Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

Ja. - In der Debatte wird zum Teil geäußert, dass es eigentlich überhaupt kein Problem sei, alles fünf, sechs oder sieben Jahre nach vorn zu ziehen und dafür dann Entschädigungen auszuzahlen oder Sozialpläne aufzulegen. Sie haben vorhin den Gesichtspunkt Klimaschutz sehr stark betont. Dazu war meine Frage: Halten Sie es für verantwortbar, konkret für Sachsen-Anhalt die Planung dahin gehend zu korrigieren, den Ausstieg nach vorn zu ziehen?

Nein. In dem Fall halte ich es für verkehrt, den Ausstieg nach vorn ziehen. Das ist nicht regelbar.

Vielen Dank. - Frau Frederking hat sich auch zu Wort gemeldet. Bitte, Frau Abg. Frederking.

Ich möchte auch etwas zum Braunkohleausstieg fragen. In Ihrem Redebeitrag habe ich Ihre Zuversicht wahrgenommen, dass der Braunkohleausstieg gelingen kann. Allerdings haben Sie auch die Bedingung daran geknüpft, es müsse sozialverträglich sein, wobei Sie an einer anderen Stelle in Ihrer Rede auch gefragt haben: Was ist sozialverträglich? - Ich weiß nicht, ob Sie diese Frage an andere gerichtet haben oder sie für die eigene Reflexion gedacht war.

In Nordrhein-Westfalen - das haben wir heute auch schon gehört - schließt in diesem Jahr die letzte Steinkohlenzeche. Im Jahr 2007, dem Jahr der Entscheidung zum Ausstieg aus der Steinkohle, gab es noch 33 000 Beschäftige im Steinkohleabbau. Innerhalb der elf Jahre von 2007 bis 2018 gab es keine Entlassungen. Die Leute sind entweder altersbedingt ausgeschieden oder haben sich andere Jobs gesucht.

Meine Frage an Sie, mit der ich auf diese elf Jahre fokussiere und nicht auf das, was früher im

Ruhrgebiet war, ist Folgende: Würden Sie das als sozialverträglich bezeichnen?

Herr Höppner, bitte.

Sozialverträglichkeit kann man aus der betrieblichen Sicht sehen, also hinsichtlich der Arbeitsplätze. Das ist durch Sozialpläne und ähnliche Dinge lösbar. Wir haben das schon erlebt. In der Braunkohle hatten wir weit mehr als 100 000 Beschäftige und liegen jetzt deutschlandweit bei insgesamt rund 20 000 Beschäftigten. Da haben wir schon einen Strukturwandel erlebt und auch begleiten müssen und dürfen. Das ist die erste Schwierigkeit, die behoben wurde.

Es reicht aber nicht, dass man sagt: Die Beschäftigten bekommen andere Möglichkeiten bzw. sie scheiden durch Sozialpläne oder durch einen Übergang in die Rente aus dem betrieblichen Alltag aus, sondern es muss natürlich auch eine Perspektive für die Nachfolgenden geben. Es reicht bei Weitem nicht aus, nur Arbeitsplätze sozialverträglich abzuschaffen, sondern die Perspektive muss lauten: Man braucht neue, andere Alternativen. Das betrifft auch die regionale Entwicklung.

Man kann nicht einfach einen Betrieb rausnehmen; denn dann haben wir das Problem wie bei anderen großen Unternehmen, dass dort regionale Strukturen zusammenbrechen, dass die Menschen dort höhere Energie- und Wasserpreise bezahlen müssen usw. usf. Das wollen wir nicht. Es muss strukturiert sein. Deswegen muss dieser Fakt auch alles beinhalten. Die Sichtweise ist nicht nur der reine Arbeitsplatz, sondern Fragen sind auch: Was kommt danach? Welche Arbeitsplätze kommen danach? Was passiert regional?

(Zustimmung von Guido Henke, DIE LIN- KE)

Vielen Dank, Herr Höppner. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Somit spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abg. Frau Lüddemann.

Bevor ich Frau Lüddemann das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule aus Großkorbetha recht herzlich bei uns im Hohen Hause zu begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sie haben jetzt das Wort, Frau Abg. Lüddemann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist aus Mut geboren. Wir sind im Jahr 1989 auf die Straße gegangen und haben die friedliche Revolution zum Erfolg geführt, weil wir uns nicht von Zögerern, Unkenrufen oder Bedenkenträgern haben kirre machen lassen.

(André Poggenburg, AfD: Wie die AfD heu- te!)

Es galt, die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder zu sichern.

(André Poggenburg, AfD: Wie die AfD heu- te!)

Ein klares Ziel und der Wille, etwas dafür zu tun - das ist der Schlüssel zum Erfolg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch heute brauchen wir wieder Mut: Mut für Sachsen-Anhalt. Der Braunkohleausstieg muss als ein Baustein im großen Kampf gegen die Klimakatastrophe gemeistert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch heute gilt es wieder, die Zukunft unser Kinder und Kindeskinder zu sichern. Der Umgang mit der Klimakatastrophe entscheidet über unsere Zukunft und unseren Wohlstand.

Ich will, dass Sachsen-Anhalt ein Musterland für erneuere Energien wird. Ich will, dass wir den Strukturwandel als Chance sehen, unsere Infrastruktur zu modernisieren und unsere Bildungslandschaft auszubauen. Ich will neue und zukunftsfähige Jobs für Sachsen-Anhalt. Dafür brauchen wir eine bessere Infrastruktur. Dabei ist es absolut sinnvoll, auf öffentliche Transportsysteme und nicht auf das Auto zu setzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen ein schnelles Internet, um die Digitalisierung in allen Lebensbereichen voranzutreiben, für moderne Arbeitsplätze, für interaktiven Schulunterricht, für die Telemedizin oder für ein verstärktes E-Government. Die Erforschung künstlicher Intelligenz oder von Speichertechnologien soll in Sachsen-Anhalt stattfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ulrich Thomas, CDU: Muss aber auch bezahlbar sein!)

Wir brauchen einen Geist des Machbaren und nicht das Verharren im Früher. Wir brauchen mehr Mut zum Ausprobieren sowie einen modernen Wissenscampus in Mitteldeutschland, der Hochschulen mit Unternehmen und Start-ups zusammenführt und der die Chancen des Burgenlandkreises mit seiner Nähe zu Jena, Halle oder Leipzig effektiv nutzt.

Sachsen-Anhalt ist wie dafür gemacht, Arbeits- und Lebensort der Zukunft zu sein. Ich sehe uns als einen Standort von Batteriefabriken, von Netzdienstleistungen, einer Kreislaufwirtschaft - insbesondere in der Chemieindustrie -, eines Kompetenzzentrums für Renaturierung, einer Drehscheibe für den Schienengüterverkehr und für einen nachhaltigen Tourismus.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Im gesamten Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten in Sachsen-Anhalt mehr als 20 000 Menschen. Wer die Klimakrise leugnet oder den Ausbau der erneuerbaren Energien verschleppt, der riskiert die Existenz dieser Menschen und von deren Familien.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir brauchen selbstverständlich eine Unterstützung vom Bund. Es muss klar sein, dass alle in der Bundesrepublik gemeinsam die Kosten des Strukturwandels tragen müssen. Die Fehler des Ruhrgebietes dürfen sich in Sachsen-Anhalt und in Mitteldeutschland nicht wiederholen. Es muss aber ebenso klar sein, dass die Gelder nicht als Gewinne in die Unternehmen fließen dürfen,

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

sondern dass sie dort ankommen müssen, wo die Menschen leben. Sie müssen tatsächliche Perspektiven in Zukunftsbranchen für die Menschen in Sachsen-Anhalt schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde keine Kraft dafür vergeuden, den Kohleausstieg zu verschleppen und das Klima weiter zu schädigen. Ich will alle Zeit, alle Kreativität sowie alle verfügbaren Steuergelder und Kompetenzen in Zukunft und Innovation investieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Vorstellung ist die Vorstellung von einem Sachsen-Anhalt als Land für alle. Wir GRÜNE stärken und stützen alle Menschen, die engagiert und offen ihre Zukunft in Sachsen-Anhalt vorantreiben,

(Zuruf von Lars-Jörn Zimmer, CDU)

die mutig für Neues sind und mit weltoffenem Blick nicht reden, sondern machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie uns nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen. Lassen Sie uns mit Mut im Herzen und Klugheit im Kopf auf die öffentliche Infrastruktur, handlungsfähige Kommunen, eine Wissensgesellschaft, die Digitalisierung und ein solidarisches Miteinander setzen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Dann schaffen wir einen guten Beitrag für die Zukunftsfähigkeit Sachsen-Anhalts und der Bundesrepublik Deutschland. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Ich sehe, dass es Fragen gibt. Der Abg. Schumann und der Abg. Gehlmann haben Fragen. - Bitte, Herr Schumann.

Frau Lüddemann, würden Sie sich bei Ihren so aufstrebenden Bundestagsabgeordneten und Bundesvorsitzenden in Berlin dafür einsetzen, dass zum Beispiel Bundesbehörden aus Bonn in die Kohleregionen Sachsen-Anhalts, Sachsen und Brandenburgs verlegt werden? - Ich denke dabei zum Beispiel an die Bundeswehr. Das wäre doch einmal ein richtiger Beitrag des Bundes, uns beim Strukturwandel zu unterstützen. - Danke.

Frau Lüddemann.

Vielen Dank für die Frage. Noch sind wir in Berlin nicht so entscheidungsmächtig. Das wird sich sicherlich bald ändern.