Monitoringschwerpunkte nicht nur in Bezug auf den Verschmutzungsgrad eines Gewässers bzw. dessen Belastung für Flora und Fauna und den chemischen Zustand, sondern auch in Bezug auf die faunistischen und floristischen Erhebungen, das heißt Biotop- und Nutzungskartierungen des angrenzenden Umlandes, wünschenswert. Denn was nützen ein guter biologischer und chemischer Zustand eines Gewässers mit exzellenter Fischfauna und Makrozoobenthos, wenn die Uferlandschaft rings herum steril in Bezug auf die Struktur- und Artenvielfalt ist?