Protokoll der Sitzung vom 09.03.2018

Wenn Sie wieder wegen eines inszenierten Eklats zu einer vorzeitigen Mittagspause aufspringen wollen, was um 9 Uhr keinen Sinn macht, weil es gerade Frühstück gab, dann sage ich Ihnen, dass es heute in der Kantine zum Beispiel Bismarckhering und Kaisergemüse gibt, was sich ziemlich reaktionär und völkisch anhört. Deshalb bleiben Sie lieber sitzen, bevor es Gerede gibt und wir Rücktrittsforderungen stellen.

Jetzt übergebe ich, nachdem ich die Hälfte der Redezeit verbraucht habe, an meinen Kollegen Matthias Büttner, der am 26. Januar 2018 aufgrund Ihrer Showeinlage, die Sie geliefert haben, keine Möglichkeit hatte, auf das Thema inhaltlich einzugehen.

(Beifall bei der AfD - Matthias Büttner, AfD, schüttelt den Kopf)

Es ist eigentlich anders gedacht. Es ist vereinbart worden, dass er nachher als Redner fungiert, aber nicht bei der Einbringung.

Ich bin mit meiner Rede am Ende, und ich hoffe, mit etwas normalen Menschenverstand hat man den Inhalt des Themas verstanden. Ich freue mich auf die nachfolgenden Redebeiträge.

Vielen Dank, Herr Lehmann. Es gibt keine Anfragen. - Bevor wir in die Fünfminutendebatte je Fraktion einsteigen, hat Ministerin Frau GrimmBenne das Wort. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte in der dem Thema angemessenen und der mir gebotenen Sachlichkeit zu dem vorliegenden Antrag, den das Hohe Haus nahezu inhaltsgleich bereits im Dezember 2016 beraten hat, Stellung nehmen.

Dass wir uns in der Frage der altersfeststellenden Maßnahmen nicht im Landes-, sondern im Bun

desrecht, genauer in dem Bereich des SGB VIII befinden, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Es ist auch bekannt, dass die Zuständigkeit für Altersfeststellungsverfahren ausschließlich beim jeweils örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe liegt. Es ist auch bekannt, dass die Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt diese Pflichtaufgabe eigenverantwortlich wahrnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Inwieweit die im neuen Koalitionsvertrag auf der Bundesebene vorgesehenen Aufnahmeentscheidungen in die Rückkehrzentren, in die sogenannten „Ankerzentren“, an dieser Stelle zu einer völlig neuen Verfahrensweise der Identitäts- und Altersfeststellung auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge führen werden, bleibt abzuwarten.

Bis zum Inkrafttreten etwaiger neuer bundesgesetzlicher Neuregelungen der tatsächlichen Inbetriebnahme solcher Zentren behält jedoch in jedem Fall die derzeit geltende Regelung des § 42f SGB VIII Bestandskraft. Sie bindet somit auch weiterhin die Jugendämter als örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das heißt, dass sich zu der Frage der Anwendung medizinischer Untersuchungsmethoden an der Auffassung der Landesregierung betreffs regelhaften Einsatzes medizinischer Untersuchungsmethoden trotz der von Ihnen neuerlich eingereichten Debatte nichts Wesentliches ändert.

Im Einklang mit dem Deutschen Ärztetag, der Bundesärztekammer und der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin sind diese als Standardprozedur abzulehnen.

Es mag mittlerweile zwar einige Studien zu neueren wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden geben; diese Studien können bislang jedoch keine einzige wissenschaftlich fundierte Methode benennen, mit der das tatsächliche Alter zweifelsfrei festgestellt werden könnte.

Ich wiederhole: Das durch Handröntgen ermittelbare Knochenalter weist auch im Jahr 2018 bei 16- bis 20-Jährigen eine Standardabweichung von bis zu 28 Monaten auf. Es ist auch schon immer hinreichend bekannt, dass diese Methode per se ungeeignet ist, um die Volljährigkeit nachzuweisen. Sie gefährdet zudem die Gesundheit der Betroffenen.

(Volker Olenicak, AfD: Mannomann! - Wei- tere Zurufe von der AfD)

Der Deutsche Ärztetag hat sich wiederholt deutlich gegen jegliche Beteiligung von Ärzten an der Altersfeststellung von Flüchtlingen ausgesprochen.

Der Bundesgesetzgeber hat sich von der geltenden Festlegung zur Altersfeststellung in § 42f

SGB VIII, die im Jahr 2015 in Abstimmung mit den Ländern erfolgte, nicht verabschiedet. § 42f SGB VIII regelt völlig klar, wie der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe im begründeten Zweifelsfall vorzugehen hat. Hier ist doch längst eine ärztliche Untersuchung als mögliche Maßnahme unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen.

Auch das Strafgesetzbuch bietet schon jetzt die hinreichende Möglichkeit, zur Klärung der Strafmündigkeit in Zweifelsfällen eine medizinische Altersfeststellung anzuordnen.

Herr Kollege Stahlknecht und ich haben in mehreren Landrätekonferenzen über Arbeitshinweise auch ein einheitliches Verfahren für die Jugendämter festgelegt.

Nun zur aktuellen Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt. Die bundesweiten Zahlen gehen seit Monaten zurück. Wir haben zurzeit 1 034 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt untergebracht; im Dezember 2016 waren es noch 1 460.

All diese Kinder und Jugendlichen wurden zur Altersfeststellung durch die Jugendämter in Augenschein genommen. Das bereits bestehende Clearingverfahren wurde also angewandt. Bislang wurden durch die Jugendämter in Sachsen-Anhalt 13 medizinische Altersfeststellungen durchge

führt. Daran ist erkennbar, dass § 42f SGB VIII ausreichend Spielraum eröffnet, um in begründeten Zweifelsfällen weitergehende Untersuchungsmethoden heranzuziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine Rechtsänderung ist jedenfalls aus fachlicher Sicht derzeit nicht nötig. Das SGB VIII gibt nach wie vor den Rechtsrahmen dafür, bei Bedarf medizinische Altersfeststellungen durchzuführen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt eine Anfrage von Herrn Siegmund. - Sie haben das Wort, Herr Siegmund.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie führten aus, dass die Altersfeststellung mit gesundheitlichen Repressalien verbunden ist. Ich bitte Sie, diese zu konkretisieren. Was genau ist dabei gesundheitsschädlich? Ich bitte auch den Vergleich zu ziehen zu üblichen Vorsorgeuntersuchungen an unserer Bevölkerung, die ja mit den gleichen Methoden stattfinden. - Danke schön.

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Siegmund, ich habe die Auffassung der Ärzte wiedergegeben. Diese haben gesagt: Wenn man schon die Gesundheit beeinträchtigende Maßnahmen ergreift, dann müssen diese auch zum Erfolg führen. Und sie haben gesagt, dass durch das Handröntgen das Knochenalter eben nicht einwandfrei festzustellen ist. Deswegen ist diese Methode ungeeignet. Aufgrund der Röntgenstrahlung birgt sie auch die Gefahr von Gesundheitsschädigungen. Damit gebe ich nur weiter, was seit mehreren Jahren Ärztemeinung ist.

Trotzdem - das habe ich vorgetragen - nehmen wir und auch die Landkreise in begründeten Einzelfällen schon jetzt Altersfeststellungen durch Röntgenmaßnahmen und medizinische Untersuchungen vor.

Es gibt eine weitere Anfrage, von dem Abg. Herrn Roi. - Bitte.

Vielen Dank. - Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Rede wieder dargestellt, es würde alles ausreichen, die bestehende Regelung würde ausreichen, weil man in begründeten Einzelfällen dann eine Untersuchung stattfinden lassen kann. Ja, Frau Grimm-Benne, das ist richtig, aber das ist nicht Sinn und Zweck unseres Antrages. Denn in diesem unserem schönen Land hat sich gezeigt, dass die Behörden oftmals eben keine Zweifel haben

(Zuruf von Silke Schindler, SPD)

und dass die neu Zugewanderten für die Behörden oftmals offensichtlich nicht so aussehen, als ob sie über 18 Jahre sind.

Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen. Selbst nach dem Mord in Kandel und nach der Veröffentlichung eines Fotos des Täters ist die Landkreisverwaltung Germersheim dabei geblieben, dass es keine Zweifel an der Minderjährigkeit des Täters gibt. Genau das ist doch das Problem. Der Grund dafür, dass wir das hier heute wieder beantragen, ist, dass die Fehlerquote auch in anderen Ländern viel zu groß ist. Wir wollen, dass alle untersucht werden, um Steuergeld zu sparen; denn die Fehlerquote ist zu hoch.

(Beifall bei der AfD)

Das ist das Problem; denn in den Verwaltungen wird das offensichtlich oftmals falsch eingeschätzt.

(André Poggenburg, AfD: Absichtlich!)

Frau Ministerin.

Ich habe für das Land Sachsen-Anhalt vorzutragen. Ich habe dargestellt, dass ich mit dem Kollegen Stahlknecht die Landkreise nicht nur allgemein informiert habe, sondern sie über Arbeitshinweise sehr wohl zu einem einheitlichen rechtlichen und rechtskonformen Verfahren aufgerufen habe.

Ihre Beispiele betreffen immer andere Bundesländer. Ich wüsste nicht, wo wir in Sachsen-Anhalt ein Beispiel haben, bei dem wir toleriert haben, dass, wenn es begründete Hinweise gibt, keine Altersfeststellung gemacht wurde. Ich habe auch vorgetragen, dass wir bei den 1 040 Fällen sehr wohl geguckt haben und dass, wenn es Unstimmigkeiten hinsichtlich des Alters gab, dann auch medizinische Untersuchungen angeordnet wurden.

(Zustimmung bei der SPD und von Sebas- tian Striegel, GRÜNE)

Wir haben noch eine Wortmeldung. Der Abg. Herr Lieschke möchte eine Frage stellen. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sie haben vorhin erwähnt, dass Ärzte Ihnen gesagt haben, dass das gesundheitsschädlich ist. Ist es aber nicht auch Aufgabe des Ministeriums, nach allen Richtlinien zu prüfen, ob das wirklich so ist? Wenn ich zu einem Arzt gehe, dann sagt er mir dies, wenn ich zu einem anderen Arzt gehe, sagt der mir jenes. Haben Sie als Ministerium selbst geprüft oder prüfen lassen, ob das wirklich gesundheitsschädlich ist, über das normale Maß hinaus?

Frau Grimm-Benne.

Ich habe als zuständige Ministerin daran nichts zu prüfen. Ich habe zu prüfen, ob die Bestimmungen zur Altersfeststellung, die bundesgesetzlich nach

§ 42f SGB VIII vorgegeben sind, auch in unserem Land umgesetzt und eingehalten werden.

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. Es gibt keine weiteren Anfragen, auch aus den anderen Fraktionen nicht. - Dann werden wir jetzt in die Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion einsteigen. Erster Debattenredner ist für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Kolze. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einem aufmerksamen Beobachter der Landtagsdebatten, der sonst aber nicht mit den Abläufen in diesem Hohen Hause befasst ist, muss es wie ein Déjà-vu vorkommen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)