Protokoll der Sitzung vom 20.12.2017

„Der Landtag bittet die Landesregierung, bei den Gesundheitszielen des Landes einen stärkeren Fokus auf Kinder und Jugendliche aus armen oder von Armut bedrohten Familien zu legen. Diese sind stärker von gesundheitlichen Problemen wie Adipositas, Karies, ADHS, Fehlernährung, Sprachstörung oder psychischen Auffälligkeiten betroffen.“

Liebe Kollegen! Im Namen des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration bitte ich das Hohe Haus, der Beschlussempfehlung einschließlich der soeben vorgetragenen Berichtigung zuzustimmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich dem Abg. Siegmund für die Ausführungen. - Für die Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Ministerin

Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Thema Kinderarmut wurde in diesem Hohen Hause bekanntermaßen bereits mehrfach diskutiert und behandelt. Auch wenn ich mich an der einen oder anderen Stelle wiederhole, ist es mir wichtig, Ihnen erneut vier wesentliche Punkte zu benennen.

Erstens - das sage ich immer wieder - ist Kinderarmut Familienarmut. Das ist inzwischen hinreichend bekannt. Soll Kindern und Jugendlichen geholfen werden, dann muss den Familien geholfen werden.

Die Arbeits- und Beschäftigungspolitik ist dabei ein ganz zentraler Ansatzpunkt, um Kinderarmut entgegenzuwirken. Programme zur Begleitung von Familien zur Förderung von Qualifikation und Weiterbildung sowie zur Unterstützung und Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gehören deshalb selbstverständlich in den Instrumentenkasten der Landesregierung.

Zweitens. Der Blick ist auf die Kinder selbst zu richten. Die Armutsforschung verweist auf den Zusammenhang zwischen Armut und Bildung. Deshalb verfolgt die Landesregierung das Ziel, allen jungen Menschen über Bildung gute Voraussetzungen für den Start in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Das Kinderförderungsgesetz spielt dabei eine ganz zentrale Rolle. Es leistet durch Förderung, Bildung und Betreuung einen wichtigen Beitrag, um soziale Ausgrenzung und Armut zu verhindern.

Lassen Sie mich zu einem dritten Punkt kommen. Kinder und Jugendliche haben einen Rechtsanspruch auf Mitmachen, auf Teilhabe. Die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes, kurz BuT genannt, werden inzwischen gut angenommen, auch da es immer bekannter wird. Dennoch muss weiter für die Nutzung der Leistungen geworben werden, um Kindern und Jugendlichen den Zugang umfassender Teilhabe zu erleichtern.

Und viertens - das ist in der Berichterstattung schon gesagt worden - zeigt unsere Gesundheitsberichterstattung, dass Kinder und Jugendliche in armen oder von Armut bedrohten Familien stärker von gesundheitlichen Problemen betroffen sind.

Neben der Beseitigung von materieller Armut sind somit weitere Schritte notwendig, um die gesundheitliche Situation dieser Kinder zu verbessern. Deshalb setzt sich die Landesregierung unter anderem dafür ein, allen Kindern und Jugendlichen

Zugänge zur Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung zu ermöglichen.

Ja, es besteht Handlungsbedarf. Und es besteht auch Bedarf an neuen konzeptionellen Ansätzen zur Bekämpfung von Kinderarmut.

(Beifall bei der SPD)

Eine Möglichkeit ist die Einführung einer armutsfesten Kindergrundsicherung. Deshalb hat sich auch Sachsen-Anhalt bei dem Thema in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz Anfang Dezember stark eingebracht und sich auch dafür starkgemacht, dass es einen entsprechenden Beschluss gegeben hat, der Ihnen vorliegt.

Dabei geht es aber darum, dass eine Arbeitsgruppe jetzt - neben anderen Maßnahmen - gegebenenfalls auch die Einführung einer Kindergrundsicherung prüft. Selbst die von Ihnen gestellten Ministerinnen Heike Werner und Diana Golze haben in einer Bundesratsinitiative nicht nur von der Kindergrundsicherung gesprochen, sondern sie waren sehr froh, dass wir, ebenso wie die CDU-geführten Länder, den Beschluss gefasst haben, dass wir überhaupt über diesen Prozess reden und ob Kindergrundsicherung eine dieser möglichen Maßnahmen ist. Deswegen konnten wir das auch in der Beschlussempfehlung nicht fordern.

Alles in allem hoffe ich, dass wir immer gemeinsam bereit sind, eine umfassende politische Strategie hier im Lande zu entwickeln, um die Realität der betroffenen Kinder und ihrer Familien zu verbessern.

Ich darf Ihnen sagen: Ich war damals als Abgeordnete in verschiedensten Bündnissen tätig. Ich hoffe, dass das letzte Landesbündnis gegen Kinderarmut nicht nur in Zeiten des Wahlkampfes hochgehalten worden ist; denn ich habe danach nicht mehr viel davon gehört. Ich hoffe, dass auch jetzt noch etwas passiert. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich der Frau Ministerin für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die CDU spricht der Abg. Herr Krull. Herr Abg. Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Es klang schon an, wir haben uns schon mehrfach im Hohen Haus mit dem Thema Kinderarmut beschäftigt. Bei anderer Gelegenheit hatte ich bereits aus dem aktuellen Bundeswahlprogramm der

Unionsparteien zitiert. Ich möchte das wiederholen: Wir finden uns nicht mit Kinderarmut ab.

Dass dies für die CDU-Landtagsfraktion keine leere Forderung ist, zeigt auch unsere Mitgliedschaft im „Netzwerk gegen Kinderarmut SachsenAnhalt“. Wir sind uns also in dem Ziel, dass die Kinderarmut in Sachsen-Anhalt gesenkt werden muss, einig. Nicht einig sind wir uns über die Wege und Maßnahmen, die zum Verwirklichen dieses Zieles notwendig sind.

Bereits bei der Einbringung des Antrages habe ich deutlich gemacht, welche positive Entwicklung auch wir in diesem Bereich haben. So sank die Quote von 26,1 % im Jahr 2011 auf immer noch zu hohe 21,5 % im Februar dieses Jahres.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich sind das alles nur Statistiken. Hinter jeder statistischen Zahl steckt ein persönliches Schicksal. Neben direkten Gesprächen mit Betroffenen hat mich vor allem ein Buch zu diesem Thema tief berührt. Es heißt „Einer schwimmt im Geld: Kinder über ARM und REICH“ und wurde von den Landesverbänden Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt des Deutschen Kinderschutzbundes herausgegeben. Dort berichten Kinder im Alter zwischen acht und 15 Jahren mit ihren Worten, wie sie mit Armut umgehen, welche Erfahrungen sie damit haben und was Armut für sie bedeutet.

Welche politischen Schlussfolgerungen ziehen wir also aus diesem Thema? - Aus der Sicht meiner Fraktion und meiner persönlichen bedarf es eines ganzen Maßnahmenbündels. Als wesentliches Element geht es darum, dass die Eltern wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt ein Aus- und ein Einkommen finden.

Wir können in Sachsen-Anhalt feststellen, dass die Arbeitslosenquote im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,9 % gesunken ist. In reellen Zahlen sind das mehr als 11 000 Personen. Dabei liegt der Rückgang allein auf Personen, die sich im SGB-II-Bezug befanden.

Das Leben aus eigenem Einkommen bestreiten zu können, hat überdies auch eine nicht zu unterschätzende Vorbildwirkung auf die Kinder.

Weitere Maßnahmen finden sich im Änderungsantrag, den die Mehrheit im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration verfasst hat. Darauf muss ich nicht weiter eingehen.

Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass wir auch nach dem Ende der aktuellen Förderperiode die Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt fortführen, ebenso, dass die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes noch stärker beworben und an die Realität angepasst werden, so auch bei der Ausstattung von Schülerinnen und Schülern. Da

wird sicherlich die nächste Bundesregierung unter Führung der Union gefordert sein, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

An dieser Stelle auch einmal ganz herzlichen Dank an all diejenigen, die sich ehrenamtlich dafür engagieren, die Kinderarmut und ihre Folgen in Sachsen-Anhalt zu bekämpfen.

(Beifall bei der CDU)

Der Änderungsantrag der LINKEN erweckt den Eindruck, dass die Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 7. Dezember beschlossen hat, eine Kindergrundsicherung einzuführen.

Die Ministerin hat dazu bereits Ausführungen gemacht. Es geht aber nur darum, dass die Arbeitsgruppe weiterarbeitet. Darin wird das Land Sachsen-Anhalt konstruktiv mitwirken. In diesem Sinn bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Krull für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau von Angern. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Bei der Debatte, die wir bei der Einbringung unseres Antrages geführt haben, war ich noch sehr hoffnungsvoll, dass wir diese in den entsprechenden Ausschüssen fortführen würden. Diese Debatte fand aber nicht statt. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Frau Hohmann hat im Sozialausschuss sozusagen nicht gegen die Wand, aber doch ohne Reaktion gesprochen. Mir ging es im Wirtschaftsausschuss ähnlich, obgleich es auch mal schön war, in einem solchen Ausschuss zu sitzen.

Was bei der nicht stattgefundenen Debatte herausgekommen ist, liegt uns vor. Verwundert hat mich der einleitende Satz, dass wir als Landtag mit Sorge zur Kenntnis nehmen, dass Kinderarmut vor allen Dingen Familienarmut bedeute.

Wir sollten bei aller Sorge vor allen Dingen erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir für über 74 500 Kinder und Jugendliche im Land Sachsen-Anhalt sprechen, die von Sozialleistungen abhängig sind, jeden Tag und jeden Monat in diesem Jahr. Insofern teile ich die Aussage, die Frau Lüddemann heute früh in der Aktuellen Debatte gemacht hat, dass wir hier ein Problem

dramatischer darstellten, als es sei, ausdrücklich nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, dass Sie es nicht ernst gemeint haben; denn nicht ohne Grund haben Sie als Fraktion eine sehr gute Veranstaltung zu diesem Thema im Herbst dieses Jahres durchgeführt.

Ja, Kinderarmut ist vor allem Familienarmut. Dadurch wird das Problem noch einmal größer. Es sind erste Ansätze seitens der Sozialministerin vorgetragen worden, die wir als Land tatsächlich realisieren können, um Kinderarmut abzumildern.

Was wir im Land aber nicht tun können - deswegen brauchen wir eine solche Bundesratsinitiative -, ist, das Problem im Kern anzufassen, sprich: durch die Einführung einer Kindergrundsicherung etwas Grundlegendes zu ändern und den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen bzw. späteren Einkommenschancen zu durchbrechen. Ich bedauere, dass Sie nicht den Mut hatten, eine entsprechende Beschlussempfehlung vorzulegen.

Die GRÜNEN haben im Bundestagswahlkampf massiv für eine Kindergrundsicherung geworben. Auch die SPD-Bundestagskandidaten taten es. Was dabei herausgekommen ist, wissen wir alle. Ich denke, dass wir bei einer großen Koalition keine großen Hoffnung haben sollten, dass dies umgesetzt wird.

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Man muss dafür auch Mehrheiten haben!)

Zu Ihrer Kritik an den Sozialministerinnen Thüringens und Brandenburgs kann ich nur sagen: Beide, Heike Werner und Diana Golze, sind sicherlich über jeden Vorwurf erhaben. Das sind zwei Ministerinnen, die sehr deutlich für eine Kindergrundsicherung streiten und das auch im Bundesrat tun werden.

Frau Ministerin, ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Schreiben Sie sich den 22. Februar 2018 auf. An diesem Tag wird das Landesnetzwerk gegen Kinderarmut in die neuen Räumlichkeiten von ver.di einladen. Es sollte schon eine Veranstaltung im Herbst stattfinden. Diese haben wir als Netzwerk aber abgesagt, weil die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Veranstaltung zu diesem Thema durchgeführt hat.