Protokoll der Sitzung vom 25.05.2018

Wir haben im Koalitionsvertrag die Einführung einer Einzelzimmerquote von 80 % vereinbart. Allerdings können wir als regierungstragende Fraktion im Gegensatz zur Opposition nicht nur Forderungen aufstellen, wir müssen diese auch umsetzen.

(Zuruf von Dr. Verena Späthe, SPD)

Das bedeutet, dass wir achtgeben müssen - ich war jetzt etwas überrascht über die Zustimmung -, dass wir nicht Fördermittel in Größenordnungen zurückzahlen müssen, die letztendlich zu steigenden Heimentgelten führen, weil die Kosten eventuell umgelegt werden müssen. Deshalb haben wir unseren Alternativantrag mit einem etwas anderen Akzent versehen.

Zunächst richten wir unser Augenmerk nicht auf die Anpassung, sondern auf die Neufassung der Heimmindestbauverordnung. Unsere Punkte 1 a, 1 b und 1 c umfassen daher neben der Orientierung an den Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention auch weitergehende Regelungen zur Barrierefreiheit sowie die Vorhaltung entsprechender technischer Teilhabe- und Kommunikationsmöglichkeiten. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Thema der Zukunft.

Die Prüfaufträge unter Punkt 2 umfassen auch die Frage von Übergangsregelungen. Denn wir können die Zweckbindungsfristen nicht einfach igno

rieren oder wegzaubern. Daher auch die Bitte an die Landesregierung, Drei- und Vierbettzimmer bis längstens 2022 auslaufen zu lassen.

Um die Landesregierung bei ihren Bemühungen zu unterstützen, möchten wir uns noch vor Jahresende über den Stand der Neufassung der Heimmindestbauverordnung im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration berichten lassen. Damit besteht auch die Möglichkeit, Neuerungen hinsichtlich der Versorgungsformen für Menschen mit Behinderungen durch das Bundesteilhabegesetz zu berücksichtigen.

Selbstverständlich werden auch Verbände der freien Wohlfahrtspflege, der privaten Träger sowie auch Betroffene und unser Landesbehindertenbeauftragter einbezogen werden. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung zu unserem sehr gut formulierten Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es leuchtet hier.

Das leuchtet, weil die Redezeit schon überschritten war. Dann leuchtet es rot, Frau Gorr. - Es gibt keine Fragen. Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Kirchner. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Die Landesregierung wird beauftragt, eine neue Verordnung zum Wohn- und Teilhabegesetz des Landes Sachsen-Anhalt zu Standards für Wohnstätten zu erarbeiten, die sich an der UN-Behindertenrechtskonvention orientiert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die AfD begrüßt diese Beauftragung, sollte dieser Antrag eine Mehrheit finden.

(Zustimmung bei der AfD)

Da die Heimmindestbauverordnung veraltet ist und nicht den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht, sehen wir es als positiv an, eine neue Verordnung ins Leben zu rufen. Selbstverständlich ist für uns auch klar, dass die Erarbeitung unter Einbeziehung von Menschen aus den jeweiligen Einrichtungen erfolgt und durchaus auch verpflichtend sein kann.

Es ist zu begrüßen, dass künftig Mehrbettzimmer zugunsten größerer Einzelzimmer umgestaltet werden könnten, falls der Antrag hier die Mehrheit erreicht. Ob Einzelzimmer in allen Fällen notwendig und sinnvoll sind, bleibt dahingestellt. Jedoch ist die Forderung im Sinne größerer Flexibilität absolut nachzuvollziehen.

Die Politik soll bei denjenigen, insbesondere bei Menschen mit Behinderungen, um Akzeptanz

werben, die von diesen politischen Entscheidungen direkt betroffen sind. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein.

Aus meiner Sicht sollte bei der neuen Verordnung dafür Sorge getragen werden, dass eine gleichwertige Teilnahme am Leben und in der Gemeinschaft gerade für ältere Menschen und für Menschen mit Behinderungen möglich ist und auch gefördert wird. Denn gerade diese Personengruppen stehen der Verfassung nach unter dem besonderen Schutz des Landes.

Werte Kollegen, wenn wir darüber nachdenken, dass die Lebensbedingungen von behinderten Menschen heute zum Glück einen anderen Stellenwert einnehmen als noch vor 30 Jahren, dann sollten wir bei dem hier vorliegenden Antrag dafür sorgen, dass auch die Wohnstandards den heutigen Bedürfnissen entsprechen.

Leider wird in dem vorliegenden Antrag keine konkreter Zeitraum für die Erarbeitung einer Verordnung zum Wohn- und Teilhabegesetz genannt. Dennoch werden wir diesem Antrag zustimmen.

Bei dem Alternativantrag der Regierungskoalitionen werden wir uns der Stimme enthalten, weil wir vermuten, dass hinter der Formulierung „nachstehende Schwerpunkte angemessen zu berücksichtigen“ genau selbiges steht. Denn was ist schon angemessen?

Werte Kollegen, die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht. Darum lassen Sie uns genau daran arbeiten. - Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Kirchner. Es gibt keine Fragen. - Wir kommen somit zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Frederking. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ja, liebe LINKE, wir sind ganz bei Ihnen. Die Heimmindestbauverordnung des Landes gemäß dem Wohn- und Teilhabegesetz ist überfällig, um die veraltete Heimmindestbauverordnung des Bundes abzulösen.

In dieser Bundesverordnung finden sich schließlich noch unhaltbare Mindeststandards für stationäre Einrichtungen. Frau Zoschke hat einige Beispiele genannt. Ich wiederhole das Beispiel: ein WC für acht Bewohnerinnen und Bewohner. Es ist wohl in Sachsen-Anhalt keine Einrichtung zu finden, die sich noch an diesem Standard orientiert.

Aber dieses Beispiel zeigt, welcher Geist zur Zeit der Verabschiedung dieser Bundesverordnung wirkte.

Wir GRÜNEN haben bereits in der sechsten Legislaturperiode eine Verbesserung über eine entsprechende Landesverordnung eingefordert. Insbesondere setzten wir dabei auf die Einführung einer Einzelzimmerquote. Denn bereits in der Kindheit, spätestens in der frühen Jugend ist ein eigenes Zimmer die Norm. Letztlich werten wir es alle als Selbstverständlichkeit, einen eigenen Rückzugsraum zu haben. Das Recht auf Privatheit ist sehr wichtig.

Das gilt natürlich auch im Alter und für Menschen mit Behinderungen. Ein Doppelzimmer aber, das man sich mit einer fremden Person teilt, erfüllt diesen Anspruch nicht. Landesweit wohnen knapp 44 % der Bewohner und Bewohnerinnen von stationären Altenhilfeeinrichtungen in Doppelzimmern. In manchen Einrichtungen trifft es gar 80 bis 90 %. Der Koalitionsvertrag und der Alternativantrag setzen auf eine 80-prozentige Einzelzimmerquote pro Einrichtung.

Etwa 250 Einrichtungen der stationären Altenhilfe im Land verfehlen zurzeit dieses Ziel. Sie haben also etwas zu tun. Sie müssen sich auf den Weg machen, um neue Raumkonzepte zu erarbeiten. Damit dies mit genügend Vorlauf passieren kann, sind natürlich angemessene Übergangsfristen vorzusehen.

An dieser Stelle ist es ganz wichtig - das haben wir auch in unserem Antrag aufgegriffen -, dass die Bundesförderung gemäß Artikel 52 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt wird.

Ich will es ganz kurz ausführen. Gibt es noch eine Zweckbindung und es würde nach einer Umstrukturierung weniger Plätze für die Bewohner dieser Einrichtung geben, dann sollte mit der Umstrukturierung zu Einzelzimmern gewartet werde. Ansonsten müssten Fördermittel zurückgezahlt werden. Bei diesen Einrichtungen greift dann die Einzelzimmerquote erst nach dem Auslaufen der Zweckbindung.

In Punkt 3 des Alternativantrages gehen wir darauf ein, dass mindestens - -

Sehr geehrte Kollegin Frederking, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir gehen im Prinzip darauf ein, dass wir keine Dreibett- und Vierbettzimmer mehr haben wollen. Alle Träger von Einrichtungen sind nun aufgefordert, ihre Einrichtungen umzukonzipieren.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Es gibt keine Wortmeldungen. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion der SPD spricht die Abg. Frau Dr. Späthe. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es ist wahrlich kein Ruhmesblatt für Sachsen-Anhalt, dass so viele Jahre nach dem Inkrafttreten des Wohn- und Teilhabegesetzes im Januar 2011 die dazugehörigen Verordnungen nicht in Gänze erlassen sind. Außer der Bewohnermitwirkungsverordnung hat weder die Personalverordnung noch die noch umzubenennende Heimmindestbauverordnung das Ministerium verlassen.

Es ist auch kein Ruhmesblatt, dass der Behindertenbeirat des Landes nun endgültig die Geduld verloren hat und per Beschluss die Erarbeitung der Mindestbauverordnung einfordert und Bedingungen formuliert.

Aber ich muss leider sagen: Der durch DIE LINKE eingebrachte Antrag, der den Beschluss des Behindertenbeirates aufgreift, ist eben auch kein Ruhmesblatt; denn allein die Forderung, dass wir mit einer Verordnung des Landes Sachsen-Anhalt die Fördermittelbedingungen des Bundes per Dekret aufheben, ist nun wirklich ein wenig zu hoch gegriffen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nicht weiter hinausziehen. Unser Alternativantrag wurde von meinen Vorrednern erläutert. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. - Eine gute Botschaft zum Schluss: Es gibt in SachsenAnhalt bereits jetzt keine Vierbettzimmer mehr.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dorothea Frederking, GRÜNE: Seit heute?)

Vielen Dank, Frau Dr. Späthe. - Zum Schluss hat die Abg. Frau Zoschke nochmals das Wort. Sie haben das Wort. Bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Was mich tatsächlich erfreut, ist, dass wir über die Fraktionen hinweg eine große Einigkeit, was den Inhalt des Antrages betrifft, erzielt haben. Das lässt erahnen, dass es tatsächlich Bewegung gibt.

Allerdings, Frau Gorr, trotz der Eigeneinschätzung, dass der Alternativantrag gut formuliert sei, finden wir, dass er zu unkonkret ist. Deshalb wer

den wir ihm nicht zustimmen und beharren auf unserem Antrag. Wir werden uns dazu der Stimme enthalten.

Ich bitte Sie alle im Hause, sich des Problems der Zweckbindung der Fördermittel anzunehmen. Es hemmt die Einrichtungsträger enorm. Vielleicht finden wir, wenn wir alle unser Gehirnschmalz ein wenig zusammenpacken, Lösungen, um den Trägern und vor allem den Bewohnerinnen und Bewohnern zu helfen und das Prinzip „ambulant vor stationär“ viel mehr Menschen zu ermöglichen, als es gegenwärtig der Fall ist. Das ist meine große Bitte.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Dr. Ve- rena Späthe, SPD)

Vielen Dank, Frau Abg. Zoschke. - Wir sind am Ende der Debatte und steigen in das Abstimmungsverfahren ein. Als Erstes werden wir über den Antrag in der Drs. 7/2865 - das ist der Ursprungsantrag - abstimmen. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um sein Kartenzeichen. - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Eine Stimmenthaltung.

(Zuruf von der AfD: Auszählen!)

Ich habe gerade vernommen, dass Auszählung gewünscht wird. Dann werden wir diese vornehmen. Ich frage noch einmal: Wer stimmt dem Antrag zu? - Das sind 31. Wer stimmt dagegen? - Das sind 34 Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir kommen zum Alternativantrag in der Drs. 7/2912. Wer diesem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Zwei Abgeordnete stimmen dagegen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist ein großer Teil der AfDFraktion und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 20 ist erledigt.