Lieber Herr Szarata! Sie sagen immer, wir würden vom Bund nur fordern. Aber wer vom Bund zusätzliche Aufgaben übertragen bekommt, der muss dafür im Rahmen der Konnexität natürlich auch eine Entlastung in Form von Mittelzuweisungen erfahren.
Wir haben in den drei Jahren 2016, 2017 und 2018 Asylaufgaben im Umfang von mehr als 1 Milliarde € übertragen bekommen. Ausgaben in Höhe von 600 Millionen €, die dafür getätigt werden mussten, sind nicht ausgeglichen worden. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach dem Ausgleich doch völlig berechtigt.
Ich habe Sie im Übrigen so verstanden, dass die geplante Rücklagenentnahme wahrscheinlich gar nicht zustande kommen wird. Darüber freue ich mich natürlich. Aber ich frage Sie, Herr Szarata, gleichzeitig: Wo genau sparen Sie ein?
Herr Raue, ich habe gesagt, dass ich mir wünschen würde, dass wir diese Rücklage vielleicht gar nicht entnehmen werden. Das wird der Haushaltsvollzug zeigen. Ich sage Ihnen noch einmal: Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie mit Blick auf die Bundesmittel finanziell zu kurz kommen,
dann führen Sie doch darüber eine Debatte oder stellen Sie Anträge, aber schieben Sie nicht eine so scheinheilige Debatte zum Haushaltsplan 2019 vor - das ist viel zu früh -
und sagen dann: Wir brauchen mehr Geld vom Bund. So funktioniert das Ganze nicht. Tun Sie etwas. Ich habe vorhin - das sage ich noch einmal - etwas Positives über die Linken gesagt. Diese beteiligen sich heute mit einem Antrag konstruktiv an der Debatte, wenngleich wir diesen ablehnen werden.
Sie dagegen verfahren nicht so. Beim besten Willen, aber so kann man keine Politik machen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abg. Szarata. Es gibt keine weiteren Anfragen. - Beschlüsse in der Sache werden gemäß § 86 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages nicht gefasst. Damit ist das zweite Thema abgeschlossen.
Bevor wir hier vorn einen Wechsel vornehmen, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-Weitling-Sekundarschule in Magdeburg im Hohen Hause recht herzlich zu begrüßen. Herzlich willkommen!
Weiterhin begrüße ich Schülerinnen und Schülern des Pierre-Trudeau-Gymnasiums in Barleben. Recht herzlich willkommen im Hohen Hause!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren mit dem Tagesordnungspunkt 6 fort. Zuvor ein kleiner Hinweis von mir: Wer auf den Zeitplan geschaut und gleichzeitig einen Blick auf die Uhr geworfen hat, der sieht, dass wir ein bisschen im Verzug sind. Ich möchte deshalb darum bitten, dass wir konzentriert und inhaltsreich fortfahren und vor allen Dingen bei Interventionen und Fragen versuchen, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Als Ersten bitte ich den Einbringer für die CDU-Fraktion nach vorn, den Abg. Herrn Zimmer. - Er steht bereits vorn. Herr Zimmer, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Natura 2000 gilt als das weltweit ambitionierteste Projekt zum Schutz von Natur und Artenvielfalt. Zur Jahrtausendwende legte die EU im Rahmen des sogenannten sechsten Aktionsprogramms für die Umwelt diesbezügliche Schwerpunkte fest mit
Natura 2000 ist für diese Strategie einer der wichtigsten Ansatzpunkte. Im Bundesnaturschutzgesetz wurde die Rechtsverbindlichkeit hergestellt. Inzwischen befinden wir uns in Auswertung des öffentlichen Beteiligungsverfahrens.
Angesichts der Dimension der tausendseitigen Vorlage darf man sich schon wundern, warum man für die Befassung durch die Öffentlichkeit nur ganze zwei Monate vorgesehen hat, obwohl sich das Projekt mittlerweile über zwei Jahrzehnte im politischen Verfahren und seiner Umsetzung befindet.
Insgesamt reden wir, meine Damen und Herren, über 11 % der Landesfläche, über 298 Natura2000-Gebiete in Sachsen-Anhalt. Dass es gegen Natura 2000 viele Vorurteile gibt, ist zunächst einmal bedauerlich; denn die Europäische Union hat bei der Ausgestaltung von Beginn an versucht, die Naturschutzinteressen mit den wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Regionen in Einklang zu bringen.
Grundsätzlich können Flächen, die als Schutzgebiete eingestuft sind, genutzt werden. Es muss lediglich darauf geachtet werden, dass sich die Wertigkeit des Schutzgebietes nicht verschlechtert. Leider wird dieses Verschlechterungsverbot oft mit einem Veränderungsverbot gleichgesetzt;
denn auch Veränderungen sind grundsätzlich möglich. Sogar Verschlechterungen im Hinblick auf den Naturschutz werden unter bestimmten Umständen erlaubt, wenn es von sozioökonomischem Interesse ist.
So schließen die Bestimmungen von Natura 2000 selbst Bebauungspläne oder Infrastrukturprojekte keinesfalls komplett aus. So wurden seitens der EU Regelungen geschaffen, um solche Fälle, die vor Ort entschieden werden können, zu berücksichtigen. Der entsprechende Schutzstatus fußt dabei auf der europäischen FFH-Richtlinie. Ich zitiere aus Artikel 2 Abs. 3:
„Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen tragen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.“
Kurzum, meine Damen und Herren: Der Mensch steht im Mittelpunkt der Natura-2000-Ziele. Daran muss sich die Landesausgestaltung messen lassen.
An dieser Stelle bin ich unserem ehemaligen Minister Dr. Hermann Onko Aeikens sehr dankbar dafür, dass er über den langen Umsetzungszeitraum von Natura 2000 hinweg stets versucht hat, die Balance zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen über die Gestaltung von Einzelverordnungen sowie über diverse Managementebenen herzustellen.
Mein Dank geht auch an das Landesverwaltungsamt, das direkt mit der Umsetzung der EU-Richtlinie betraut war und noch immer ist.
Trotz aller Sorgfalt bei der Umsetzung gibt es aber inzwischen Tausende Eingaben aus dem Beteiligungsverfahren. Dies dürfte in diesem Umfang in der Landesgeschichte wohl einmalig sein und zeigt, wie sehr die Gemüter vor Ort erhitzt sind. Das sollte auch niemanden verwundern; denn wir sprechen hierzulande über Kulturlandschaften, die durch den Menschen über Jahrhunderte hinweg gestaltet und verändert wurden.
Deutschland ist eines der am dichtesten besiedelten Länder in Europa. Wir sind ein Industrieland mit einer hoch entwickelten Infrastruktur. Dass das zwangsläufig zu Nutzungs- und Interessenkonflikten führt, liegt auf der Hand. Die Betroffenheit ist demzufolge auch eine völlig andere als in Regionen Europas, die eine Besiedlungsdichte vorweisen, die noch weit unter jener liegt, die wir beispielsweise aus der Altmark kennen.
Um ein Beispiel zu nennen: Die ausgewiesene Natura-2000-Fläche beträgt allein im Landkreis Stendal gut 20 000 ha. Das bedeutet für den Landkreis erhebliche Einschränkungen durch Schutzbestimmungen und Nutzungseinschränkungen in zum Teil auch touristisch genutzten Gebieten, wie der Elbe-Havel-Niederung, der Tangermündung, von Wiesen, Waldgebieten und anderen. Der Landkreis Stendal, den ich hier nur stellvertretend nenne, schreibt in seiner Stellungnahme - ich darf wieder zitieren -:
„Eine Schutzgebietsverordnung für einen so großen Landschaftsraum bedingt massive Interessenkonflikte zwischen Eigentümern, Nutzern und Naturschutzbehörden. Eine Verordnung, die dem Schutzzweck angemessene Ge- und Verbote enthält, lässt den Landnutzern nur enge Nutzungsspielräume und führt zu Wertverlusten am Grundeigentum. Daraus resultiert erfahrungsgemäß eine starke Ablehnung des Schutzgebietes bei den Betroffenen.“
Ähnliches können wir unisono in vielen Stellungnahmen anderer nachlesen. Es gibt also offenbar eine Vielzahl von Problemfeldern. Einige möchte ich etwas näher skizzieren.
Landnutzung - hier ganz konkret, Frau Ministerin, am Beispiel Hammerbachtal in der Dübener Heide - formuliert. Das ist konträr zu der von mir eingangs zitierten Regelung Artikel 2 Abs. 3 der FFH-Richtlinie. Hier soll ein Kulturdenkmal, eine der wenigen in Deutschland noch existierenden Köhlereien, und damit eine wirtschaftliche Existenz aufs Spiel gesetzt werden, weil der Schutzstatus des Bibers höher gewichtet wird als der des Menschen oder auch anderer schützenswerter Tier- und Pflanzenarten.
Natura 2000 zielt auf den Schutz einzelner Arten ab. Wir führen also immer eine Einzelfalldiskussion. Aber wir müssen die Konfliktfälle einzelner Arten in einer Gemeinschaft, in einer Raumschaft betrachten und diskutieren. Ja, natürlich, das ist die Hohe Schule. Aber die Regularien ermöglichen dies. Das bedeutet auch die Einrichtung eines entsprechenden Managements. Ich fordere uns auf, die Kraft aufzubringen, um die Möglichkeit zu schaffen, auch hier atmende Größen einzuführen, sodass wir nicht jedes Tier einzeln betrachten, sondern den Schutzstatus in dieser atmenden Größe insgesamt feststellen.
Die Nutzungseinschränkungen sind allenthalben vielfältig und betreffen vordergründig Kommunen, Landwirtschaft, Gewerbe, Angler, Fischer, Tourismus, Forstwirtschaft und beim Hochwasserschutz letztendlich unser aller Hab und Gut.
Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht alle Problemfelder der Nutzungseinschränkungen aufzählen, ich verweise aber auf eine Werft im Jerichower Land oder auf die Radwege an der Elbe, an der Saale, an der Unstrut und wo auch immer. Daher fordert meine Fraktion ein gesundes Augenmaß, ja, einen Dreiklang aus ökologischen und ökonomischen Belangen sowie der Akzeptanz in der Bevölkerung.