Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

Ich kann mir nur vorstellen, dass er das macht, wenn der Leidensdruck groß genug ist, weil er im Betrieb schlecht behandelt wird. - Danke.

(Unruhe)

Frau Hildebrandt, kommen Sie noch einmal ans Mikrofon. Ich werde darum bitten, dass die Abgeordneten Disziplin wahren. Sie haben noch einmal das Wort, Frau Hildebrandt.

Das fällt hier etwas schwer. - Also noch einmal: Ein Jugendlicher wechselt doch nicht aus Jux und Tollerei seinen Ausbildungsbetrieb.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Doch! - Zu- ruf von André Poggenburg, AfD)

Er hat doch dann den Bruch im Lebenslauf und wird immer den Makel haben, du hast mal dort angefangen und bist dann woanders hingegangen. Deswegen wird wahrscheinlich keiner bloß aus Spaß an der Freude wechseln. Wie ist denn Ihre Einstellung dazu? - Das klang vorhin in Ihrer Rede ein bisschen missverständlich.

„Aus Jux und Tollerei“ ist eine Formulierung, die ich so nicht sagen würde. Aber es ist doch ganz menschlich, dass man sich in einer Lebenssituation befindet und schaut, wie komme ich mit der Lebenssituation klar.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Wenn sich eine andere Chance bietet - das ist gar nicht böse gemeint -, dann ergreife ich sie, weil ich meine, vielleicht ist der Beruf besser, vielleicht passt er besser zu meiner Person, vielleicht ist er besser bezahlt, vielleicht ist der Ausbildungsbetrieb schöner. Ich finde, das ist eine ganz normale Geschichte. Das ist auch nicht schlimm.

(Zustimmung bei der CDU und von André Poggenburg, AfD)

Damit gehen junge Menschen um. Ihnen geht es wie uns allen. Dann nutzen sie diese Chance. Ich finde es nicht schlimm, wenn sich ein junger Mensch umentscheidet. Das ist okay.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist der Un- terschied zwischen Theorie und Realität!)

Herr Meister, Herr Thomas hat sich noch zu Wort gemeldet.

Eine weitere Frage, oh. Ich bin mir gar nicht bewusst, etwas so Epochales gesagt zu haben. Das ist ja toll.

Herr Thomas, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Meister, ich habe Ihnen eben genau zugehört. Sind Sie denn mit mir einer Meinung, dass der Fall, den wir gerade von den LINKEN gehört haben, dass jemand seine Ausbildung abbricht und sich für etwas anderes entscheidet, was wir nicht schön finden, aber was ja sehr oft passiert, ein Stück weit die Lebenswirklichkeit abbildet?

Sind Sie auch der Meinung, dass die Ansicht, das sei ein Lebensbruch, heutzutage ein Stück weit antiquiert ist, weil es Teil des normalen Lebens ist? - Denn wir wissen ja, kaum jemand, der hier im Plenarsaal sitzt, übt noch den Beruf aus, den er einmal gelernt hat.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Na ja, das liegt ja nahe!)

Das ist richtig, das weiß ich aus meinem persönlichen Erleben. Ich habe einmal Elektriker gelernt.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ein ehrbarer Beruf!)

Ich habe den Beruf nicht sonderlich lange ausgeübt. - Das ist ein ehrbarer Beruf, dagegen kann man nichts sagen. - Trotzdem hat mich das Leben an andere Stellen gebracht. Das ist normal. Das ist okay.

Weitere Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Meister für die Ausführungen. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Steppuhn. Herr Steppuhn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer die Anzahl der Ausbildungsabbrüche reduzieren will, der muss die Berufsausbildung attraktiver machen. Das ist die eindeutige Botschaft dieser in den Ausschüssen erarbeiteten Beschlussempfehlung.

Konkret, meine Damen und Herren, heißt dies, die Rahmenbedingungen, unter denen junge Menschen eine Berufsausbildung absolvieren, müssen deutlich verbessert werden. Denn nur mit attraktiven Ausbildungsplätzen gewinnt man Fachkräfte, die im Handwerk, in der Dienstleistungsbranche und in vielen anderen Bereichen für die Zukunft benötigt werden.

Schon heute fehlen dem Handwerk die Elektriker und der Gastronomie die Köche. Nur mit einer deutlichen Aufwertung unseres dualen Ausbildungssystems kann dies in der Konkurrenz zu einem Studium zukünftig bestehen. Deshalb lassen Sie mich einige Punkte nennen, die dafür wichtig sind.

Die Frau Ministerin hat es bereits angesprochen; wir brauchen die Einführung einer gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung von mindestens

635 € im ersten Ausbildungsjahr.

(Zustimmung von Doreen Hildebrandt, DIE LINKE, von Dagmar Zoschke, DIE LINKE, und von Andreas Höppner, DIE LINKE)

Damit sind wir sehr nahe bei der Forderung der Gewerkschaften. Mit Billiglöhnen für Auszubildende kann man keinen jungen Menschen für die berufliche Zukunft begeistern. Deshalb setzen wir auf eine schnelle Umsetzung der Koalitionsvereinbarung in Berlin.

Der nächste Punkt ist: Die Einführung - das ist auch genannt worden - eines Azubi-Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr muss kommen. Das duldet keinen Aufschub mehr. Dies sehen mittlerweile fast alle in diesem Land so. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir noch in dieser Legislaturperiode den Einstieg schaffen.

Die im Landeshaushalt vorgesehene Erhöhung des Budgets für Fahrtkostenerstattungen und Internatsunterbringung von 120 000 € auf 3 Millionen € ist ein erster richtiger Schritt und entlastet junge Menschen unmittelbar von den gestiegenen Kosten für die Mobilität.

Des Weiteren brauchen wir eine Modernisierung der beruflichen Bildung. Hierzu gehört eine Ausstattungsoffensive bei den Berufsschulen inklusive einer Stärkung der digitalen Kompetenzen. Meine Damen und Herren! Auch bei Berufsschulen gilt: Moderne Schulen sind die Grundlage für gute Bildung.

Auch die Einhaltung von Schutzvorschriften bei der Ausbildung hat etwas mit der Qualität der Berufsbildung zu tun. Dieses hat uns jüngst der Ausbildungsreport der DGB-Jugend erst wieder vor Augen geführt.

Junge Menschen, meine Damen und Herren, müssen auch Spaß und Freude an ihrem zu erlernenden Beruf haben und dürfen nicht schon während ihrer Ausbildung durch Ausbeutung und Überstunden abgeschreckt werden.

Herr Kollege Poggenburg, auch die Zeiten, in denen man Lehrlinge mit Hieben bearbeitet hat, sind vorbei.

(Ach! bei der AfD - Zuruf von André Pog- genburg, AfD)

Der letzte Punkt, meine Damen und Herren, der wichtig ist: Wir setzten auch für die Zukunft auf eine frühzeitige Berufsorientierung. Gerade bei den Gymnasien gibt es diesbezüglich noch Luft nach oben.

(André Poggenburg, AfD: Das ist SPD! - Zuruf von Mario Lehmann, AfD)

Entsprechende Programme sind vorhanden und müssen zielgerichtet ausgebaut werden.

In diesem Sinne bitte ich um ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. - Danke schön.

Herr Steppuhn, Herr Loth hat sich zu Wort gemeldet. Möchten Sie antworten, falls er eine Frage stellt? - Herr Loth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Steppuhn, an welcher Stelle sprach Herr Poggenburg von Prügelstrafe? Explizit bitte.

(André Poggenburg, AfD: Das würde ich auch gern einmal wissen!)

Er hat das an keiner Stelle gesagt, aber ich kann mir das bei der AfD vorstellen.

(Lachen bei und Zurufe von der AfD)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Steppuhn für die Ausführungen. - Herr Steppuhn, Herr Philipp hat sich noch zu Wort gemeldet. Würden Sie noch einmal nach vorn kommen? - Herr Philipp, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Steppuhn, Sie bezeichnen ja die Mindestausbildungsvergütung

als ein wichtiges Kriterium, um dem Abbruch einer Lehre entgegenzuwirken. Die Attraktivität müsse größer sein. Gleichzeitig beklagen das Handwerk und die Industrie eine hohe Abiturquote und mit dieser hohen Abiturquote auch eine hohe Akademisierung der Gesellschaft.

Sagen Sie mir doch bitte einmal: Wie hoch ist eigentlich die Mindestausbildungsvergütung der Studenten im ersten Semester? - Denn ich kann mir gar nicht erklären, warum man studiert. Mir ist gar nicht bekannt, dass dafür eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird. Können Sie mir einmal erklären, wie das funktioniert?

Wir wissen ja - darüber haben wir in den Ausschüssen diskutiert und das ist ja auch gar nicht schlimm -, dass immer mehr junge Menschen das Abitur machen wollen, dass sie studieren wollen. Aber das, wofür wir sorgen müssen, ist, dass auch eine Ausbildung im Handwerk so attraktiv ist, dass sie als Alternative angesehen wird.

Herr Steppuhn, Herr Philipp hat noch eine Nachfrage.