Wir kommen zum Alternativantrag in der Drs. 7/2912. Wer diesem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Zwei Abgeordnete stimmen dagegen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist ein großer Teil der AfDFraktion und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 20 ist erledigt.
Wir steigen nunmehr in der Mittagspause ein. Ich würde sagen, dass wir um 13:55 Uhr wieder beginnen.
Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur D, also eine 45-Minuten-Debatte, vereinbart. Die Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten: AfD zehn Minuten, SPD vier Minuten, DIE LINKE sechs Minuten, CDU zwölf Minuten und die GRÜNEN zwei Minuten.
Gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich zuerst der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Für diese Partei spricht die Abg. Frau Lüddemann.
Aber es ist immer gut, wenn alle auf mich hören. Dann haben wir alle etwas erreicht. Das ist schon richtig so.
- Ja. Wir kommen jetzt nämlich zu einer Premiere, und zwar im positiven Sinne. Wenn meine Recherchen zutreffen, hat dieses Hohe Haus noch nie über ökologische Baustoffe, Recyclingprodukte in der Bauwirtschaft und das Bestreben, baubiologische Aspekte zu stärken, debattiert. Das ist heute also ein guter Anfang.
Es handelt sich nämlich nicht um ein Nischenthema, schon lange nicht mehr, jedenfalls nicht in der Praxis. Es ist aus unserer Sicht an der Zeit, dass sich auch die Politik dieser Praxis stellt.
Das sollte auch - es ist immer gut, wenn man eine Eigenmotivation hat - aus Eigenmotivation geschehen; denn die meiste Zeit unseres Lebens halten wir uns immerhin in geschlossenen Räumen auf. Und das, was hier in Rede steht, hebt im Wesentlichen auch unsere Lebens- und Wohnqualität; denn das Thema Wohngesundheit gelangt zu immer höherer Relevanz.
Gleichzeitig erleben wir einen Bauboom. Daraus ergeben sich Fragen, denen sich Politikerinnen und Politiker stellen müssen. Zum Beispiel: Wie nachhaltig bauen wir aktuell? In was für Gebäude fließen öffentliche Gelder? Welche Fakten werden hier für Generationen geschaffen, für ihr Leben, ihre Umwelt und auch für deren Mülldeponien? Vor allem geht es um die Frage: Gehen wir als Land mit gutem Beispiel voran?
Bevor ich zu der Beantwortung komme, erlauben Sie mir, kurz die Leitvision für zukünftiges Bauen aus grüner Sicht zu umschreiben. Dafür gibt es eine Überschrift, die heißt: „Auch Häuser können Bio“. Es geht dabei um ein Gebäude, das nicht CO2
besten Falle aus nachwachsenden Bau- und Dämmstoffen besteht, die ökologisch produziert worden sind, bei dessen Errichtung Baumaterialien aus recycelten Bauprodukten verwendet werden, die ihrerseits recycelbar sind und eine regionale Kreislaufwirtschaft stärken.
Ein solches Gebäude punktet nicht nur in Sachen Klimaschutz, sondern fördert auch die Wohngesundheit und das Wohlbefinden der in ihm Lebenden. Dies bündelt sich in den Slogan „Ökologisch Bauen - gut für das Klima, gut für den Menschen“.
In diesem Bereich können wir nach der Antwort auf unsere Große Anfrage bisher wenig Aktivitäten feststellen. Eigene Erfahrungen des Landes mit Ökobaustoffen liegen nicht vor. Förderungen für ökologische Bau- und Dämmmaterialien oder Recyclingprodukte seitens des Landes liegen nicht vor. Der Einsatz der Bauministerkonferenz für die Holzcharta 2.0 gestaltet sich sehr überschaubar.
Hoffnungsvoll stimmen mich die dargestellten Initiativen der Landesenergieagentur, etwa die Ergänzung der Bauherrenmappe um ökologische Aspekte. Dies ist sicherlich ein guter Anfang, um das Thema breiter bekannt zu machen. Auch die dazu gehörende Ausstellung ist gelungen. So war jedenfalls das Feedback der Besucherinnen und
Besucher unserer zweiten grünen Klimawerkstatt im vergangenen Monat. Da hatten wir diese Ausstellung hier im Hause. Es ist wirklich eine gute Sache.
Auch die Veröffentlichung von Handlungsempfehlungen des Umweltministeriums zu Recyclingbaustoffen ist ein guter und wichtiger Schritt; denn die Vermeidung von Müll jeglicher Art, also auch von Bauschutt, ist für uns der Königsweg.
Müllvermeidung ist das Stichwort. Das muss überall gelten, im Bereich der Bauwirtschaft wie in allen anderen Lebensbereichen. Für eine materielle Förderung von Recyclingbaustoffen wäre eine Änderung der Richtlinie „Sachsen-Anhalt Ressource“ notwendig. Diese Richtlinie basiert auf dem operationellen Programm Forschung und Entwicklung der EU und ist damit bis zum Jahr 2020 festgeschrieben. Dass ökologische Aspekte in einer neuen Richtlinie in einer neuen Förderperiode mehr Beachtung finden, ist unser Ziel. Ich halte das für eine sehr sinnvolle Maßnahme, um Nachhaltigkeit am und im Bau zu fördern.
Grundsätzlich gilt im Bereich der Energieeinsparung und der Reduzierung der CO2-Emissionen, wegzukommen vom engen Blick auf die Nutzungsphase von Gebäuden. Konventionelle
Dämmung bei konventionellen Gebäuden ist okay, aber für eine echte Ökobilanz ist auch die Produktion der Baumaterialien und deren Entsorgung einzubeziehen. Der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes muss mit in die Betrachtung einbezogen werden, also auch die sogenannte graue Energie.
Erst dann erhalten wir eine realistische Ökobilanz. Dann stellen wir fest, um den Energieverbrauch für den Bau eines normalen Einfamilienhauses samt guter Dämmung während der Nutzungsphase zu kompensieren, brauchen wir rund 200 Jahre.
Wer also wirklich nachhaltig und klimaneutral bauen will, der kommt um eine Stärkung ökologischer Baumaterialien nicht herum.
Wir haben eine Vielzahl von Dämmstoffen zur Auswahl. Ob man Mineralwolle, Stroh, Zellulose, Lehm, Holz oder andere Materialien nimmt - sie alle sind nachwachsend und energieeffizient. Die reinen Baukosten sind also das eine, die Herstellungs- und Entsorgungskosten sind aber in eine volkswirtschaftliche Betrachtung ebenfalls einzubeziehen. Das ist erst einmal festzuhalten.
Ein negatives Beispiel aus jüngster Zeit ist das hochgiftige Flammschutzmittel HBCD, das in Polystyrol-Dämmstoffen zum Einsatz kam. Die Ausnahmegenehmigung für den Einsatz dieses
toxischen Stoffes war von der EU bis zum Jahr 2017 verlängert worden, obwohl es bereits seit Oktober 2016 als Sonderabfall deklariert war. So schafft man sich selbst Entsorgungsprobleme. So darf Dämmung nicht gehen.
Da gibt es schon heute bessere Materialien, die die Energieeffizienz möglich machen. In der Landespressekonferenz - Sie wissen, dass da die Fraktionsvorsitzenden am Tag von der Plenarsitzung immer die wichtigsten Themen vorstellen - habe ich mit meiner Popkorn-Platte - einige von Ihnen haben das wahrscheinlich wahrgenommen - und dem Slogan „Nascht du noch oder dämmst du schon“ Aufmerksamkeit erzielen können. Das ist nämlich eine Variante, die sich noch in der Erprobung befindet. Aber ich halte sie für sehr vielversprechend und gehe davon aus, dass man tatsächlich mittels einer Verbundplatte ökologisch dämmen kann.
Die Universität in Göttingen hat aktuell im Zuge eines Forschungsvorhabens eben solche Verbundplatten unter anderem zur Dämmung entwickelt, die aus expandiertem Mais bestehen, mit anderen Worten: eben aus Popkorn. Diese Sandwich-Verbundplatten besitzen die gleichen mechanischen Eigenschaften wie Spanplatten, sie sind aber nur halb so schwer. Das heißt, man kann mehr von ihnen schneller, einfacher und kostengünstiger transportieren. Sie stehen im Zeichen von Leichtbaustrategie und sparen Transport- und Energiekosten.
Außerdem bindet das Popkorn ab Temperaturen von 70 °C Formaldehyd, wodurch weder bei der Herstellung noch beim Gebrauch dieses Gas freigesetzt wird. Eine Verwendung als Dämmstoff hält der Projektleiter Prof. Kharazipour für möglich, auch wenn natürlich noch weitere Forschung erfolgen muss.
Und genau das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, genau solche Forschung wollen wir bei uns im Land. Wir wollen neue, heute noch unkonventionelle Wege gehen, um nachhaltiges Bauen in Sachsen-Anhalt aus der Nische zu holen. Für unsere Wissenschaft, für unser Handwerk und für unsere Waldwirtschaft sehen wir da großes Potenzial.