Das war und ist Anlass in der Stadt Köthen, auf sehr unterschiedliche Weise Gesicht zu zeigen, Gesicht zu zeigen gegen rechtes Gedankengut und zu zeigen: Nazis sind hier unerwünscht.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass unterschiedliche Menschen unterschiedlich trauern und sich unterschiedlich ausdrücken. Die von der Evangelischen Landeskirche und dem Pfarrer der St.-Jakobus-Kirche in Köthen sehr schnell organisierten Friedens- und Gedenkgebete sind dabei genauso wertvoll und zu achten wie der demokratische Protest mit Kundgebung und Demozug.
Ich selbst habe mehrfach an den Gebeten in der St.-Jakobus-Kirche teilgenommen und auch an der Malaktion auf dem Köthener Markt. Ich habe aber auch am Protestzug teilgenommen. Alle friedlichen Arten, sich mal still, mal lauter, mal schwarz gekleidet, mal bunt gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft zu stellen und zu positionieren, sind mir persönlich und uns GRÜNEN willkommen und werden von uns unterstützt. Grundvoraussetzung: Man muss sich rechtskonform verhalten und es muss friedlich sein.
Wir GRÜNE stehen dabei sehr klar an der Seite der Zivilgesellschaft. Wir sehen uns als Teil von ihr. Wir stehen an der Seite von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für das demokratische Sachsen-Anhalt einsetzen, Menschen, klar und offen, die sich jeden Tag für ein friedliches Miteinander in Sachsen-Anhalt engagieren. Wenn sich auch manche in ihren rechtsextremen Filterblasen angesichts von bundesweit herangekarrten Neonazis besoffen reden - sie sind die Minderheit.
Die übergroße Mehrheit der Menschen in diesem Land ist tolerant und offen. Die übergroße Mehrheit in diesem Land ist nur leider etwas leise.
Es sind Menschen wie die Rentnerin, die auf die Kinder aufpasst, wenn deren afghanische Mutter zum Deutschunterricht geht. Es ist die Hausfrau, die im Mehrgenerationenhaus einen internationalen Kochkurs organisiert. Es ist der Nachbar, der den syrischen Flüchtling zum Fußballtraining mitnimmt. Es sind die Schüler, die sich megakreativ für das Label „Schule ohne Rassismus“ einsetzen. Es sind all die Menschen, die Friedenstauben auf den Köthener Marktplatz malen, um ihn demokratisch zu besetzen. Es ist der Inhaber der Reinigungsfirma, der sich für seine indischen Mitarbeiter einsetzt. Es sind die Männer, die sich unabhängig von ihrem eigenen Glauben eine Kippa aufsetzen, um zu zeigen: Wir üben Solidarität. Es sind die Hochschullehrer, die ihre weltoffene Kleinstadt vor Nazikonzerten schützen wollen.
Das, werte Abgeordnete, ist die übergroße Mehrheit in Sachsen-Anhalt. Das ist das demokratische Sachsen-Anhalt, für das wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uns einsetzen. Und an der Seite dieser Menschen stehen wir.
Wir Deutsche können arg stolz sein auf das, was wir nach dem Zweiten Weltkrieg an demokratischen Strukturen aufgebaut haben. Unsere Ver
fassung, das Grundgesetz, ist zutiefst human. Alle Angriffe gegen die freie humanistische Gesellschaft sind offensiv hervorzuheben, sind offensiv zu verurteilen. Alle Menschen, die sich klar gegen solche Angriffe stellen, haben unsere Solidarität.
Dass die AfD Teil derjenigen ist, die diese unsere verfassungsrechtlichen und menschlichen Werte mit Füßen treten, war schon länger klar.
Das ist aber durch den offenen Schulterschluss in Chemnitz und in Köthen mit gewaltbereiten Hooligans, mit Pegida, mit Vertretern der Identitären Bewegung oder der 1 %-Bewegung offensichtlich geworden.
(Tobias Rausch, AfD: So ein Müll! - Robert Farle, AfD: Dass Sie dabei nicht rot werden, bei diesen Lügen!)
Da hilft es auch nichts, dass die Patriotische Plattform sich auflöst. Nach eigener Aussage geschieht das ja nur, weil die Ziele in der Gesamtpartei bereits durchgesetzt und erfolgreich verankert worden sind.
Sehr geehrte Damen und Herren! Alle friedlichen und fantasievollen Mittel und Aktionen sind wertvoll und zu unterstützen, um unsere weltoffenen Werte nach außen zu tragen und deutlich klare Kante gegen Faschisten und Populisten zu zeigen. Es gilt heute wie 1928: Wehret den Anfängen! Für ein demokratisches Sachsen-Anhalt!
Ein bisschen spät, aber, Frau Lüddemann, es haben sich doch noch zwei Interessenten gemeldet. - Als Erster hat Herr Raue das Wort.
Frau Lüddemann, Sie sagten sinngemäß - so leiteten Sie ein -, es mache sie traurig, dass ein Mensch in Köthen gestorben ist. Das sagen Sie sehr ruhig und schön sachlich. Dann steigern Sie sich: Es mache sie aber traurig und wütend - und sie steigern sich richtig hinein, als wäre genau das der Skandal, um den es geht -,
dass Bürger sich versammeln und gegen den Tod, gegen den gewaltsamen Tod eines ihrer Landsleute durch Asylbewerber demonstrieren und diesen betrauern. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Das ist eben Ihre Zweideutigkeit. Für mich ist es ja eindeutig,
Das ist Ihre Art und Weise, zwischen deutschen Bürgern und ausländischen Bürgern zu differenzieren. Sie machen sich zur Lobbypartei für Ausländer und die Sorgen und Nöte ihrer eigenen Landsleute verdrängen Sie. Aber, Frau Lüddemann seien Sie nicht traurig, die wählen Sie auch nicht mehr.
Wenn es denn so gewesen wäre, dass es bei diesem Demo-Zug - das habe ich in vielen Interviews seit dieser schrecklichen Nacht in Köthen gesagt -, ausschließlich um Trauer gegangen wäre, wäre das ja in Ordnung. Ich habe extra gesagt: Alles, was friedlich ist und was wirklich auf dem Boden des Rechtsstaates funktioniert, ist in Ordnung. Aber darum ging es nicht.
Es ist von der Kollegin Quade ausgiebig ausgeführt worden; ich hätte das sonst auch noch gesagt: Die berühmt gewordene Jenny, der Kollege Köckert aus Thüringen - Ihr Kollege, nicht meiner, um das noch einmal klarzustellen -, das hatte doch nichts mehr mit dem Tod dieses jungen Mannes zu tun. Da ging es nicht um die Trauer der Familie; da ging es um ganz andere Dinge. Das haben Sie doch nur als Vorwand genutzt, um ihre ganzen rassistischen, völkischen Thesen mal wieder in die Welt zu setzen. - Das verurteile ich. Das ist einer demokratischen Partei unwürdig.
Noch einmal für Sie zum Verständnis: Der Kollege Köckert, den Sie als Kollegen bezeichnet haben, hat mit den Demonstrationen, die am Montag und am Sonntag von uns entweder organisiert oder unterstützt wurden, überhaupt nichts zu tun, und er ist auch nicht auf diesen Veranstaltungen gewesen. Frau Lüddemann, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, und versuchen Sie nicht ständig, alles in einen Topf zu werfen, wie es der Innenminister versucht.
Dann haben Sie gerade davon gesprochen, dass Sie für die große Mehrheit in diesem Land und für die Zivilgesellschaft stünden. Sie als Frau Lüddemann, Sie als GRÜNE stünden für die Mehrheit. Das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl in Köthen betrug für die GRÜNEN 2,6 % - so viel zur Mehrheit. Die AfD hatte 21,1 %. - Das einmal zu den Fakten.
Nur, damit wir einmal darüber reden, was Sie hier immer als Mehrheit bezeichnen. Vor allem will ich mich auch dagegen verwahren, dass Sie uns hier ständig über Demokratie belehren und uns ständig zur Abgrenzung auffordern. Wir haben ein Programm, eine Satzung und auch Pressemitteilungen zu Köthen.
Daraus können Sie klar sehen, wie unser Verhältnis zum Extremismus ist. Sie als GRÜNE hingegen haben ein ungeklärtes Verhältnis.
Wir stellen, wie es gestern auch in der EnqueteKommission gesagt wurde, fest, dass es dort eine Erosion der Abgrenzung gibt; denn Sie unterzeichnen regelmäßig Bündnisse mit Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden,
die daran arbeiten, diesen Staat zu überwinden, zum Beispiel die Interventionistische Linke, mit der Sie gemeinsame Sache machen, mit der Sie gemeinsame Veranstaltungen machen, mit der Sie gemeinsam auf Listen stehen und Bündnisse unterstützen.
Zum Thema Extremismus, Frau Lüddemann: Kümmern Sie sich mal darum und dann können wir noch einmal über Demokratie und Extremismus reden. - Vielen Dank.
Herr Roi, Sie legen immer großen Wert darauf, dass wir Ihnen zuhören und dass wir jedes Wort zur Kenntnis nehmen. Dann bitte ich Sie, hören Sie sich meine Rede noch einmal an. Ich habe
extra gesagt, wir stehen an der Seite der Zivilgesellschaft. Wir als GRÜNE stehen an der Seite der Menschen, die die übergroße demokratische Mehrheit in diesem Land bilden.