Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Dass dies gelungen ist, liegt daran, dass wir uns - damit meine ich auch zum Beispiel Frau Pähle, Frau Schwesig, Herr Kretschmer, meine Wenigkeit für die Federführung in einer Arbeitsgruppe seitens der CDU - gemeinsam während der Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen für die Interessen Ostdeutschlands eingesetzt haben. Die Landesregierung hat einen Forderungskatalog mit 87 thematischen Einzelforderungen erarbeitet, die ich auch in andere Arbeitsgruppen geben konnte.

Im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz Ost unter meinem Vorsitz haben wir ein Positionspapier mit zehn zentralen ostdeutschen Erwartungen an eine zukünftige Koalition und einen zukünftigen Koalitionsvertrag verfasst. Nahezu alle im MPKOst-Positionspapier formulierten Erwartungen und auch der weit überwiegende Teil der fachlichen Forderungen der Landesregierung sind im Koalitionsvertrag berücksichtigt worden.

Im Koalitionsvertrag wird an zwei zentralen Stellen auf die weiterhin bestehende Sondersituation der neuen Länder hingewiesen. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass noch bestehende Unterschiede zwischen Ost und West, aber auch zwischen Nord und Süd sowie zwischen Stadt und Land in allen Bereichen im Blick behalten werden.

Auch weiterhin wird sehr viel mehr Geld in die neuen Bundesländer als in die übrigen Länder fließen - dies aber nicht, weil sie hinter der ehemaligen Grenze liegen, sondern weil die Rahmenbedingungen dort weiterhin schwieriger sind als in vielen anderen Regionen Deutschlands - in vielen, aber bei weitem nicht in allen. Auch in den westdeutschen Bundesländern gibt es inzwischen Regionen - meistens sind es die ländlich geprägten -, die recht ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen wie beispielsweise SachsenAnhalt.

In dem vorliegenden Antrag ist von „gelebter Solidarität“ die Rede. Gemeint ist aber eine Einbahnstraßenförderung von West nach Ost. Sie findet im Westen Deutschlands aus den genannten objektiven Gründen längst keine Akzeptanz mehr, und auch vielen, wenn nicht sogar den meisten Ostdeutschen missfällt, dass sie sich allein aufgrund ihrer Herkunft als Bittsteller fühlen sollen.

Dabei ist es gerade wegen des von mir beschriebenen Paradigmenwechsels gelungen, sehr viel

Gutes für den Osten zu erreichen. Nur ein paar Beispiele, die das belegen.

Eine zentrale Herausforderung ist weiterhin die vergleichsweise geringe Wirtschaftskraft in den neuen Bundesländern. Mit einem gesamtdeutschen Fördersystem sollen nunmehr strukturschwache Regionen auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts II unterstützt werden. Damit ist uns gegen alle Erwartungen eine Anschlussfinanzierung gelungen.

Um die flächendeckende Strukturschwäche insbesondere im Osten zu überwinden, soll die Förderung jedoch in den strukturschwächsten Regionen durch besondere Fördersätze intensiviert und bei der Mittelverteilung angemessen berücksichtigt werden.

Gleichzeitig soll eine Kommission zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zusammen mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden Vorschläge erarbeiten, wie die Daseinsvorsorge in ländlichen und strukturschwachen Regionen gesichert und Strukturschwächen gemindert werden können.

Dasselbe gilt für die zugesagte Förderung des Strukturwandels in den Braunkohleregionen. Bezüglich unserer Forderungen, den absehbaren Wandel frühzeitig eng zu begleiten, sind mit den Koalitionspartnern klare Vereinbarungen getroffen worden. Bis Ende des Jahres werden wir den zeitlichen Ablauf kennen und somit auch Planungssicherheit für die Kohle- und Energiewirtschaft haben.

Allein für die regionale Strukturpolitik, die Förderung des ländlichen Raums und der ländlichen Entwicklung sowie die Begleitung dieses Strukturwandels in den Kohleregionen wollen die Koalitionspartner noch in dieser Legislaturperiode 3 Millionen € bereitstellen. Sie können davon ausgehen, dass ein Großteil davon in den Osten fließen wird.

Gleiches erhoffen wir uns auch bezüglich der EUStrukturfonds nach dem klaren Bekenntnis, diese auch nach 2020 in den bisherigen Übergangs- und schwächer entwickelten Regionen einsetzen zu wollen. Die geringere Wirtschaftskraft in den neuen Ländern führt letztlich zu einer vergleichsweise geringeren Steuerkraft. Diesbezüglich muss ein Ausgleich herbeigeführt werden. Hierzu zählt zunächst auch die Zusage, alle bisherigen kommunal entlastend wirkenden Finanzprogramme fortzuführen. Dies betrifft unter anderem die Städtebauförderung und Programme im Zusammenhang mit Flucht, Zuwanderung und Integration. Allein hierfür sind rund 8 Milliarden € vorgesehen.

Daneben sollen die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bis 2021 um 1 Milliarde € erhöht und anschließend dynamisiert werden

- eine Sache, die wir gar nicht glaubten, durchsetzen zu können. Wir haben es geschafft, weil es gerade für den Osten ganz relevant ist.

Zudem sagen die Koalitionspartner den Ländern und Kommunen Unterstützung beim Ausbau des Angebots und der Steigerung der Qualität von Kitas zu. Mit Blick auf die Uhr muss ich sehen, nur noch einige Stichworte zu nennen: Ganztagsbetreuung in den Schulen, Digitalpakt mit den Schulen, digitales Lernen und letztendlich auch Dinge, die der Digitalisierung der gesamten Gesellschaft geschuldet sind,

(Zustimmung von Minister Marco Tullner)

5-G-Mobilfunk, Netztechnologie, Schließung bestehender Funklöcher. All das ist Bestandteil.

Der Hochschulpakt wird ab 2021 mit 600 Millionen € fortgesetzt, was eine Verstetigung des Qualitätspakts wäre.

Eine weitere Forderung unsererseits an den Bund, die berücksichtigt wurde, war eine schrittweise Übernahme eines höheren Anteils hinsichtlich der Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR. Es wäre einmal ein eigenes Kapitel, aufzuarbeiten, wie so etwas in dem damaligen System politisch entstanden ist, dass wir seit der Gründung des Landes Sachsen-Anhalt 1990 10 Milliarden € dafür aufbringen und was wir an Altlasten übernehmen mussten. Wir werden jetzt eine sukzessive Reduzierung erfahren, und wir hoffen, dass wir dadurch eine Haushaltsentlastung von mindestens 100 Millionen € pro Jahr haben werden. Eine schrittweise Anhebung des Bundesanteils würde dazu führen.

Ich freue mich zudem, dass es eine Fondslösung für Härtefälle in der Grundsicherung beim Rentenüberleitungsgesetz gibt. Hierbei geht es gerade um die unterbrochenen Berufsbiografien, aber auch um das Thema DDR-Geschiedene, die benachteiligt sind.

Wir haben gerade mit diesem Fonds gemeinsam dafür gesorgt - Frau Schwesig, ich und die anderen Verhandlungspartner; ich bin auch Horst Seehofer dankbar, der ihn mit durchgesetzt hat -, dass wir sozusagen einen Erstaufschlag haben, um dieses Thema auch im Bundeshaushalt zur Widerspiegelung zu bringen.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen, der für mich ganz, ganz wichtig ist, nämlich dass 150 000 Personen in den nächsten Jahren in Teilhabeprojekten Beschäftigung finden werden. Mit 4 Milliarden € werden wir auch das von uns lange über das Bürgerarbeitskonzept geforderte System der Deckungsfähigkeit der aktiven und passiven Leistungen dafür nutzen, für Langzeitarbeitslose, die gerade hier in Ost

deutschland keine Chance auf Arbeit haben, Beschäftigung zu organisieren und damit auch Teilhabe zu ermöglichen und für den sozialen Frieden zu sorgen.

Das sind alles Dinge, die wir gemeinsam durchgesetzt haben. Ich könnte, wie gesagt, Ihnen auch noch die anderen 138 Punkte vorlesen. Aber meine Zeit ist genau in diesem Moment um, die letzte Sekunde läuft. - Herzlichen Dank. Wir können uns auf diesen neuen Koalitionsvertrag freuen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Haseloff, warten Sie bitte noch. Erstens sind Sie als Vertreter der Landesregierung nicht an dieses Zeitkorsett gebunden. Es ist für Sie ein unverbindlicher Vorschlag. Wir registrieren, dass Sie ihn angenommen haben.

Zweitens gibt es jetzt noch eine Frage oder eine Intervention des Kollegen Gebhardt. Ich möchte Sie bitten, diese noch zu beantworten.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Ministerpräsident, Mitglieder meiner Fraktion kommen beim Lesen des Koalitionsvertrags zu einer ähnlichen Bewertung wie CDU-Mitglieder, die beispielsweise Bürgermeister in Sachsen-Anhalt sind.

Vor ein paar Wochen wurde in meinem Landkreis, dem Landkreis Mansfeld-Südharz, der ostdeutsche ländliche Raum von Bürgermeistern, die SPD-Parteibücher und auch CDU-Parteibücher haben, symbolisch zu Grabe getragen. Damals war der Koalitionsvertrag schon bekannt; er war in aller Munde und wurde dort diskutiert.

Die eine Seite sagte, sie sei enttäuscht vom Koalitionsvertrag, weil sie konkrete Aussagen und eine positive Trendwende in Richtung ländlicher Raum in Ostdeutschland klar vermisse. Die andere Seite hat gesagt, sie sei nicht enttäuscht, weil sie nichts anderes mehr erwartet habe. Sie kommen aber auf jeden Fall zu einer ähnlichen Einschätzung des Koalitionsvertrags, wie sie Herr Höppner hier vorgetragen hat.

Meine Frage an Sie, Herr Haseloff, ist: Wieso kommen Sie zu einer ganz anderen Bewertung des Koalitionsvertrages als Bürgermeister, die das gleiche Parteibuch haben wie Sie?

Erst einmal habe ich am letzten Sonnabend mit genau drei dieser Personen, die auch in der „Bild“-Zeitung sehr breit abgebildet waren, gesprochen. Das, was Sie jetzt hier in das Mikrofon gesagt haben, haben sie mir so nicht gesagt. Das, was sie gesagt haben, bezog sich überhaupt nicht

auf den Koalitionsvertrag. Man verbindet damit viel mehr Hoffnungen. Diese werden wir auch gemeinsam entwickeln, weil sich die Haushalte letztendlich verzahnen.

Zweitens wissen Sie genau, welche spezifische Situation sich hinter der sehr, sehr medienwirksamen Aktion, sage ich einmal, verborgen hat, und dass es sich - wenn Sie sich das Ranking der Landkreise und Kommunen anschauen, das nicht von uns erhoben worden ist, wird es deutlich - nicht um Vertreter der Kommunen handelt, die ganz am Schluss dieses Rankings gestanden haben. Das ist das Eine.

Das andere ist: Wenn die kommunalen Spitzenverbände in unserem Land, insbesondere der Städte- und Gemeindebund, den Koalitionsvertrag ausdrücklich loben, warum soll ich ihn dann schlecht finden, zumal ich so viel Gutes darin wiederfinde, dass ich sage: Ich hätte es am Anfang - ich habe schon viele Koalitionsverhandlungen mitgemacht - nicht für möglich gehalten - das ist sicherlich auch dem zusätzlichen Finanzvolumen geschuldet, das die Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung hat -, dass wir das zum Schluss in diese Gesamtdokumentation der 147 bzw. 177 Seiten - so ist es exakt - eingebucht haben.

Ich kann nur sagen: Wenn Sie sich das wirklich einmal Satz für Satz durchlesen, dann werden Sie sehen, dass bis zum Jahr 2021 die Chancen gerade auch im ländlichen Raum, die Chancen gerade auch für die Verbesserung der Lebensbedingungen in diesem Bereich, die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land, zwischen Ost und West einen Sprung machen werden, der schwer vergleichbar sein wird mit dem, was wir in den letzten 28 Jahren erlebt haben.

Lassen Sie sich überraschen. Lesen Sie sich das ganze Paket einmal durch. Rechnen Sie einmal durch, was für Finanzvolumina dahinterstehen. Schauen Sie sich unsere Haushaltsspielräume an. Dann freuen Sie sich mit uns gemeinsam auf die weiteren Jahre dieser Kenia-Koalition in dieser Legislaturperiode im Land Sachsen-Anhalt.

Damit können wir in die Debatte durch die Fraktionen einsteigen. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Pähle. Frau Pähle, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Linksfraktion das Thema dieser Aktuellen Debatte auf die Tagesordnung gesetzt hat, war noch unklar, ob es denn eine neue große Koalition geben würde.

(Zuruf von der LINKEN: Wir sind voraus- schauend!)

Mittlerweile haben die Mitglieder meiner Partei, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, entschieden.

Ganz ehrlich, Herr Höppner: Das, was ich gern als Hochfest der Demokratie bezeichne, nämlich einen Mitgliederentscheid, als Tamtam herabzuqualifizieren, das wundert mich sehr, muss ich sehr deutlich sagen.

(Zustimmung bei der SPD)

Mit diesem Mitgliederentscheid und dem Ja zum Eintritt in die Regierung wird Deutschland am kommenden Mittwoch, 171 Tage nach der Bundestagswahl, wieder eine parlamentarisch legitimierte Bundesregierung bekommen.

Niemand ist der Meinung, dass dies eine ideale Regierungskonstellation für unser Land ist. Erstrebenswert ist eigentlich, dass eine Partei oder zumindest eine große Partei sich mit einem oder mehreren kleinen Partnern auf ein gemeinsames Regierungsprogramm verständigt, für das es dann im Deutschen Bundestag eine Mehrheit gibt.

Das ist allein schon deshalb wünschenswert, damit die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme eine echte Entscheidung über die Richtung der Politik treffen können.

Deshalb war meine Partei auch am Abend der Wahl der Auffassung, dass es die Aufgabe der CDU ist, eine gemeinsame Regierung - an diesem Abend klang es nach einer gemeinsamen Regierung mit CSU, FDP und GRÜNEN - zu bilden.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das wollten wir auch!)

Diese Regierungsbildung ist aber an einer Verweigerungshaltung gescheitert, die sich nur so zusammenfassen lässt - ich sage eindeutig: auch insbesondere eines Partners -: Erst ich, dann lange nichts, dann die Partei und dann erst das Land.