Protokoll der Sitzung vom 25.10.2018

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD hat diesen Gesetzentwurf wieder zurückgenommen, aber an ihrer Haltung ändert das nichts. Wir nehmen hierbei die Kanzlerin beim Wort, die eine vernünftige Lösung zugesagt hat: Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte auf der einen Seite und objektive gute Informationen für Frauen auf der anderen Seite. Ich sage es auch ganz deutlich: Diese Lösung gibt es nur, wenn im Ergebnis die Strafbarkeit für Ärztinnen und Ärzte bei objektiver Information aufgehoben wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Es gibt dafür auch gute verfassungsrechtliche Gründe. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2006 erkannt:

„Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchsetzung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können.“

Das heißt, das ist auch verfassungsrechtlich abgedeckt. Die Norm ist verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Sie schränkt die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten ein. Sie schränkt die Meinungsfreiheit ein und auch den Zugang zu Informationen, die die gesundheitliche Selbstbestimmung und das Recht auf freie Arztwahl zur Voraussetzung haben.

§ 219a ist nicht nur eine Norm, die aus dem Jahr 1933 stammt, sondern sie stammt aus einer Zeit, in der sich die Rechte noch nicht so weit entwickelt hatten im Hinblick auf Informationsmöglichkeiten für Ärzte. Deshalb ist es geboten, diese Regelung zu streichen, um Frauen in einer Notsituation

Frau Abg. Kolb-Janssen.

- ich komme zum Schluss - die wichtigen Informationen zu geben und ihnen zu ermöglichen, dass

sie diese im Rahmen Ihrer Patientinnenrechte tatsächlich auch einfordern können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Cor- nelia Lüddemann, GRÜNE, und von Sieg- fried Borgwardt, CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Es gibt hierzu keine Fragen. - Die nächste Debattenrednerin wir die Abg. Frau Funke für die AfD-Fraktion sein. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was tun bei ungewollter Schwangerschaft, zum Beispiel bei kriminologischen oder medizinischen Indikationen, für Frauen in besonderen Abhängigkeitslagen, bei Minderjährigen oder Frauen in Ausnahmesituationen? Der Gesetzgeber hat mit den § 218 ff. Regelungen geschaffen, die das Ergebnis einer umfassenden und verfassungsrechtlich schlussendlich gesicherten Diskussion darstellen.

In seiner Entscheidung im Band 88 auf Seite 203 hat das Bundesverfassungsgericht im Grunde unter Nr. 1 ausgeführt:

„Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen.“

(Zustimmung bei der AfD)

Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu. In Abwägung der bestehenden Menschenrechte des Kindes wie auch der Mutter muss dafür zwingend eine Beratung stattfinden, die zum Ziel hat, dass die Schwangere ihr Kind austrägt; und das ist auch gut so.

Die unterschiedlichen Notlagen der Frauen sollen durch die Beratung entschärft werden; soweit die Situation.

Nun stellt DIE LINKE den Antrag auf ersatzlose Streichung des § 219a - Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft. Dieser Antrag ist meines Erachtens inhaltlich falsch. Denn wie verhindert ein Werbungsverbot für Abtreibungen die neutrale Aufklärung, die sowieso gesetzlich vorgeschrieben ist? Woher kommt die - ich zitiere Ihren Antrag - „erhebliche Rechtsunsicherheit bei Ärztinnen und Ärzten sowie bei Beratungsstellen“, die Sie hier unterstellen?

Unter dejure.org werden lediglich acht justiziable Entscheidungen zwischen 1985 und 2018 aufgeführt. Nach Ihrer Logik wären dann in den letzten 33 Jahren - nehmen wir die Quote von 100 000 Schwangerschaftsabbrüchen pro Jahr an, die es

momentan gibt - 3,3 Millionen Beratungen nicht richtig durchgeführt worden. Für mich ist das heute eine ziemlich falsche und zudem überflüssige Diskussion.

Erstens. Wenn Sie einmal „Schwangerschaftsabbruch“ gegoogelt haben, finden Sie sehr schnell einen Überblick und Informationen über Schwangerschaftsabbrüche von der AWO bis Pro Familia, über die Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, die Kosten und welche Schritte Sie zuerst gehen müssen usw. Auf der Seite profemina.org

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Eva von Angern, DIE LINKE: Das ist nicht das Problem!)

finden Sie sogar einen Online-Abtreibungstest. Das sollte den Kindern und Jugendlichen im Zuge der Aufklärung in Schule und Erziehung heutzutage aufgezeigt werden. Ich habe mir das alles durchgelesen. Da wird es einem ein bisschen anders, weil die Methoden auch haargenau beschrieben werden. Das sollte heutzutage eher in der Schule aufgezeigt werden und nicht, warum Chantal zwei Väter hat.

Zweitens. Haben sich durch diesen Paragrafen die Lebensumstände der Familien irgendwie geändert? - Nein. Kinder stellen leider immer noch ein Armutsrisiko in unserem Land dar. Das ist doch das entscheidende Problem. Ihre Parteien haben in den letzten Jahrzehnten nichts dafür getan, dass sich der demografische Wandel umkehrt, indem auch den alleinerziehenden Eltern eine Perspektive mit kostenlosen Kitas und Bildungsangeboten oder kostenlosen Kinderbespeisungen gegeben wurde.

Im Gegenteil, Verbesserungen, die unsere Fraktion bereits mehrfach eingebracht hat, wurden durch Sie alle vom Tisch gewischt. Ihr Antrag ist also reine Polemik, entspricht aber dem ideologischen Sinn der 68-er. In diesem Sinne bin ich froh, dass der Gesetzgeber diese Regelung geschaffen hat, meine Damen und Herren.

Abg. Frau Funke, Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.

Jawohl. - Eine Empfehlung an die Regierungsfraktionen und DIE LINKE: Fangen Sie endlich an, die versprochene Politik für die Familien und für eine Willkommenskultur für Kinder umzusetzen. Alle Förderungen von Surrogaten in Form von Zuwanderungen sind Irrwege.

Die AfD lehnt diesen Antrag ab.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ganz klar, es geht heute nicht um den § 218, es geht heute um Informationen zur aktuell gültigen Rechtslage im Bereich Schwangerschaftsabbruch.

Es gibt eine Mehrheit im Bundestag, die möchte die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte stärken. Die möchte die Reproduktionsrechte der Frauen stärken. Die möchte das Informationsrecht von Patientinnen und Patienten stärken; denn es sind auch Männer betroffen. Und es gibt eine Minderheit im Bundestag, die anscheinend tatsächlich glaubt, klare Informationen könnten Schwangere und ihre Partner quasi dazu verführen, einfach mal eben so abzutreiben.

Oder es wird unterstellt, Ärztinnen und Ärzte würden aus Gewinnerzielungsabsichten für Schwangerschaftsabbrüche werben. Für mich ist es - Sie merken es auch an meiner emotionalen Angefasstheit - wirklich unglaublich, dass angenommen wird, Schwangerschaftsabbrüche seien werbefähig. An dieser Stelle fehlt mir tatsächlich jegliche Fantasie. Wohin sollte das Ihrer Meinung nach führen? Zwei zum Preis von einer? Ich bin wirklich fassungslos.

Aktuell stehen wieder zwei Ärztinnen und Ärzte in Hessen vor Gericht, die auf ihrer Homepage lediglich einen kurzen Satz stehen hatten, der darüber informiert hat, dass sie Abtreibungen anbieten. Alleine das erfüllt vermutlich nach aktueller Gesetzeslage schon den Tatbestand nach § 219a.

Das ist aus meiner Sicht ein schlechter Witz, ein bitterer Witz auf Kosten schwangerer Frauen und ihrer Partner. Diesen Frauen, die sich in den allermeisten Fällen in einer extremen Notlage befinden, Informationen vorzuenthalten und ihnen extragroße Steine in den Weg zu legen, das ist aus meiner Sicht nach gängiger Rechtslage zwar richtig, aber trotzdem ein Eingriff in ihr ureigenes Selbstbestimmungsrecht.

Mein Körper - meine Entscheidung. Auf diesen kurzen und klaren Nenner bringe ich die Situation. Ich kann mich dem Richter Johannes Nink nur anschließen, der im aktuell abgeschlossenen Berufungsverfahren gegen § 219a und die verurteilte Ärztin Hänel sagte: „Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf für ein besseres Gesetz.“

Es kann und darf nicht sein, dass selbsternannten Lebensschützern, christlichen Fundamentalisten

und reaktionären Antifeministinnen mit dem bestehenden § 219a die Möglichkeit eröffnet wird, redliche Ärztinnen und Ärzte mit Klagen zu überziehen und sie zu kriminalisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf der Webseite eines solchen selbsternannten Lebensschützers findet sich eine Liste von über 170 Ärztinnen und Ärzten, die er bereits verklagt hat. Es werden nicht nur Ärztinnen und Ärzte damit geschädigt, sondern es schreckt auch andere ab, diese Leistungen anzubieten.

Wir haben schon eine deutliche Ausdünnung des entsprechenden ärztlichen Angebots festzustellen. Der Berliner Senat hat eine Übersicht über Ärztinnen und Ärzte veröffentlicht, die Abtreibungen anbieten.

Ich finde, es ist ein richtiger Schluss, als Politik zu zeigen: Wir stehen an der Seite der Ärztinnen und Ärzte, die sich hierbei im Sinne der Frauen verwenden. Ich sage ganz klar: Die Zeit des § 219a StGB ist abgelaufen. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies schnell in der Gesetzgebung niederschlagen wird. Mein Körper - meine Entscheidung.

Frau Lüddemann, Sie haben Ihre Redezeit bereits überzogen.

Da wir - das ist aus den Redebeiträgen bereits deutlich geworden und es werden hier noch andere Redebeiträge folgen - auch in der Koalition noch Redebedarf haben, bitte ich um Überweisung in den Rechtsausschuss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Kolze. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Redezeit von drei Minuten ist eigentlich viel zu kurz, um über so ein komplexes Thema wie die Abschaffung des § 219a des Strafgesetzbuches zu sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Trotzdem versuche ich, in aller Kürze die für mich wichtigen Punkte darzustellen. Wie Sie wissen, steht das „C“ in CDU für „Christlich“. Das stellt eine wunderbare Überleitung dar, um direkt zum

Knackpunkt der Debatte um die Abschaffung des Werbeverbotes zu kommen.

In einer christlichen Zeitschrift las ich zu diesem Thema den Satz: