Es geht darum, dass es durch das deutschtürkische Sozialversicherungsabkommen abgesichert ist, wenn ein Rentner oder Tourist dort eine Gesundheitsleistung in Anspruch nehmen will. Ansonsten müsste er eine private Auslandskrankenversicherung vorweisen. Das ist momentan nicht der Fall. In den EU-Ländern reicht die Krankenkassenkarte aus Deutschland, damit sie dort eine medizinische Leistung in Anspruch nehmen können.
Wenn Sie das so meinen, müssen Sie das in Ihrem Redebeitrag auch genau so darstellen. Ich habe aber noch eine andere Frage.
In drei Minuten ist es etwas schwierig, ein komplexes Thema so darzustellen, dass auch Sie das verstehen.
Dann möchte ich mich bei dem Kollegen Raue entschuldigen, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt habe.
Ich werde künftig versuchen, einen Sachverhalt so zu formulieren, dass auch Sie mir folgen können. Aber in drei Minuten ist es manchmal ein bisschen schwierig.
Ja. - Und wenn Sie insgesamt darauf abstellen, dass diese Familienversicherung, die wir anbieten, die für Deutsche gilt, und dann sagen, okay, die soll auch für Türken gelten, die soll auch für Ausländer gelten, die in Deutschland arbeiten, dann will ich Sie mal fragen: Kennen Sie aus unseren befreundeten kapitalistischen Ländern, wie USA, Kanada, Australien, Großbritannien, ähnliche Abkommen?
Ich weiß nur dieses: Reise ich mit einer Greencard in die USA ein, dann kann ich meine Eltern vielleicht auch mal nachholen.
Die könnten auch ein halbes Jahr bleiben, aber die haben keine Ansprüche aus der Sozialversicherung, die ich dort zahle, weil ich dort teilweise privat versichert bin.
Diese Ansprüche gibt es dann dort nicht. Das ist also wieder ein einzigartiger Fall deutscher Subventionen.
Solche Verträge müssen wir zum Beispiel nicht - wenn Sie „kapitalistische Länder“ sagen“, dann habe ich sowieso ein bisschen ein Problem mit dieser Formulierung - mit anderen EU-Ländern abschließen, weil das über die EU-Verträge entsprechend abgesichert worden ist. Und das Versicherungssystem in den USA, in Australien und in Großbritannien ist leider auch so, dass es manchmal kein Ruhmesblatt für die jeweilige Nation ist, was die Gesundheitsversorgung angeht.
Nicht umsonst gab es in den USA entsprechende Bemühungen, ein neues System aufzusetzen. Von daher vergleichen Sie hier Äpfel mit Birnen.
- Hat sich erledigt. - Dann sehe ich keine weiteren Fragen und danke Herrn Krull für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Gallert.
Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde ist das ein Antrag von der Qualität, wie wir ihn hier bereits viel und häufig diskutiert haben. Ich will mich bei den beiden Dingen, die dort angesprochen worden sind, einmal auf das erste konzentrieren. Es geht dabei um das Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und der Türkei.
Ich will mich nur auf die Frage konzentrieren: Kostet das die deutschen Sozialversicherten etwas oder bringt es ihnen etwas? Manchmal sind die Dinge eben nicht so einfach, wie sie einmal Herr Meuthen oder ein paar Jahre vorher die NPD aufgeschrieben hat. Es ist tatsächlich ein bisschen anders.
Ich mache es nur ökonomisch: Herr Siegmund, Sie haben gesagt, wie viele türkische Staatsangehörige, die bei uns arbeiten und Arbeitsverträge haben, diese Dinge in Anspruch nehmen. Sie haben gesagt 33 000. Ich kenne Zahlen um die 35 000.
Wissen Sie, wie viele von denen, die hier arbeiten, es in Anspruch nehmen könnten, wenn sie es wollen? - 500 000. Wir reden also über eine Personengruppe von 6 %, die hier die Familienversicherung in Anspruch nimmt und dafür übrigens noch eine zusätzliche Versicherung abschließen muss.
94 % der türkischen Staatsbürger, die bei uns arbeiten, sind krankenversichert, ohne dafür eine Familienversicherung in Anspruch zu nehmen. Wenn Sie jetzt mal die durchschnittliche Verteilung unter deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vergleichen, sehen Sie, dass die Zahl der türkischen Staatsbürger, die überhaupt eine solche Familienversicherung in Anspruch nehmen, viel geringer ist als die Zahl der deutschen Staatsbürger.
Alle Leute, die sich mit Sozial- und Krankenversicherung beschäftigt haben, wissen, dass die Familienversicherung relativ teuer ist. Unter den türkischen Staatsbürgern nehmen diese relativ teure Variante sage und schreibe 6 % in Anspruch. 94 % der türkischen Staatsbürger zahlen in die Krankenversicherung ein, ohne auch nur einen Euro für die Familie in Anspruch zu nehmen. Dieses System stützt die Sozialversicherung, stützt die Krankenversicherung in Deutschland für deutsche Staatsbürger in Milliardenhöhe.
Es ist ein Subventionssystem von türkischen Staatsangehörigen für deutsche Staatsangehörige. Aber darüber muss man einmal ein bisschen nachdenken, bevor man so etwas macht.
Ich komme zum nächsten Punkt. Ich habe die verschiedenen Vorträge von Ihnen zu kulturellen Identitäten und kulturellen Einordnungen gehört. Und das, was ich von Herrn Tillschneider mitbekommen habe, ist sozusagen eine kulturell segmentierte Welt: Jeder soll seine eigene Kultur beibehalten, es sei denn, es sind Türken. Dann haben sie gefälligst unseren Familienbegriff zu übernehmen.
Das funktioniert nicht. Dieses Subventionssystem, bei dem auch noch der Familienversicherte ein Fünftel dessen kostet, was er in Deutschland kostet, soll nun auch noch von Deutschland in die Türkei transportiert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich über den Rassismus und über die Ressentiments gar nicht unterhalten. Ökonomischer Sachverstand ist das, was Ihnen fehlt.
Diejenigen, die wirklich darüber diskutieren könnten, ob dieses Sozialversicherungssystem falsche Transferleistungen organisiert, sind türkische
Staatsbürger. Vielleicht kommen Sie nach dieser Debatte darauf; es wäre schade, wenn nicht. Die türkischen Staatsbürger stützen nämlich mit ihren Beiträgen unsere Krankenversicherungssysteme. - Danke.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, da staunen Sie! - Thomas Lippmann, DIE LIN- KE: Das überschreitet Ihren Horizont!)
Aber auch das ertragen wir geduldig. - Herr Gallert, Sie haben gerade eben selber die Begründung geliefert, warum dieses Abkommen gestrichen werden kann, nämlich deshalb, weil es kaum in Anspruch genommen wird. Wofür brauchen wir es denn dann noch, wenn es kaum in Anspruch genommen wird?