Doch auch aus einem weiteren Grund ist die von uns geforderte Erweiterung des Artikels 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes dringend notwendig. Der IDAHOT mahnt zu Recht an, sich nicht mit dem Erreichten zufriedenzugeben. Die gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen uns leider, dass in Zeiten des aufstrebenden Rechtspopulismus
wieder darum gerungen werden muss, das Erzielte zu bewahren und es deutlich zu untersetzen mit einem stabilen Fundament, wie es das Grundgesetz zweifelsohne ist. Umso wichtiger ist es dann, sich in Fragen wie denen nach den Menschenrechten und der Menschenwürde auch ganz unmissverständlich zu positionieren.
Das Unterstützen der Bundesratsinitiative wäre nach unserem Dafürhalten ein sehr, sehr deutliches Signal, ein Ja zu einem uneingeschränkten, einklagbaren Recht auf Menschenwürde, auf die Anerkennung der Person und auf die freie Wahl der Lebensführung. Sie wissen, dass wir diesbezüglich auch eine offene Hausaufgabe haben, nämlich unsere Landesverfassung entsprechend anzupassen.
Seit vielen Jahren setzen sich Vereine und Verbände zum größten Teil ehrenamtlich für die Anerkennung der Diversität sexueller Orientierung und der Geschlechteridentität ein. Auch für ihre Arbeit wäre eine gesetzliche Verankerung im Grundgesetz ein Meilenstein.
Ich möchte auf ein weiteres Thema Bezug nehmen, über das in diesem Hohen Hause schon mehrfach diskutiert worden ist, nämlich auf die Diskussion um den § 175 StGB. Solange dieser unverändert in Kraft war und angewandt wurde, war an eine Rehabilitierung der vor 1945 verurteilten homosexuellen Männer nicht zu denken. Die Verurteilungen von vor 1945 sind erst im Jahr 2002 aufgehoben worden. Anstelle einer individuellen Entschädigung hat der Bund die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gegründet und unterstützt sie auch, nicht nur mit Stiftungskapital. Sie soll unter anderem die Verfolgung der Menschen mit abweichender sexueller Orientierung erforschen und an sie erinnern.
Bis zur Rehabilitierung der nach 1945 verurteilten homosexuellen Männer gingen noch einmal 15 Jahre ins Land. Das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen ist erst im vorigen Jahr, am 22. Juli 2017, in Kraft getreten. Für viele Betroffene und ihre Angehörigen kommt diese Rehabilitation zu spät; sie mussten zeit ihres Lebens mit der Stigmatisierung leben oder schieden, wie wir wissen, freiwillig aus dem Leben. Ein solches Unrecht, meine Damen und Herren, darf sich niemals wiederholen.
Daher ist es umso wichtiger, die Erweiterung des Artikels 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes um die Merkmale der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität zu unterstützen. - Ich bitte
Vielen Dank. - Ihrem Vortrag kann ich entnehmen, dass es offensichtlich mehrere Geschlechter gibt. Dazu habe ich eine Frage. Ich habe schon einmal gehört, dass es wohl an die 20 oder 46 Geschlechter gibt.
Wie viele Geschlechter gibt es Ihrer Meinung nach? Einige konservative Parteien behaupten, es gibt nur zwei. Das würde mich interessieren.
Danke sehr. - Was ich ausschließen kann, ist, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Ich denke, das ist auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal deutlich geworden. Ansonsten empfehle ich immer die Lektüre von wissenschaftlichen Beiträgen; sie trägt ungemein zur eigenen Wissensbildung bei. Dafür sind wir hier untereinander nicht zuständig.
Sie haben diese Beiträge anscheinend gelesen. Mich würde interessieren, welche Erkenntnisse Sie daraus gewonnen haben. Wie viele Geschlechter gibt es nun?
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Selber lesen! - Hendrik Lange, DIE LINKE: Selber lesen! - Sebastian Striegel, GRÜNE: 42! - Lachen bei der AfD - Weitere Zurufe von der LINKEN und von der SPD)
Ich denke, wir sollten es respektieren, wenn die Abgeordnete nicht bereit ist, darauf zu antworten. Wir müssen das dann auch akzeptieren.
Bevor wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen, wird für die Landesregierung Frau Ministerin Keding ihren Beitrag leisten. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Unsere demokratische Gesellschaft lebt davon, dass die Würde aller Menschen unantastbar ist. Weder die sexuelle Orientierung noch die Geschlechtsidentität eines Menschen dürfen Einfluss darauf haben, welche Wertschätzung er genießt, welche Rechte ihm zustehen oder welchen Pflichten ein Mensch genügen muss. Dementsprechend heißt es in Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
Darüber hinaus nennt Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes einige besondere Persönlichkeitsmerkmale wie das Geschlecht, die Abstammung, die Herkunft und den Glauben, die zu keiner Benachteiligung oder Bevorzugung führen dürfen. Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität finden sich nicht unter diesen besonderen Merkmalen. Dennoch sind die Anforderungen an eine rechtliche Ungleichbehandlung, die an eines dieser beiden Kriterien anknüpfen wollte, schon nach der geltenden Rechtslage besonders streng. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei der sexuellen Orientierung um ein Persönlichkeitsmerkmal handelt, das mit den im Grundgesetz genannten Merkmalen vergleichbar ist.
Dabei hat sich das Bundesverfassungsgericht auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bezogen.
Im Einklang mit dieser Rechtsprechung gibt es einen breiten Konsens darüber, dass Menschen in Deutschland vor jedweder Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Identität zu schützen sind.
Unterschiedlich wird allerdings beurteilt, ob es einer Ergänzung des Grundgesetzes zu diesem Behufe bedarf oder nicht. Der Deutsche Bundestag hat sich mit dieser Frage bereits in den Jahren 2010 und 2011 befasst und die Frage nach dem Regelungsbedarf nach eingehender Debatte verneint. Ob es mittlerweile berechtigten Anlass dafür gibt, die Frage anders zu beurteilen, lässt sich nicht einfach feststellen. Das gilt umso mehr, weil
die Bundesratsinitiative des Landes Berlin, auf die sich der hier zu erörternde Antrag bezieht, bislang noch gar nicht vorliegt.
Ich hoffe, dass das Land Berlin die bezeichnete Bundesratsinitiative nun tatsächlich einbringt, damit wir auf einer konkreten Grundlage darüber diskutieren können, ob das Land Sachsen-Anhalt diese unterstützt oder nicht. - Vielen Dank.
Wenn Sie das Grundgesetz genau lesen, sehen Sie, dass dort der Begriff „das Geschlecht“ angeführt wird. Die Verfasser des Grundgesetzes haben diesen Begriff bereits eingeführt. Das Geschlecht darf keinen Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung sein. Die Verfasser des Grundgesetzes haben sich damals schon nicht festgelegt.
Die binäre Einteilung, von der Frau von Angern geredet hat, bezieht sich auf das Bilden von Oberbegriffen. Wir sehen heute, dass wir weiter differenzieren wollen und müssen. Mit den beiden Oberbegriffen „Mann“ und „Frau“ kommen wir heute nicht mehr weiter.
(Daniel Roi, AfD: Wie viele gibt es denn nun? - Aha! bei der AfD - Eva von Angern, DIE LINKE: Sie haben den Ansatz nicht verstanden!)
Sehr geehrte Frau Ministern, ich möchte Sie darum bitten, zu begründen, warum wir mit der bisherigen Geschlechtereinteilung nicht weiterkommen und warum das Grundgesetz verändert werden muss, wenn doch die Leute, die differenzieren wollen, sich noch nicht einmal darin einig sind, ob es 40, 50 oder 60 Geschlechtstypen gibt, weil diese von der Stimmungslage und von der persönlichen Einstellung abhängig sind.
Gesetze müssen eindeutig sein. Wenn man die Unterteilung nach Geschlechtern im Grundgesetz verbietet, sie gar nicht in das Grundgesetz aufnimmt, weil man sagt, unabhängig vom Geschlecht müssten die Regelungen gelten, dann müssen Sie mir einmal begründen, warum man eine solche differenzierte Einteilung im Grundgesetz vornehmen muss. Dann können Sie auch 30 Geschlechter aufzählen. Das ist doch unlogisch.
Ich bitte Sie als Jurist darum, sich dazu zu äußern, warum wir jetzt das differenzieren sollen, was die Väter des Grundgesetzes extra nicht differenziert haben, um eine Diskriminierung zu vermeiden.
Erstens. In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es, alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes besagt, es darf keine Differenzierung und keine Benachteiligung oder Bevorzugung an das Merkmal des Geschlechts anknüpfen. Es wird nicht gesagt, ob es zwei Geschlechter gibt. Es geht um das Merkmal des Geschlechts. Das ist das Eine.