Auch die Landesebene sehe ich in der Pflicht. Wir sollten das Rettungsdienst- und das Krankenhausgesetz, das ohnehin zur Novellierung ansteht, auf die Frage hin überprüfen, ob wir neue Regelungen brauchen.
Die Bestimmungen, nach denen Krankenhäuser verpflichtet sind, Notfallpatienten aufzunehmen und zu behandeln, finden sich im Rettungsdienstgesetz. Insoweit könnten hier auch entsprechende Sanktionsmechanismen verankert werden. Das sind wichtige Themen, die von der Frage der Trägerschaft vollkommen unabhängig zu betrachten sind.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das heutige Thema „Streben nach Rendite: Gefahrenfaktor für die medizinische Grundversorgung in Sachsen-Anhalt“ betrifft tatsächlich eine der zentralen und grundsätzlichen Fragen der Gesundheits- und Sozialpolitik. Wie viel Privatwirtschaft braucht unser Sozialsystem zum Funktionieren? Wie viel Staat muss sein, damit wirtschaftliche Interessen nicht die Oberhand im Gesundheitswesen gewinnen? Wie werden Daseinsvorsorge und Marktwirtschaft unter einen Hut gebracht? Diese Fragen gehen an die Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bleibe noch einmal bei dem Beispiel Salzlandkreis. Wir haben, ausgehend von dem konkreten Fall, zusammen mit dem Innenministerium geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen Abmeldungen und der Rechtsform der Krankenhäuser hergestellt werden kann. Die Zahlen, die uns vorliegen, geben das nicht her. Jedenfalls gibt es Landkreise, die beinahe nur kreiseigene Krankenhäuser im Kreisgebiet haben und doch mindestens ebenso viele Abmeldungen haben wie der Salzlandkreis.
Was sagt das aus? Ehrlich gesagt: Es sagt nichts aus. Denn die Maßstäbe sind nicht vergleichbar. Wann wird abgemeldet? Für wie lange wird abgemeldet? Wer darf das entscheiden? Dabei sind die Kulturen offensichtlich sehr unterschiedlich. Wer auf Statistiken setzt, vergleicht schnell Äpfel mit Birnen.
Fakt ist aber, dass die öffentliche Kritik besonders dort einhakt, wo überwiegend private Klinikanbieter tätig sind. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es sehr wohl einen engen Zusammenhang zwischen Trägerschaft und Handeln: Privatisierung schlecht, Rekommunalisierung gut. Ist das so einfach? Diesem Status quo begegnen viele in der Bevölkerung mit Argwohn. Das Gesundheitswesen wollen sie so organisiert sehen, dass eben nicht das Geld alles regiert.
Wir alle kennen die Themen, die den Leuten Sorgen machen: der Umgang mit dem Personal sowohl bei der Vergütung als auch bei den Personaluntergrenzen, der Umgang mit Ärztinnen und Ärzten, der Leistungsdruck, das sogenannte Rosinenpicken, also hauptsächlich nur Leistungen zu erbringen, die auch profitabel sind, und weitere Dinge.
Diese Sorgen teile ich. Doch erlauben Sie mir einen kurzen historischen Exkurs. Nach der Ursprungsversion des Krankenhausgesetzes des Bundes von 1972 hatten Krankenhäuser gemeinnützig zu sein. Das sollte es den Krankenhäusern ermöglichen, sich ohne Gewinnstreben ihren karitativen Aufgaben widmen zu können. Es zeigte sich aber schnell: Ohne Anreize, wirtschaftlich zu arbeiten, kam es zu einer unkontrollierbaren Steigerung der Krankenhauskosten.
Um Rationalisierungsreserven zu erschließen und Betriebsabläufe zu optimieren, kamen marktwirtschaftliche Elemente in das System. Seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts können Krankenhäuser also Gewinne erwirtschaften,
auch kommunale Krankenhäuser. Aber sie können auch Verluste erwirtschaften. Insbesondere Letzteres macht den Betrieb eines Krankenhauses für viele Landkreise und kreisfreien Städte zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Außerdem verhindern und verzögern oft lange Entscheidungswege ihre wirtschaftliche Entwicklung. Dazu kommen die Restriktionen des europäischen Beihilferechts, die es kommunalen Krankenhausträgern fast unmöglich machen, ihre Einrichtungen durch Zuschüsse zu unterstützen.
Wenn ein kommunales Krankenhaus einmal deutlich in rote Zahlen geraten ist, ist der Verkauf oftmals nicht mehr zu vermeiden. Das sind Faktoren, die die Privatisierungswelle der vergangenen Jahre erklären.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Als Ministerin habe ich die Entscheidung kommunaler Gremien zu der Frage, ob ein Krankenhaus privatisiert oder in freie Trägerschaft übergeben worden ist, letztlich nicht zu bewerten. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich die Gewährträger, die die Verantwortung über den Sicherstellungsauftrag haben, entsprechende Einflussmöglichkeiten vertraglich sichern. Denn auch wenn man kommunale Krankenhäuser in andere Trägerschaften gibt, bleibt die Sicherstellungsaufgabe bestehen; davon kann sich ein Landkreis nicht lossagen, sondern er muss all seine Einflussmöglichkeiten aktiv nutzen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ja, wir haben private Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt. Bei uns sind private Krankenhäuser etwas in der Überzahl, was sich aber wieder relativiert, wenn man die Kapazitäten vergleicht, da die privaten Krankenhäuser eher zu den kleineren gehören.
In § 1 Abs. 1 des Krankenhausgesetzes des Bundes ist die Vielfalt der Krankenhausträger vorgeschrieben. In unserem Landeskrankenhausgesetz heißt es analog:
„Die Vielfalt der Krankenhausträger ist zu beachten, insbesondere ist gemeinnützigen und privaten Krankenhausträgern aus
Und damit beantworte ich auch Ihre Frage. Die Landesregierung hat auch vor dem Hintergrund des Falles aus dem Salzlandkreis neben Gesprächen mit kommunalen Verantwortungsträgern und den privaten Trägern folgende Dinge veranlasst beziehungsweise wird sie veranlassen:
Erstens. Wir wollen, dass landesweit alle Leitstellen und Verantwortlichen im Rettungsdienst mit einer einheitlichen Software ausgestattet sind, die ihnen zeigt, welche Klinikabteilungen vor Ort derzeit belegt sind. Damit soll eine noch bessere Patientenversorgung sichergestellt werden. Das läuft in vielen Landkreisen bereits gut, wenn auch
mit teils unterschiedlichen Softwarelösungen. Zusammen mit dem für das Rettungswesen zuständigen Innenministerium werden wir hierzu eine Lösung finden.
Die Erfahrungen aus dem Herzregister RHESA zeigen, dass sich Hilfsfristen verkürzen lassen, wenn es entsprechende Systeme gibt. Es gibt mittlerweile auch schon Software im RTW, die die Daten zu der Klinik weitergeben kann, um lebensnotwendige Minuten zu gewinnen.
Zweitens. Eine einheitliche Software allein hilft auch nicht. Vielmehr brauchen wir auch einheitliche Regeln, wann und wie abgemeldet werden kann. Die Kultur hierbei ist derzeit in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich; das müssen wir verändern. Es kann nicht sein, dass man digital hoch ausgestattet ist, aber über Fax, handschriftlich oder telefonisch meldet. Diese Dinge müssen wir für alle Landkreise und kreisfreien Städte gleichmäßig gestalten. Das werden wir verändern; das werden wir tun.
Drittens. Wir werden das Krankenhausgesetz wie auch das Rettungsdienstgesetz daraufhin überprüfen, ob weitere aufsichtsrechtliche Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Es mag gute Gründe dafür geben, die - das sage ich auch - rechtlich selbstverständlich sauber und durchsetzbar sein müssen.
Wir brauchen viertens Regelungen zur Verpflichtung einer Teilnahme zum Rettungsdienst. Darüber wurde im Rahmen der Erarbeitung des Rettungsdienstgesetzes auch unter Ihrer Beteiligung debattiert. Es gibt Kliniken, die versucht haben, aus der Notfallversorgung herauszukommen. Es muss also eine Verpflichtung geben. Wir müssen aber auch politische Mehrheiten dafür bekommen, damit wir im Rettungsdienstgesetz verankern können, dass sich ein Krankenhaus der Grundversorgung nicht von der Notfallversorgung abmelden darf, sondern dass es verpflichtet ist, daran teilzunehmen.
Wir überlegen, ob wir das auch im Krankenhausgesetz unterstützen, indem wir dies den jeweiligen Krankenhäusern im Rahmen der Feststellungsbescheide über ihre Leistungen, die sie zukünftig im Land zu erbringen haben, als Nebenbestimmung im Krankenhausplan aufgeben, damit wir aufsichtsrechtlich sagen können, dass wir ein Krankenhaus, das permanent dagegen verstößt, wieder aus dem Krankenhausplan herausnehmen.
ich im Kreistag gesagt, das können wir alles gesetzlich verändern, aber wir brauchen etwas, das wir sofort regeln können. Das ist einfach eine bessere Kommunikation zwischen Ameos und unserer Leitstelle.
Dabei sage ich immer, wir müssen dabei die Sozialleistungsträger mit beachten, weil die gesamten Leistungen in den Krankenhäusern erbracht werden. Bisher haben wir, wenn Leistungen nicht gut erbracht werden, von den Krankenkassen her nur die Möglichkeit, mit Entgeltentzug zu drohen und diesen auch umzusetzen. Das letzte scharfe Schwert ist die Herausnahme aus dem Krankenhausplan.
Wir lassen im Augenblick nichts unversucht - das will ich noch einmal sagen - zu überlegen, wie wir unsere Gesetze schärfen. Man kann aber noch so viel in Gesetze schreiben, Gesetze müssen auch gelebt werden. Sie müssen vor Ort gelebt werden. Dafür werbe ich noch einmal.
Ich finde, ansonsten haben wir auch im Salzlandkreis eine gut funktionierende Krankenhausversorgung. Ich bitte darum, es nicht noch weiter zu skandalisieren.
Ameos hat einen guten Maßnahmenplan vorgelegt. Der Landkreis hat mit seinem Rettungsdienst geguckt, wie er die Hilfsfristen weiter verbessern kann. Wir sind auf einem sehr guten Weg. Ich denke, dass wir es im Sinne der Patientinnen und Patienten gut hinbekommen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ein ganz kleiner Hinweis: Auch die Landesregierung möchte sich, wenn möglich, bitte immer an die Vorgaben halten. Ansonsten ufert es über den Tag tatsächlich aus.
Wir haben aber noch drei Anfragen, und zwar von Frau Abg. Zoschke, von Herrn Abg. Gebhardt und noch einmal von Herrn Höppner. Frau Zoschke, bitte.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, gerade Ihre letzten Worte bewegen mich zu dem Zitat: Der Teich war im Durchschnitt 20 cm tief
Wir haben sicherlich eine gute Krankenhauslandschaft und wir haben auch in der Regelversorgung große Erfolge. Wir haben aber auch eine ganze Menge Defizite. Wenn ein Mann eine
ganze Nacht lang durch den Kreis gefahren wird und kein Bett in einem Krankenhaus erhält und keine Versorgung erfährt, dann, finde ich, ist das ein großes Dilemma, dem wir uns widmen sollten.
Ich bin zusammengezuckt bei der Darstellung zum Sicherstellungsauftrag. Sie haben zum Schluss ganz viel genannt, was in der Zukunft geändert wird. Der Sicherstellungsauftrag jetzt bedeutet aber unter anderem auch, dass ein Landkreis, der nur noch ein Telefon zur Verfügung hat, um mit den privaten Trägern seiner Krankenhauslandschaft zu telefonieren, in der Garantie des Sicherstellungsauftrags etwas eingeschränkt ist. Ich würde gerne wissen, wie Sie aktuell diesen Landkreisen helfen, diesen Sicherstellungsauftrag auch auszugestalten, weil dazu im Gesetz relativ wenig steht.
Oder ist es die Regel, dass Sie den fragenden Landkreisen dann antworten, dass der Sicherstellungsauftrag bei ihnen liege und sie sich kümmern müssten, und dass die Beratungsfunktion der Landesregierung damit gegen null tendiert - so geschehen unter anderem im Salzlandkreis?
Frau Zoschke, ich möchte Sie einfach davor warnen, dass Sie eine bestimmte Legendenbildung weiter fortführen.