Das war die zur Gottheit personifizierte Findung des richtigen Zeitpunkts. Wer Kairos nicht kennt, dem sage ich: Er hatte vorn einen Schopf und hinten keine Haare. Wenn er an einem vorbeikam, musste man ihn beim Schopf ergreifen; das war der günstige Zeitpunkt. Kam man zu früh, griff man vorbei, und kam man zu spät, berührte man den glatten Hinterkopf und Kairos rauschte weiter.
Sie sind im Sinne dieser Zeitpunkttheorie zu spät gekommen, was die Enquete-Kommission angeht; das ist überholte Prozessgeschichte. Und Sie sind mit Ihrem Gesetzentwurf zu früh gekommen; denn diesen könnten Sie einbringen, wenn wir unseren Entwurf zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes im Dezember einbringen. Insofern haben Sie den Kairos zu früh angefasst - da war er weg - und dann haben Sie hinten noch die Glatze gespürt - da war er wieder weg.
Auch dazu sehe ich keine Fragen. Dann kommen wir jetzt zur Debatte der Fraktionen. Für die SPD hat die Abg. Frau Schindler das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist ein Plagiat? - Wikipedia sagt: Ableitung aus dem Französischen von „plagiaire“; in Deutsch heißt es „Dieb geistigen Eigentums“; Ableitung aus dem Lateinischen von „plagiārius“; zu Deutsch „Seelenverkäufer, Menschenräuber“. In der Definition sagt Wikipedia dann, dass das Plagiat die Anmaßung fremden geistigen Eigentums ist.
Man könnte jetzt auf eine Idee kommen. Ich mache aber nicht den Fehler, der AfD Plagiat vorzuwerfen. Nein, ich stelle nur Folgendes fest: Vor einem Jahr gab es hier mehrfach den Anlauf, eine Enquete-Kommission einzuberufen.
Zum Schluss wurde der Antrag mit dem Inhalt des Beschlusses der Koalitionsfraktionen und der Auffassung, die die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben, im Verhältnis 1 : 1 in den Antrag für die Einsetzung der Enquete-Kommission übernommen.
Zur Arbeit der Enquete-Kommission, die Sie jetzt gerade so gelobt haben. Sie haben schon zu Beginn der fachlichen Beratung, die, wie Sie sagten, so schön war, Ihre Position vorgelegt. Ich frage mich, warum Sie dann noch eine fachliche Beratung oder Diskussion brauchten. Bei der Behandlung des Abschlussberichts - Sie sagten es - lag Ihrerseits noch keine Stellungnahme vor. Sie hätten noch Beratungsbedarf, so sagten Sie.
Heute legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der viele Teile aus den Sachanträgen der Koalitionsfraktionen und der LINKEN aufnimmt. Wie gesagt, Sie kommen zu früh für einen Gesetzentwurf, der, wie wir angekündigt haben, demnächst vorgelegt wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon in der Landtagssitzung im letzten Monat hat uns die Einbringerin mit einem in der Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“ erörterten Anliegen beglückt. Anstatt wie alle anderen Fraktionen zum 16. Oktober eine eigene Stellungnahme zur Fertigung des Abschlussberichts vorzulegen, meint die AfD-Frak
tion offenbar nun, alle anderen mit ihrem bruchstückhaften Gesetzentwurf zu übertrumpfen, nachdem ein erneuter Antrag zurückgewiesen wurde. Dieser Gesetzentwurf strotzt vor rechtsförmlichen Fehlern. Offensicht wollen, nein, Sie können es wirklich nicht besser.
Sie platzen erneut in den laufenden Diskussionsprozess möglicher und nötiger Änderungen des Kommunalverfassungsgesetzes mit halb fertigen Vorlagen hinein, obwohl in der Sache kein Zeitdruck besteht. Wie bereits im Plenum im September ausgeführt, vertritt die Fraktion DIE LINKE die Auffassung, dass das Kommunalverfassungsgesetz an vielen Stellen weiterzuentwickeln ist und nötige Veränderungen in einem Zuge vorgenommen werden sollen.
Inhaltlich möchte ich nur so viel anmerken: Sie fordern für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung eine Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes. Gleichzeitig wird mit Ihrem Entwurf aber erkennbar, dass mehr Demokratie mit der AfD nicht umsetzbar ist.
Sie wollen mit dem vorliegenden Entwurf bestehende demokratische Mitbestimmungsrechte eingrenzen. § 21 des Kommunalverfassungsgesetzes definiert die Begriffe „Einwohner“ und „Bürger“. Einwohner einer Kommune ist, wer in dieser Kommune wohnt.
Einwohner sind berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Kommune zu benutzen, und verpflichtet, die Lasten der Kommune mitzutragen. Einwohner können zum Beispiel über Einwohnerversammlungen, Einwohnerfragestunden und Einwohneranträge in Gemeindeangelegenheiten beteiligt werden.
Statt Menschen stärker an Entscheidungen zu beteiligen, will die AfD die Einwohner um die Rechte in einer repräsentativen Demokratie berauben. So soll auch gleich die Begriffsbestimmung in § 21 Abs. 1 des Kommunalverfassungsgesetzes gestrichen werden. Dabei verkennt die AfD, dass der Begriff des Einwohners an vielen weiteren Stellen im Kommunalverfassungsgesetz vorkommt und der Einwohnerantrag in weiteren Gesetzen geregelt ist.
Ihnen geht es mit der beabsichtigten Änderung des Einwohnerantrags in einen Bürgerantrag allein darum, die plebiszitäre Beteiligung von Geflüchteten - ich zitiere - „wegen fehlender Verwur
Sie sprechen diesen Menschen jegliche Rechte und Beteiligungen ab und zeigen wieder einmal Ihr wahres Gesicht.
Dabei nehmen Sie in Kauf, dass Sie zum Beispiel auch Menschen mit Zweitwohnsitz in ihren Rechten beschneiden.
Ihnen sei gesagt: Demokratie geht nur miteinander. Gesellschaftliche Teilhabe und politische Partizipation von Geflüchteten sind unverzichtbar für eine gelingende Integration. Daran halten wir fest. Mitbestimmungsrechte sind daher nicht einzugrenzen, sondern auszuweiten.
- Okay. Dann verzichtet er darauf. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat der Abg. Herr Striegel das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren von der AfD, nein, Parlamentsarbeit können Sie nicht oder wollen Sie nicht machen. Anders jedenfalls ist Ihr Agieren in diesem Hohen Hause nicht zu verstehen. Der Minister hat schon etwas zum Kairos gesagt.
Wollen wir die Dinge noch einmal in den Blick nehmen: Am 16. Oktober - keine zwei Wochen ist das her - tagte zwei Stockwerke unter Ihnen die Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“. Es war die letzte Sitzung; der Termin war über Monate bekannt. Die AfD-Fraktion erwies sich dort als nicht fähig, fristgerecht eine Empfehlung zum Abschlussbericht selbiger Enquete-Kommission einzureichen. „Geschenkt“ könnte man sagen. Ihre blau-braunen Pappkameraden laufen unserer Zeit ja gewöhnlich etwa 75 Jahre hinterher. Kommt es da auf einen um ein paar Tage versemmelten Abschlusstermin an?
Ihr politisches Talent beweisen Sie jedenfalls am Beispiel der Enquete-Kommission eindrucksvoll. Ich skizziere: Erst haben Sie drei Anläufe gebraucht, um überhaupt eine Enquete-Kommission einzurichten. Dann haben Sie für die Einrichtung nur den Koalitionsvertrag abgeschrieben. Zum Schluss haben Sie noch nicht einmal rechtzeitig einen Abschlussbericht hinbekommen.
Jetzt aber besitzen Sie die Frechheit, den Ergebnissen der von Ihnen eingesetzten Enquete-Kommission vorzugreifen und dann auch noch eine halbseidene KVG-Novelle ins Parlament zu rotzen. Das halte ich - gelinde gesagt - für eine Missachtung des Hohen Hauses.
Immerhin, es zeigt deutlich: Um die Gestaltung direkter Demokratie und einer aktiven Bürgergesellschaft geht es Ihnen jedenfalls nicht. Ihr Gesetzentwurf zum KVG ist dünn, formal mit vielen Fehlern behaftet und er atmet - auch das ist schon gesagt worden - zudem den Geruch der Ausgrenzung.
Statt alle im Land lebenden Menschen einzubinden, wie das bisher bei Einwohneranträgen der Fall war, wollen Sie all diejenigen ausgrenzen, die zufällig
nicht über einen deutschen Pass verfügen oder den „falschen“ Geburtsort haben. Ein solches Ansinnen weisen wir zurück.
Einwohneranträge sollen auch zukünftig von allen gestellt werden können, die ihren Hauptwohnsitz in einer Kommune haben. Sparen Sie sich doch bitte Ihren kaum verbrämten Rassismus!